Wald statt Biosprit

Wälder aufzuforsten verringert Kohlendioxid-Emissionen weit besser als die Nutzung auf der gleichen Fläche gewonnenen pflanzlichen Biosprits

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Treibstoffe wie Bio-Diesel und Ethanol aus dem landwirtschaftlichen Anbau von Pflanzen zu gewinnen, mag eine neue Einnahmequelle für Landwirte und eine willkommene Alternative für nicht mit Erdölreserven gesegnete Länder sein - doch es mehren sich die Argumente, die gegen einen stärkeren Einsatz dieser Verfahren sprechen. Das beginnt schon bei der eher ethischen Frage, ob man guten Gewissens aus Getreide Kraftstoffe für die Industrieländer herstellen kann, während anderswo Menschen verhungern.

Erst kürzlich warnten auf der Weltwasserwoche das Stockholm International Water Institute vor einer möglichen Wasserknappheit: Bis 2050, haben die Forscher errechnet, könnte sich der Wasserbedarf der Landwirtschaft weltweit verdoppeln. Vor Verwerfungen in den Entwicklungsländern in Südamerika und Asien warnten jüngst die Vereinten Nationen: Die starke Ausweitung der Ackerflächen treibe allein in Indonesien Millionen Menschen in die Flucht. Selbst hierzulande scheint der Biosprit-Boom für Preissteigerungen bei Lebensmitteln mit verantwortlich zu sein (vgl. Teurere Lebensmittel).

Es scheint auch fraglich zu sein, wie die Klimabilanz der pflanzlichen Treibstoffe aussieht. Man muss dabei gar nicht so weit wie einige kontrovers diskutierte Studien gehen, diesen gleich eine völlig negative Ökobilanz unterstellen..

In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science liefern zwei Forscher ein weiteres Argument gegen eine Ausweitung des Biosprit-Geschäfts, indem sie einfach alternative Land-Nutzungen vergleichen. Angesichts des wohl bevorstehenden Klimawandels konzentrieren sie sich auf die jeweils möglichen Einsparungen bei den Kohlendioxid-Emissionen.

Abholzung von Wäldern in Ecuador (Foto: World Land Trust)

Biosprit-Hersteller werben ja mit dem Argument, dass sich durch die Verwendung nachwachsender Rohstoffe die Anreicherung der Atmosphäre mit dem Klimakiller verringern ließe - theoretisch enthält die landwirtschaftlich angebaute Biomasse ja dieselbe Menge an (der Luft entzogenem) Kohlenstoff, die vom Fahrzeug dann wieder in selbige geblasen wird.

Aufforsten deutlich überlegen

Dieses Argument berücksichtigt allerdings nicht, dass man mit derselben Anbaufläche auch etwas ganz anderes anstellen könnte - mit womöglich noch positiveren Folgen für eine mögliche Abwendung der weiteren Erwärmung der Erdatmosphäre. Die beiden Science-Autoren haben nun errechnet, welche Menge an Kohlenstoff-Emission die verschiedenen Nutzungsarten für die nächsten 30 Jahre einsparen. Für 30 Jahre, weil das die Zeit ist, die die Menschheit wohl zur Entwicklung und Durchsetzung kohlenstofffreier Antriebsverfahren benötigt.

Das Ergebnis ist recht eindeutig: Die Aufforstung eines Hektars Land spart zwei- bis neunmal soviel an Kohlenstoff-Emissionen wie die Nutzung derselben Fläche zur Gewinnung von Agrar-Treibstoff. Die Ergebnisse variieren zwar stark je nach Art, Herkunft und Herstellungsverfahren der pflanzlichen Kraftstoffe - trotzdem ist die Aufforstung von Wäldern allen anderen Nutzungsarten deutlich überlegen. Dabei sind Emissionen noch nicht einmal berücksichtigt, die der Mensch durch die Änderung der Nutzungsarten verursacht (also etwa durch das Abholzen von Wäldern).

Gerade diese stellen aber ein besonderes Problem dar, wenn man die Agrarsprit-Gewinnung noch ausweiten will. Um zehn Prozent konventionellen Benzins und Diesels durch Pflanzen-Sprit zu ersetzen, werden 43 Prozent (USA) beziehungsweise 38 Prozent (Europa) der bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche benötigt. Weil man diese Anforderungen kaum aus gegenwärtig genutzten Flächen realisieren kann, stünden weitgehende Abholzungsmaßnahmen bevor - sicher nicht in den hübschen Naturparks in den deutschen Mittelgebirgen, dafür aber, wo wir es nicht mit ansehen müssen, in Asien und Südamerika.

Die Beseitigung einer so großen Menge Wald belaste aber, so die Wissenschaftler in ihrem Science-Beitrag, das Kohlenstoff-Konto so stark, dass es sich über die Gewinnung von Pflanzen-Sprit auf keinen Fall wieder ausgleichen lässt. Wenn das politische Ziel tatsächlich in einer Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen bestehe, schließen die Forscher, sollten sich Politiker darauf konzentrieren, die Rahmenbedingungen für drei wichtige Maßnahmen zu schaffen: eine effizientere Nutzung herkömmlicher Treibstoffe, den Erhalt der bestehenden Wälder und die Wiederaufforstung nicht für die Herstellung von Nahrung genutzter Flächen.