"Protect America Act" passiert den US-Kongress

Auch das Repräsentantenhaus hat dem Gesetz, das der NSA weitgehend freie Hand beim Abhören von Telefon- und Internetkommunikation ermöglicht, zugestimmt

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Wie zu erwarten war, hat auch die demokratische Mehrheit im Kongress dem Protect America Act wie schon zuvor der Senat mit großer Mehrheit von 227 zu 183 zugestimmt. Das Weiße Haus hat zuvor eine Kampagne zur Durchsetzung gestartet, auf die Verabschiedung des Gesetzes noch vor der Sommerpause gepocht und die Kongressmitglieder davor gewarnt, sie aus den Ferien zu holen, wenn das Gesetz nicht den Wünschen des US-Präsidenten genügt, der dies zuvor deutlich gemacht hatte (Lizenz zum ungehinderten Abhören).

Verkleidet in eine "Modernisierung" der FISA-Regeln (Foreign Intelligence Surveillance Act) zum Abhören, die 1978 nach Exzessen der CIA zur besseren Kontrolle eingeführt wurden, wurden nun die damals getroffenen Einschränkungen wieder aufgehoben. Nun können praktisch unkontrolliert von der NSA alle Telefongespräche und Internetkommunikationen zwischen den USA und dem Ausland abgehört werden. Dabei muss nur gelten, dass sich eine Person, die den Geheimdiensten Informationen liefern könnte, vermutlich im Ausland aufhält (reasonably believed to be located outside the United State), um ein Abhören ohne richterliche Genehmigung durchführen zu können.

Damit kann nun die NSA praktisch alle Kommunikation auch der Amerikaner überwachen. Eine Einschränkung gibt es nur insofern, als die Überwachung – im Unterschied zu Echelon - nicht "elektronisch" ausgeführt werden darf, sondern der Zugang zur Kommunikation über den jeweiligen Provider oder einen Mitarbeiter von diesen erfolgen muss. Diese können zur Kooperation, die nter Geheimhaltung steht, gezwungen werden, haben aber die Möglichkeit, einen Widerspruch bei einem Sondergericht einzureichen. Der Justizminister muss halbjährlich den Geheimdienst- und Rechtsausschüssen berichten, zunächst sind die neuen Befugnisse nur ein halbes Jahr lang gültig und müssen dann erneut bestätigt werden. Der Foreign Intelligence Surveillance Court, der sowieso geheim tagt, kann nicht mehr die einzelnen Abhöraktionen rechtlich prüfen, sondern nur die allgemeinen Richtlinien, nach denen diese geschehen.

Demokraten haben trotz erheblicher Bedenken auch dem Gesetz zugestimmt, weil sie fürchten, dass sie sonst unter Druck geraten könnten, zu wenig gegen den Terrorismus zu machen. Das ist vor den Wahlen im nächsten Jahr offenbar ein wirksames Mittel, das das Weiße Haus und die republikanischen Abgeordneten auch exzessiv ausgespielt haben. Tony Fratto, ein Sprecher des Weißes Hauses, erklärte, dass das neue Gesetz nicht dazu dienen soll, die US-Bürger mehr abzuhören oder in "irgendeiner Weise die legitimen Privacy-Rechte" von diesen zu beeinträchtigen.

Die Mehrheit der Demokraten lehnt das Gesetz aber ebenso wie Bürgerrechtsorganisationen ab, weil es das Abhören praktisch aller Telefongespräche und anderer Kommunikation von den USA ins Ausland ohne richterliche Genehmigung erlaube, sofern der Empfänger für die Geheimdienste als interessante Quelle erscheint. Dabei ist nicht mehr die Rede von Terrorismus, der Zweck müsse nur vorwiegend darin bestehen, Informationen aus dem Ausland zu erhalten (obtain foreign intelligence information). Für Republikaner und das Weiße Haus ist die Unterscheidung etwa zwischen In- und Auslandsgesprächen obsolet geworden. Die Geheimdienste, so ein Mitarbeiter des Weißen Hauses, wollen ein Ziel abhören, unabhängig davon, wo es sich aufhält. Damit wird im Hinblick auf das Abhören auch die Trennung zwischen Auslandsgeheimdiensten und Polizei aufgehoben.