US-Präsident verkündet Folterverbot - mit Ausnahmen

Angeblich sollen nach einem Präsidentenerlass die Gefangenen nach den Genfer Konventionen behandelt werden, aber wenn es sich um "feindliche Kämpfer" oder deren Unterstützer handelt, darf die CIA trotz Mediencoup weitermachen wie bisher

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Um das Steuer noch herumzureißen und eines der dunkelsten Kapitel des "Globalen Kriegs gegen den Terror" abzuschließen, hat US-Präsident Bush gestern eine Verfügung unterzeichnet, nach der auch "feindliche Kämpfer" nach den Genfer Konventionen behandelt werden müssen und Folter verboten ist. Aber die Politik des Weißen Hauses hat sich nicht über Nacht verändert. Es wird weiterhin getrickst, um Medien und Öffentlichkeit hinters Licht zu führen. Die deutsche Welt verkündet wie erwünscht dennoch einen "Kurswechel".

Hat das Weiße Haus endlich gelernt, dass es den USA mit der Praxis des Verschwindenlassens durch Verschleppungen, der Folter von Gefangenen und der unbegrenzten Inhaftierung auf Verdacht großen Schaden zugefügt hat? Das Image der USA ist außenpolitisch auf einen Tiefpunkt gefallen, innenpolitisch haben Bush und Cheney die Verfassung ausgehebelt und mit der Kriegsermächtigung dem Präsidenten immer mehr Macht zugeschaufelt.

US-Präsident Bush verkündet die angeblichen Erfolge des Kriegs im Irak und hat sich mit Veteranen und Mitgliedern von Militärfamilien umgeben. Bild: Weißes Haus

Unter Druck von der demokratischen Mehrheit im Kongress und angesichts vorerst unlösbarer Konflikte durch den "Globalen Krieg gegen den Terror", den man flugs auf den Irak erweitert hatte, scheint man im Weißen Haus nun zu versuchen, mit dem Nachgeben in einem Punkt den von vielen geforderten Rückzug aus dem Irak und damit das Scheitern des wichtigsten außenpolitischen Ziels der Bush-Regierung umgehen zu wollen. Bush beschwört nicht nur, dass mit einem Rückzug der islamistische Terrorismus, der im Irak erst durch die Besetzung stark wurde, letztlich auch den USA im eigenen Land gefährlich werden könnte. In diesem Punkt hat Bush wahrscheinlich Recht, auch wenn er vergisst, dass erst seine Politik, die er mit aller Macht und vielen Tricks gegen viele Verbündete, die Weltgemeinschaft und die amerikanischen Bürger durchsetzte, die Situation verursacht und die Gefährdung verstärkt hat. Bush will auch weiter daran festhalten, dass der Irak nach seiner Dominotheorie zum Ausgang einer Transformation der Region wird, durch die "radikale Regime" von "friedlichen Alliierten" abgelöst werden und die Terroristen keinen Rückzugsort mehr finden können.

Jetzt also soll die CIA nach seiner Anordnung Inhaftierungen und Verhöre gemäß des Artikels 3 Genfer Konvention ausführen, die die Behandlung von Kriegsgefangenen regelt. Folter ist danach verboten. Bush bestätigt allerdings, dass "Mitglieder von al-Qaida, der Taliban und verbündeter Organisationen" weiterhin als "feindliche Kämpfer" eingestuft werden und nicht dem Schutz der dritten Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen unterliegen. Damit will sich das Weiße Haus auf jeden Fall schon einmal die Möglichkeit belassen, Menschen zu verschleppen und unbegrenzt zu inhaftieren. Zudem ist nur die Rede von "einem Programm der CIA zur Festnahme und Befragung" die Rede, was zudem suggeriert, es könne auch noch andere geben.

Aber auch für das "eine" Programm werden Bedingungen gestellt. Im Gegensatz zur Anti-Folter-Konvention definiert der Erlass Folter nach US-Gesetzen. So ist nach dem Strafgesetzbuch § 2340 Folter nicht auch jede "grausame, unmenschliche oder demütigende Behandlung oder Bestrafung", sondern “severe mental pain or suffering", wozu allerdings auch die Verabreichung von Drogen oder andere Verfahren zählen, die die Persönlichkeit eines Menschen tiefgreifend verändern. 2005 wurde als erster Schritt der Detainee Treatment Act of 2005 verabschiedet, der allerdings für die CIA noch Schlupflöcher bot und vor allem eine Amnestie für alle garantierte, die davor Gefangene gefoltert hatten (Kongress legitimiert das von Bush eingeführte Unrechtssystem). Zu Gute halten muss man dem Erlass, dass nun weitere Verbote konkretisiert werden, beispielsweise sexuell demütigende Misshandlungen, wie sie in Abu Ghraib ausgeführt wurden, oder eine Missachtung der Religion.

Aber das trifft nur zu, wenn die CIA Gefangene nicht als Mitglieder oder Unterstützer (!) von al-Qaida, der Taliban oder anderer mit ihnen verbundenen Organisationen einstuft. Aber es gibt auch noch weitere Ausnahmen. Wenn die Inhaftierten Informationen über Anschläge oder über Mitglieder der Terrororganisationen haben könnten, steht der Fall schon anders. Dann kann die CIA Verhörmethoden anwenden, die nach "professioneller" Bewertung "sicher" sind, wenn die Gefangenen weiterhin ausreichend Lebensmittel, Kleidung, Schutz vor dem Wetter, vor Kälte und Wärme sowie medizinischer Versorgung erhalten. Das lässt erkennbar und gewollt einen großen Spielraum für die "alternativen" Verhörmethoden, auch wenn diese schriftlich angeordnet und die Verhörer geschult werden müssen.

Welche Verhörmethoden im Einzelnen erlaubt oder verboten sein sollen, bleibt wohlweislich offen. Demnach ist der Präsidentenerlass nur ein weiterer Spin, wie man ihn schon vom Weißen Haus gewohnt ist. Die CIA kann beruhigt weiter mit "leichter" Folter wie dem "Waterboarding", das sehr effektiv zu sein scheint, fortfahren. Die New York Times titelt ihren Artikel daher richtig: C.I.A. Allowed to Resume Interrogations, merkt allerdings an, dass nach Aussagen von Informanten die geheim gehaltene Liste der verbotenen Methoden auch das "Waterboarding" enthalten soll.

CIA-Director Michael V. Hayden beeilte sich denn auch gleich zu versichern, dass der Erlass die CIA-Angestellten schützt, weil klare Regeln vorgegeben werden. Sie grenzen zwar die Folter ein, legalisieren aber auch Foltermethoden. Angeblich seien nur 100 Terrorverdächtige – "hardened terrorists" verschleppt und verhört worden. Weniger als die Hälfte seien denn "verstärkten Verhörmethoden" unterzogen worden. Die "gewissenhafte und professionelle Befragung" habe "Tausende von Geheimdienstberichten" ermöglicht, mit denen unschuldiges Leben gerettet, Terroristen inhaftiert oder Anschlagspläne vereitelt worden seien. Die CIA habe die Verantwortung übernommen, alles war gut, das Land ist dadurch sicher geworden. Es geht also alles so weiter:

Bottom line: We can focus on our vital work, confident that our mission and authorities are clearly defined. Throughout the long fight ahead against al-Qa’ida and its affiliates, we will exploit every opportunity to expand our understanding of the enemy and his plans, and use that knowledge to protect our Republic.

CIA-Direktor Michael Hayden