Gentechnik scheitert am "milden Wetter"

Durchwuchs von Genmais auf einem Versuchsfeld von Monsanto in Deutschland

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Im Herbst wird die Bundesregierung eine Novelle zum Gentechnikgesetz verabschieden (Seehofer auf Kompromisskurs beim Gentech-Gesetz). Von zentraler Bedeutung für den Erhalt gentechnikfreier Nahrungsmittel ist die Frage des Abstands. Derweil zeigen sich unvorhergesehene Probleme auf Gentechnikäckern. Beim Monsanto-Mais gab es jüngst „erheblichen Durchwuchs“.

Nur eines ist sicher bei der Gentechnik – allen, die sich damit befassen, wird es nicht langweilig. Fast täglich gibt es neue Ereignisse und nur sehr selten gibt es Erfreuliches zu vermelden. Jetzt wurde ein Brief der Umweltverwaltung der Bezirksregierung Arnsberg vom 21. Juni dieses Jahres an das Ministerium für Umwelt- und Naturschutz in Düsseldorf bekannt, in dem zur „Gentechniküberwachung Firma Monsanto Agrar Deutschland GmbH ... am Standort Werne“ mitgeteilt wird, dass es

in diesem Jahr aufgrund des sehr milden Winters erstmalig bei der o.g. Freisetzung zu Durchwuchsmais kam.

Verantwortlich war den Umweltbürokraten zufolge also der „milde Winter“ – sprich das Wetter. Diese Ausrede vermag nicht jeden unbedingt zu beruhigen. Problematisch an dieser Ausrede könnte der Umstand sein, dass „das Wetter“ bereits in der herkömmlichen Landwirtschaft eine nicht unwichtige Rolle spielt.

Das Wetter oder die Militanten?

Nun haben sich die Damen und Herren der PR-Abteilung bei Monsanto etwas ganz Neues einfallen lassen, als sie Telepolis mitteilten:

Im Rahmen eines Freisetzungsversuches mit gentechnisch verändertem (gv) Mais der Linie NK603 hat Monsanto am Standort Werne auf einer Teilfläche einer zusammenhängenden Versuchsfläche, auf der in 2006 gv Mais geprüft wurde, Durchwuchs von gv Mais festgestellt. Diese Feststellung wurde der zuständigen Überwachungsbehörde durch Monsanto unverzüglich gemeldet.

Der Durchwuchsmais wurde entsprechend der Nachkontrollmaßnahmen unverzüglich und vor der Blüte vollständig beseitigt. Es bestand zu keiner Zeit ein Sicherheitsrisiko oder die Möglichkeit einer ungewollten Auskreuzung.

Die Gesamtfläche befindet sich in Bewirtschaftung von Monsanto. Auf dieser Fläche wird kein konventioneller Mais zu kommerziellen Zwecken angebaut. Der Grund für das Auftreten von gv Durchwuchsmais auf dieser Fläche ist auf die Zerstörung der Freisetzungsversuche in 2006 durch Aktivisten zurückzuführen.

Die militanten Gentechnik-Gegner waren es also - nicht das Wetter. Für die bürgerlichen Gegner grüner Gentechnik sind solche Erklärungsversuche wenig seriös. Für Dipl.-Geogr. Ralf Bilke vom BUND NRW ist

die Aussage :’Der Grund für das Auftreten von gv Durchwuchsmais auf dieser Fläche ist auf die Zerstörung der Freisetzungsversuche in 2006 durch Aktivisten zurückzuführen ...’ völliger Unfug.

Einmal abgesehen davon, dass Monsanto diese Behauptung nicht weiter erläutert und nachvollziehbar belegt, teile ich die Auffassung der Bezirksregierung Arnsberg, dass die Ursache für den Durchwuchs der vergleichsweise milde Winter ist. Anders als Raps, der winterhart ist, gilt Mais als sehr frostempfindlich, so dass nach einem 'normalen' Winter keine keimfähigen Maiskörner mehr im Boden anzutreffen sind. Einen Zusammenhang des milden Winters mit der 'Feldzerstörung', die wir im übrigen ablehnen und für den falschen Weg der Auseinandersetzung halten, kann ich nicht erkennen.

Missachtung des Mindestabstands in Borken

Der BUND NRW weist auf weitere bemerkenswerte Vorgänge im Zusammenhang mit Monsanto hin. In Borken, so der BUND, ließ der Agro-Konzern Monsanto eine Ackerfläche mit gentechnikfreiem Mais umbrechen, um so seinen umstrittenen Anbau des Gentech-Mais MON 810 in unmittelbarer Nachbarschaft aufrecht erhalten zu können.

