US-Militär: Mehr Erfolg durch besseres Branding?

Um dem wachsenden Anti-Amerikanismus in Afghanistan und im Irak zu begegnen, schlägt ein vom Pentagon in Auftrag gegebener Rand-Bericht vor, stärker Vermarktungsregeln einzusetzen und die "Kundenzufriedenheit" zu beachten

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Der Globale Krieg gegen den Terror, vor allem der Einmarsch in den Irak, hat zu einem Image-Schaden der USA und des Pentagon geführt. Erwartet hatte man, dass die Iraker die "Befreier" begeistert begrüßen, aber die Möglichkeit wurde durch viele Fehler verspielt. Auch in den USA selbst hat der weitere Einsatz amerikanischer Truppen trotz einer wirklichen Alternative kaum mehr Unterstützer. Weil das Land immer mehr in den Bürgerkrieg abdriftet, die US-Soldaten keinen guten Ruf genießen und viele Iraker von einem schnellen Abzug der US-Truppen eher ein Ende der Gewalt erwarten, hat das U.S. Joint Forces Command bei dem mit dem Pentagon verbundenen Think Tank Rand Corp. für 400.000 Dollar eine Studie in Auftrag gegeben, um neue Mittel zu entwickeln, militärische Interventionen zumindest besser bei der Bevölkerung zu verkaufen, in deren Land man sich aufhält oder in das man einmarschiert ist.

Der Rat von Rand in dem 240seitigen Bericht Enlisting Madison Avenue: The Marketing Approach to Earning Popular Support in Theaters of Operation Das Pentagon müsse neben der Kriegsführung erfolgreiche Vermarktungs- und Werbestrategien aus der Wirtschaft einführen, vor allem eine Marke aufbauen (branding) und die Kundenzufriedenheit eruieren. Hervorgegangen sei die Studie, die für eine "Synthese von Marketing- und Militär-Ansätzen" plädiert, mitsamt den Ratschlägen vor allem aus zahlreichen Gesprächen mit Pentagon-Angehörigen und Marketingleuten aus der Industrie. Praktisch jede Aktion, Botschaft oder Entscheidung des Militärs beeinflusse die Haltung der Bevölkerung und forme sie: Wie man Razzien durchführt, wie viele unschuldige Opfer es bei Bombardierungen gibt oder wie Gefangene behandelt werden.

Aus all dem setzt sich das Bild des Militärs zusammen. Um es zum eigenen Vorteil zu gestalten, müsse auf durchgängige Einheitlichkeit der Handlungen, des Auftretens und der Äußerungen vom einfachen Soldaten bis zum Präsidenten geachtet werden. Die Marke ist das US-Militär mit seinen Zielen und Methoden, die Kunden sind die Menschen im Irak und in Afghanistan, in denen die Truppen Gegner bekämpfen, um eine bestimmte Ordnung zu etablieren. In den Irak seien die US-Truppen mit der Marke "Gewalt der Macht" einmarschiert, sie müssten jetzt in die Kampfidentität die zivile Aufgabe einbinden und in Kenntnis der Kultur und der Wünsche der "Kunden", also der irakischen Bevölkerung", handeln. Verwendet man beispielsweise den Begriff Dschihad nur für den Terrorismus, dann arbeitet man zugunsten der Terroristen, die Dschihad und Kampf gleichsetzen, während der Begriff in der islamischen Religion eine breitere Bedeutung habe.

Just as people think “safety” when they think of Volvo automobiles, the U.S. military needs to establish a strong brand identity that is consistently communicated through all U.S. force actions and messages. U.S. forces entered Iraq with a “force of might” brand identity ill-suited to earning local support. The armed forces should craft a new brand identity that incorporates their civilian shaping mission into their war-fighting role.

Der Ansatz ist freilich nicht neu. Schon lange haben die US-Regeierung und das Pentagon Werbeagenturen beauftragt oder selbst versucht, mit der Gründung neuer Abteilungen durch Herstellung oder Manipulation von Informationen, auch strategische Kommunikation oder PsyOp genannt, die Menschen zu beeinflussen. Immerhin erinnert der Psychologe Todd Helmus, einer der Autoren des Rand-Berichts aber auch daran, dass es nicht nur um den richtigen Spin geht, sondern die militärischen Aktionen selbst so geartet sein müssen, dass sie die Unterstützung der lokalen Bevölkerung gewinnen können. Dann freilich wäre eigentlich die Vermarktungsstrategie, also die begeleitende Werbung, nicht mehr entscheidend, zumal es ja nicht zahlreiche Konkurrenten mit ähnlichen Produkten auf dem Kriegsmarkt gibt, sondern sich nur Gegner bekämpfen, die mit höchst unterschiedlichen "Produkten" und Aktionen auf dem "Marktplatz" (asymmetrischer) Krieg durchsetzen wollen.

