Antiterrorgesetze gegen Demonstranten

Die Vorkehrungen gegen die geplanten Proteste von Umweltschützern gegen den Bau einer dritten Startbahn für den Flughafen Heathrow machen anschaulich, wie Antiterrormaßnahmen zur Eindämmung politischer Proteste verwendet werden

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Wie Antiterror-Gesetze und die durch sie eröffneten Möglichkeiten für die Staatsgewalt Schritt für Schritt auch gegen politische Proteste erweitert werden oder Begehrlichkeiten erwecken, kann man derzeit in Großbritannien beobachten. Wovor Kritiker immer gewarnt haben, wenn es hieß, dass die Einschränkung der Bürgerrechte und die Kompetenzerweiterung der Sicherheitskräfte nur der Bekämpfung des (islamistischen) Terrorismus, wird nun beim Umgang mit einem Camp für den Klimawandel deutlich, in dem Umweltschützer eine Woche lang, beginnend am 14. August, am Flughafen Heathrow gegen den Bau einer dritten Startbahn demonstrieren wollen.

Schon im Vorfeld hatte BAA, die Betreibergesellschaft des Flughafens, versucht, gegen die Proteste von 15 Umweltschutzgruppen ein weiträumiges Verbot von Protesten durchzusetzen, die nicht 24 Stunden zuvor angemeldet wurden, um die Passagiere und den Flugplatz zu schützen. Die Umweltschützer haben während der Proteste "direkte Aktionen" und "ziviles Ungehorsam" in vielen und kreativen Formen angekündigt, aber festgelegt, dass der Zaun um den Flughafen während des Dauer des Camps nicht überschritten werden soll. Der Protest soll friedlich bleiben, die Sicherheit am Flughafen nicht beeinträchtigt und Passagiere nicht gestört werden. Den Ort des Camps wollen die Veranstalter aber erst zu Beginn der Proteste am 14. August mitteilen.

Nach dem Antrag der BAA hätten, wie der Independent berichtete, Proteste 24 Stunden vorher angekündigt werden müssen. Sollte eine Aktion stattfinden, dann sollte allen Mitgliedern der Organisationen, die zu Protesten aufrufen, verboten sein, die Autobahn, die U-Bahnen und andere Verkehrsmittel in London, die zum Bahnhof Paddington gehen, und die Züge, die von dort nach Heathrow gehen, zu benutzen. Schon an den Bahnsteigen hätte dann die Polizei die möglichen Demonstranten verhaften können oder müssen. Die Umweltgruppen, die zum Klimacamp aufgerufen haben, sollen um die 5 Millionen Mitglieder haben.

Die BAA wollte den Demonstranten drei Orte für die Proteste zuweisen. Allerdings sollten dort nicht zu viele Demonstranten zugelassen werden, zudem sollte dort nur eingelassen werden, wer zuvor seine Teilnahme angekündigt hat und seine Identität dokumentiert. Und schließlich versuchte die BAA noch, eine Verfügung gegen vier Leiter der Proteste von den Organisationen Camp for Climate Action, Plane Stupid, No Third Runway Action Group; und AirportWatch durchzusetzen. Auch hier wären wiederum alle 5 Millionen Mitglieder betroffen gewesen, denen verboten werden sollte, an einem Camp teilzunehmen oder in die Nähe des Flughafens zu kommen. Man verstieg sich so weit, von einem irakischen Stil der Terrorbedrohung zu sprechen, um die Verbote durchzusetzen. Wenn Fahrzeuge aufgehalten werden, würde dies die Gefahr eines Terroranschlags vergrößern. Das sehe man jeden Tag in Bagdad.

Die Kritik an den überzogenen Forderungen der BAA war groß. Das Gericht räumte zwar ein, dass die von den Protesten möglicherweise verursachten Störungen vielleicht von Terroristen für einen Anschlag genutzt werden könnten, verhängte dann aber keine Verbote gegen friedliche Proteste. Das geforderte weiträumige, bis noch London reichende Verbot wurde weitgehend abgewiesen. Nur der Organisation Plane Stupid und deren Mitglieder wird verboten, unerlaubt den Flughafen und Eigentum der Betreibergesellschaft zu betreten, den Zugang zum Flughafen zu blockieren oder den Betrieb anderweitig zu stören.

Insoweit hat die Meinungs- und Versammlungsfreiheit noch einmal gesiegt. Allerdings wurde dem Guardian ein Dokument zugespielt, nach dem die Polizei beabsichtigt, bei Bedarf Maßnahmen gegen Demonstranten zu ergreifen, die aufgrund der Antiterror-Gesetzgebung eingeführt worden sind. Die Polizei rechnet damit, dass eine Minderheit der erwarteten 1.500 Teilnehmer am Camp versuchen werde, den Betrieb des Flughafens massiv zu stören.

Nach dem Bericht, den ein leitender Polizist während einer Anhörung vor dem Hohen Gericht vortrug, hat die Regierung die Polizei bestärkt, die Antiterrormaßnehmen öfter einzusetzen, vor allem die durch den Terrorism Act 2000 geschaffenen Möglichkeiten, Menschen und Fahrzeuge auch ohne wirkliche Anhaltspunkte für einen Verdacht anzuhalten und durchsuchen. Wenn einzelne Personen oder kleine Gruppen nicht legale Aktionen durchführen wollen. "wird gegen sie hart unter Verwendung von Antiterrorbefugnissen vorgegangen", heißt es in dem Dokument: "Das geschieht deswegen, weil die Anwesenheit von großen Mengen an Demonstranten am Flughafen oder in dessen Nähe unsere Möglichkeiten verringert, proaktiv gegen die terroristische Bedrohung vorgehen zu können". Das könnte auch heißen, wie der Guardian vermutet, dass Personen bis zu einem Monat ohne Klage zu erheben festgehalten und deren Wohnungen durchsucht werden können. Nach dem Guardian ist bereits eine Umweltschützerin, die am Flughafen entlang geradelt ist, nach dem Antiterrorgesetz für 30 Stunden inhaftiert worden. Die Bürgerrechtsorganisation Liberty kritisiert, die für die Bekämpfung des Terrorismus erlassenen Gesetze gegen friedliche Demonstranten anzuwenden.