Die Missachtung des bislang von den Behörden geforderten Abstands von nur 150 Metern zum gentechnikfreien Nachbarfeld veranlasste die Opposition im nordrhein-westfälischen Landtag, eine Aktuelle Stunde zu fordern. In der Debatte verdeutlichte der CDU-Landtagsabgeordnete Friedhelm Ortgies die Gleichgültigkeit seiner Partei gegenüber den weitgehend noch unbekannten Risiken Grüner Gentechnik:

Die Firma Monsanto hat den Abstand von 150 m nicht eingehalten und hat nicht ordnungsgemäß und nicht rechtmäßig gehandelt. Das ist nicht klug. Man kann es auch als Dummheit bezeichnen, wenn man sich auf diesem hochsensiblen Gebiet nicht genau an die Grenzen hält, die rechtmäßig vorgegeben sind. Daraus allerdings eine Aktuelle Stunde im Landtag Nordrhein-Westfalen zu machen, ist, als würde man die Mücke zum Elefanten machen.

Die SPD-Abgeordnete Svenja Schulze machte hingegen auf die möglichen Risiken aufmerksam:

Sie reden von Koexistenz und wissen noch nicht einmal, welche Gefahren von der Freisetzung diesen gentechnisch veränderten Pflanzen ausgehen. Sie setzen Pflanzen in die Umwelt und wissen nicht, was damit passiert. Wir wissen inzwischen aus zahlreichen Studien – auch das Bundesamt für Verbraucherschutz verweist auf neue Studien –, dass Genmais negative Auswirkungen auf Organismen hat. Wir wissen das inzwischen ganz genau von Fliegen, Wespen, Spinnen und Schmetterlingen; wir wissen aber noch nicht, welche Auswirkungen es auf die Menschen hat. Monsanto nimmt das alles billigend in Kauf, will weiter forschen und weitermachen, da sie viel Geld investiert haben ...

Eine Sprecherin der Firma Monsanto erwähnte Borken als Beleg dafür, dass nicht der milde Winter, sondern die zuvor bereits erwähnten „Aktivisten“ Grund für den Durchwuchs in Werne waren, den es in Borken schließlich nicht gegeben habe:

Am Standort Borken wurde in 2006 gv Mais der zur Inverkehrbringung zugelassenen Linie MON810 geprüft. Die Fläche, auf der sich nunmehr Weizen befindet, wurde im Frühjahr 2007 durch die zuständige Überwachungsbehörde Münster auf Durchwuchsmais inspiziert. Es wurde kein Durchwuchsmais festgestellt.

Monsanto behauptet also nicht, es habe dort keinen Durchwuchs gegeben: Es wurde lediglich keiner festgestellt.

Umstritten ist, ob 150 oder auch 300 Meter Abstand in der Landwirtschaft eine ausreichende Sicherheit darstellen können, da Gräserpollen, wozu auch Mais gehöre, so Gero Garthaus (SPD) in der Debatte über Monsanto in Borken, "ziemlich weit, kilometerweit", fliegen können. Imker verweisen darauf, dass Bienen in einem Umkreis von 6 km fliegen. Viele Imker fürchten deshalb langfristige Folgen und möglicherweise den Verlust ihrer Bienenvölker. Der Grüne Abgeordnete Johannes Remmel zitierte im Landtag aus einem Schreiben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Umpflügen statt Gen-Mais ernten?), in dem es heißt:

Erst mit jüngeren Untersuchungen wurde deutlich, dass und in welchem Ausmaß das Bt-Toxin über die Pflanze in höhere Nahrungskettenglieder gelangt. … Diese neuen und zusätzlichen Informationen … geben berechtigten Grund zu der Annahme, dass der Anbau von MON810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt.“ Ich wiederhole: „eine Gefahr für die Umwelt darstellt“!

Monsanto versichert in einer Pressemitteilung, dass der von französischen Wissenschaftlern geäußerte Verdacht, MON863 habe bei Ratten in einem Fütterungsversuch zu gesundheitlichen Schäden geführt, nicht zu halten sei:

Die EFSA bekräftigt nun nach ihrer neuerlichen Bewertung der Séralini-Studie, dass MON863 bei Ratten keinerlei Effekte hervorruft und die beobachteten Schwankungen ohne Zweifel innerhalb der natürlichen Bandbreite liegen. Auch die nationalen Behörden, darunter die französische Behörde für Lebensmittelsicherheit AFSSA (Agence Française de Sécurité Sanitaire des Aliments) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatten die Bedenken von Séralini et al. umgehend abgewiesen.