Es muss also jede Seite mit ihren eigenen Aktionen das Branding leisten. Greifen die Befreier der Supermacht zu terroristischen Methoden oder Folter und verursachen ähnlich wie Terroranschläge vor allem "Kollateralschaden", dann geht die Vermarktung daneben, die bei Aufständischen oder Terroristen ganz anders gelagert ist. Sie demonstrieren, dass sie Macht haben und solange Anschläge aus dem Hinterhalt heraus durchführen können, bis die Feinde abziehen. Für die Terroristen sind Bilder von verheerenden Anschlägen Beweis dafür, dass sie jederzeit und überall zuschlagen können, also Propaganda, für das US-Militär sind Bilder von toten oder verletzten Zivilisten Hinweise, dass es trotz der Übermacht nicht besser als die Aufständischen/Terroristen ist, die asymmetrisch nicht offen kämpfen können, aber auch nicht demonstrieren müssen, dass sie ein Gebiet permanent beherrschen. Ein für das US-Militär negatives Branding der Aufständischen kann aber von diesen auch dadurch erreicht werden, dass sie den Menschen helfen und sie mit dem Lebensnotwendigem versorgen, für Ausbildung sorgen oder an nationale bzw. religiöse Werte appellieren. Ganz allgemein habe die Medienlandschaft mit dem 24stündigen globalen und unkontrollierbaren Informationsstrom es dem Militär schwierig gemacht, die Bevölkerung in seinem Sinne zu beeinflussen.

Kontraproduktiv seien PsyOp-Strategien, die wie diese die Kultur nicht beachten. Die Iraker würden die Augen als bösen Blick missverstehen, heißt es im Bericht. Allerdings wollten die dafür Verantwortlichen wohl auch Angst mit der Suggestion der allseitigen Überwachung einjagen

Festgestellt werden aber auch spezifische Probleme des US-Militärs. Es sei vor allem darauf ausgerichtet, mit überwältigender Waffengewalt vorzugehen, wodurch "kommunikationsbasierte" Maßnahmen in den Hintergrund gedrängt werden. Genannt werden als Beispiele die "Kollateralschäden" unter der Zivilbevölkerung, das harte Vorgehen bei Razzien und die Verletzung der moralischen Normen. Zur "Kundenzufriedenheit" müsse man darauf achten, gegenüber der Zivilbevölkerung keine Versprechungen zu machen, die man nicht einhalten kann. Als Beispiel wird das Versprechen der US-Regierung genannt, dass sich die Lebensverhältnisse der Iraker nach dem Sturz des Hussein-Regimes schnelle verbessern werden. Am besten fahre man natürlich, wenn man die Bedürfnisse und Erwartungen der "Kunden" erfüllt, also beispielsweise im Hinblick auf den Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur schnelle Erfolge vorweisen kann. Und dann würden sich erfolgreiche Unternehmen dadurch auszeichnen, dass sie oft die Kundenzufriedenheit durch Umfragen und andere Aktionen wie Beschwerdemöglichkeiten ermitteln.

Zudem würden Unternehmen "Beinflusser" und Mund-zu-Mund-Propaganda im Sinne von "Social Marketing" einsetzen, um ihr Branding zu verbessern. Das US-Militär könne beispielsweise Beziehungen mit einflussreichen Prominenten in den Kampfgebieten kultivieren, die Benutzung von Blogs von heimischen Regierungsvertretern oder Sicherheitskräften fördern oder allgemein den Zugang der Bevölkerung zum Internet erweitern. Wichtig sei auch, Glaubwürdigkeit zu gewinnen, weswegen man genauer darauf achten sollte, wo man Desinformation bei Informationsoperationen oder PsyOp einsetzt. Teile der Informationskanäle sollten völlig frei sein von Täuschung sein.

Und natürlich müssten die Soldaten besser geschult und vorbereitet werden. Um die Beziehungen zu den einheimischen Soldaten zu stärken, müsste auch an eine längere Einsatzdauer gedacht werden, da bislang viel zu schnell gewechselt wird. Ob Fehler in Unternehmen schneller eingeräumt oder dort eine größere Transparenz als im Militär herrscht, sei dahingestellt. Dass das Militär mit der üblichen Hinhaltetaktik Glaubwürdigkeit verspielt, dürfte auf jeden Fall trotzdem zutreffen. Empfohlen wird, dass man sich auf Pannen aller Art vorbereitet , um eine überzeugende Informationspolitik machen zu können. Es sei auch gut, Journalisten, auch aus der Region, weiter "einzubetten", um sie so berichten zu lassen, oder lokale Journalisten zu schulen.

Der wichtigste Rat dürfte neben der konkreten Kritik an Einstellungen des US-Militärs wohl sein, auf die "Kundenzufriedenheit" auch im Krieg zu achten und mit der Bevölkerung, in deren Land man Krieg führt oder "Stabilitätsoperationen" vornimmt, in engem Kontakt zu stehen. Das ist allerdings auch nicht unbedingt Sache der Unternehmen. Ansonsten ist die vorgelegte Synthese von Wirtschaft und Militär auch nicht viel anderes als das, was man sonst Propaganda oder Werbung nennt.