Mit dem Umzug das Leben verbessern

Für Minderheiten eine gute Idee, findet eine amerikanische Studie

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Manche wissenschaftliche Bemühung bestätigt nur, was man ohnehin schon zu wissen glaubt. Zum Beispiel, dass der Umzug in ein anderes, besseres Wohnviertel auf die gesamten Lebensumstände abfärbt und zwar günstig. Nicht ohne Grund hört man etwa in München Giesing einen Nachbarn den anderen, der vom Wohnblock im Arbeiterviertel in eine Wohnanlage im Villenvorort wechselt, fragen: "Harlaching, Sie verbessern sich also?". Besonders wichtig sind solche Verbesserungen, wenn man Kinder hat. Ein amerikanischer Soziologie-Professor hat nun herausgefunden, dass sich das Leben für Kinder von Minderheitenfamilien in den USA verbessert, wenn sie in ein neues Viertel mit höherem Status gezogen sind.

"Scratchin' and Surfing or Movin' on Up" heißt der funky Titel der Arbeit von Jeffrey Timberlake, Assistenzprofessor für Soziologie an der Universität von Cincinnati, im Orginal. Timberlake stellte seine Arbeit am vergangenen Sonntag bei der Tagung des Verbandes der amerikanischen Soziologen in New York vor; Soziologen, so der Anspruch des Meetings, müssten sich der Frage stellen, ob eine andere Welt möglich ist und mit schärfsten, erhellendsten und nützlichsten Analysen die sich ständig verändernde Welt begleiten.

In Timberlakes Studie geht es um Kinder, Wohnviertel und sozioökonomischen Status. Als frappantesten Schluss aus seiner Forschung stellt der Soziologe heraus, dass Mobilität soziökonomische Ungleichheiten afro-amerikanischer Kinder und solchen aus Latino-Familien in einem Wohnviertel mindern kann. Etwas verständlicher ausgedrückt:

Es sieht ganz so aus, als ob sich afro-amerikanischen und Latino-Familien verbessert haben, als sie in den frühen 90er Jahren in neue Wohnviertel zogen. Es ging ihnen genauso gut oder vielleicht sogar besser als weißen (Familien), was den Umzug in statushöhere Viertel anbelangt.

Jeffrey Timberlake

Kriterium für das Bessere waren wirtschaftliche Verbesserungen. Das Datenmaterial kam aus repräsentativen Quellen, welche die gesamten Vereinigten Staaten umfassten, zum einen Daten aus dem US Census von 1990 und 2000, zum anderen Daten aus einer Panel Study zur Einkommensdynamik.

Wie es aussieht, ist das frappante Ergebnis von Timberlake nur ein leichter Wellenschlag angesichts einer ziemlich unveränderten Gesamtlage: Denn die weißen Kinder stellen demnach weiter die große Mehrheit in den privilegierten Vierteln mit besseren Schulen, Straßen, Ärzten usw.. Weiße Kinder können nach Timberlakes Ergebnissen auch ihren Vierteln treu bleiben und trotzdem in den Genuß größerer wirtschaftlicher Verbesserungen kommen als die Sprößlinge von Minderheiten-Familien, die nicht umziehen. Es zeigte sich also nur, dass der Sprung nach vorne, der für Minderheiten-Familien mit einem Umzug in ein besseres Wohnumfeld verbunden war, im Vergleich größer war als jener, den weiße Familien machten, wenn sie in eine bessere Gegend umzogen. An der grundsätzlichen Ungleichheit änderte das nichts.

Eltern prägen mit der Wahl ihres Wohnviertels das soziale Schicksal ihrer Kinder

Seine Untersuchung würde nur bestätigen, was andere Studien schon herausgestellt hätten: Dass Kinder verschiedener Herkunft ungleiche Bedingungen in ihren Wohnvierteln erfahren würden, während sie aufwachsen und sich entwickeln. Um Kinder in ihrer Entwicklung besser zu fördern bzw. um Schaden durch schlechte Verhältnisse von ihnen abzuhalten, empfiehlt Timberlake finanzielle Anreize, um besser integrierte Wohnviertel zu schaffen und mehr Geld und Investitionen für Viertel, in denen das Durchschnittseinkommen niedriger ist. Angesichts der Steuerpolitik in den USA sind seine Hoffungen für solche kostenintensive Veränderungen nicht allzu groß.

Eltern prägen mit der Wahl ihres Wohnviertels das soziale Schicksal ihrer Kinder, hat auch der französische Soziologe und Wirtschaftswissenschaftler Eric Maurin schon seit längerem herausgefunden. Nach Ansicht von Maurin, der bekannt dafür ist, dass er für seine Forschungen immense Datenmengen verarbeitet, zeichnet sich die gegenwärtige französische Gesellschaft durch solche sozialen Abgrenzungen aus - "Sag mir in welcher Nachbarschaft du lebst und ich werde dir sagen, an welcher Gesellschaft du mit baust" ( vgl. Allgemeine Abschottung).

Im Widerspruch zu Timberlakes "Movin' on Up"-Studie steht allerdings eine US-amerikanische Studie vom letzten Jahr, die Schlechte Aussichten für Ärmere in besseren Wohngegenden feststellt. Nach dieser Studie verkürzt sich die Lebenserwartung von Ärmeren, die in "higher-income"- Vierteln leben. Möglicherweise, so die Studienleiterin Winkleby, sind es nicht nur die höheren Kosten in einem besseren Viertel, die gesunde Ernährung oder gute medizinische Versorgung für die Ärmeren verhindern, sondern andere Gründe, die für die schlechte Gesundheit verantwortlich sind: Die Ärmeren würden sich isoliert fühlen, ausgeschlossen von der Community. Die soziale Diskrepanz habe möglicherweise einen Effekt auf die Gesundheit und in solchen Vierteln würde sie eben deutlicher ausfallen: "You look out every day and you're at the bottom of the social ladder". Oder wie der Volksmund weiß: Armut macht krank.