Weniger verstehen durch Baby Einstein

Fernsehen kann Sprachentwicklung behindern

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Erwartungsgemäß konzentrierten sich die meisten Meldungen auf den sensationellen Kern der jüngsten Studie zur Medienwirkung bei Kleinkindern: Spezielle DVDs und Programme für Kleinkinder, die eigentlich als Lernhilfe gedacht sind – am bekanntesten dürften Baby Einstein und Brainy Baby sein (vgl. Babys vor die Glotze) - haben nicht nur keinen pädagogischen Effekt, sie können die Sprachentwicklung sogar behindern.

Zu diesem Ergebnis kommt die neuesten Studie von Frederick Zimmerman und Dimitri Christakis, die sie aktuell in der Fachzeitschrift "Journal of Pediatrics" veröffentlichen. Beide Forscher sind der Fachwelt (und auch Lesern dieser Zeitschrift) als Spezialisten für die Erforschung von frühkindlicher Mediennutzung und deren Wirkung auf Kinder bis zu zwei Jahren bekannt. Die aktuelle Studie ist im Grunde eine Art Zwischenergebnis eines größer angelegten Forschungsprojekts (vgl. Fitte Babys schauen fern).

Zimmerman und Christakis kann man nicht als generelle Gegner der Mediennutzung von Kindern begreifen. In ihrem Buch "The Elefant in the Living Room" stellen sie Möglichkeiten heraus, wie Fernsehen für Kinder durchaus nützlich sein kann. Doch gilt das offensichtlich nur für ältere Kinder, wie die beiden Forscher in ihren letzten Veröffentlichungen betonen. Dass immer mehr Kinder unter zwei Jahren immer mehr und länger Medien nutzen, ist für die Wissenschaftler eher bedenklich und offensichtlich immer wieder auch Anlaß zu gut gemeinten Empfehlungen an die Eltern.

40 Prozent der drei Monate alten Kleinkinder und 90 Prozent der Zweijährigen sitzen regelmäßig vor den Bildschirm, bzw. werden dort hin gesetzt, um fernzusehen, DVDs anzuschauen oder Videos. US-amerikanische Kinder unter einem Jahr schauen durchschnittlich eine Stunde pro Tag, die Zweijährigen anderthalb Stunden: Das war das Ergebnis der letzten Veröffentlichung von Zimmerman, Christakis et al., die mit der Empfehlung einherging, Kleinkinder so wenig wie möglich fernsehen zu lassen, auch wenn viele Eltern der Überzeugung sind, dass sie den Kindern damit pädagogisch Gutes tun.

Diesmal wollten Zimmerman, Christakis et al. genauer wissen, welchen pädgogischen Wert spezielle DVDs und Videos für Kleinkinder tatsächlich haben:

Die wichtigste Erkenntnis dieser Studie ist, dass es keine deutlichen Beweise dafür gibt, dass Baby DVDs und Videos nützlich sind, nahegelegt wird eher Schädliches.

Frederick Zimmermann

Wie bei der Vorgänger-Studie wurden auch für die aktuelle Untersuchung Telefonbefragungen von mehr als 1000 Familien in Minnesota und Washington, denen in den vorangegangenen zwei Jahren ein Kind geboren wurde, herangezogen. Die genutzten Medien wurden in vier Kategorien aufgeteilt: Baby DVDs und Videos; pädagogische Fernsehprogramme, DVDs und Videos, wie etwa "Sesam Straße" oder "Blue's Clues"; Fernsehprogramme ohne pädagogische Ausrichtung wie z.B. "Sponge Bob" oder "Bob the Builder" und schließlich Programme für Erwachsene wie "Simpsons", "Oprah" oder Sportsendungen.

Das weniger sensationelle Ergebnis dazu: Die Forscher fanden generell weder positive noch negative Effekte auf die Kinder, egal welchen Alters (unter zwei Jahren) und unabhängig davon, ob sie pädagogisches, nicht-pädagogisches oder Erwachsenen-Programm gesehen hatten. Doch die Wissenschaftler wollten Genaueres über den Einfluss der Mediennutzung auf die Sprachentwicklung wissen. Dazu hatten sie für zwei Altersgruppen Fragebögen entwickelt, die nach dem Wortschatz der Kinder fragten. Für Kinder zwischen 8 und 16 Monaten standen 90 Wörter, z.B. "choo choo", "mommy", "nose", auf der Liste und die Eltern wurden gefragt, welche Wörter ihre Kinder kennen. Eltern von Kindern im Alter zwischen 17 und 24 Monaten wurden danach gefragt, ob ihre Kinder Wörter wie "Truck", Cookie" oder "Balloon" benutzen.

Die Wissenschaftler fanden heraus, das die jüngsten Kinder statistisch für jede Stunde, die sie Baby DVDs und Videos sahen, im Durchschnitt sechs bis acht Wörter weniger verstehen als jene Altersgenossen, die diese Programme nicht gesehen hatten. Auf Kleinkinder zwischen 17 und 24 Monaten hatten die Baby-Programme weder einen positiven noch einen negativen Effekt. Die sensationellen Negativ-Ergebnisse sind demnach nicht übermäßig zu bewerten.

Aber auch dieser Studie ist wie der Vorläuferstudie eine Erklärung beigefügt, die Eltern wertvolle Hinweise liefern kann.

Es gibt nur eine limitierte Anzahl von Stunden, an denen die Kleinen wach und aufmerksam sind. Wenn die Zeit, in der sie aufmerksam sind, vor dem Bildschirm verbracht wird statt im Gespräch mit Menschen - welche die melodische Sprechweise, die wir mit den Babys gebrauchen, ausüben -, dann bekommen nicht alle Babys die gleiche linguistische Erfahrung.

Andrew Meltzoff