Kleine Fehler sorgen für hitzige Debatte

Die Energie- und Klimawochenschau: Noch streitet man sich in den USA über die Interpretation der Temperaturdaten, aber schon in wenigen Tagen dürften zumindest am Golf von Mexiko die Menschen andere Sorgen haben, wenn Hurrikan Dean die Küste erreicht

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Während sich die Bundesregierung zur Klausur zurückzieht, unter anderem um über Klimaschutzmaßnahmen zu beraten, hat im südlichen Nordatlantik die Hurrikan-Saison begonnen. Die NASA hat eigens ihre Raumfähre einen Tag früher zurück beordert, damit sie nicht Hurrikan Dean in die Quere kommt.

Hurrikan Dean. Bild: NOAA

Im östlichen Pazifik heißen die Hurrikane Taifune und haben ihr saisonales Zerstörungswerk längst begonnen. In Vietnam hat der Durchzug eines tropischen Wirbelsturms, also einer Taifun-Vorstufe, bereits für erhebliche Schäden gesorgt. Viele Nahrungsmittelvorräte wurden zerstört. Das Internationale Rote Kreuz bereitet sich auf Hilfsaktionen in der Region vor. Derweil leiden in Japan und Teilen der USA die Menschen unter extremer Hitze. Von einigen Todesfällen ist bereits die Rede, aber gewöhnlich lässt sich die Todesursache bei solchen Ereignissen nicht immer klar zuordnen. Die Angaben von 20.000 Toten während der Hitzewelle 2003 in Westeuropa wurden aus der Statistik der Todesfälle abgeleitet, die während der Hitze deutlich anstieg.

Kleine Fehler. große Aufregung

Unterdessen tobt in den USA ein Sturm im Wasserglas: Wie bereits berichtet, hat dort in der letzten Woche die Entdeckung einiger Fehler in den Temperaturzeitreihen viel Aufregung verursacht. Mancher Kommentator sah mal wieder die Glaubwürdigkeit der Klimaforschung in Gefahr.

Worum ging es? Messreihen der Lufttemperatur sind eine sehr knifflige Geschichte. Die Temperatur ist eine überaus lokale Größe und allerlei Veränderungen in der Umgebung der Messstation können sich in den Daten bemerkbar machen. Nicht selten kommt es zum Beispiel vor, dass die kleinen Observatorien verlegt werden. In den Daten gibt es denn einen Sprung, der nicht unbedingt gleich auffällt. Weit verbreitet und seit vielen Jahrzehnten bekannt, ist der Hitze-Insel-Effekt der Städte. Meist wurden die Wetterstationen im 19. Jahrhundert oder noch früher außerhalb der Städte errichtet, die ihnen allerdings im Rahmen der Urbanisierung hinterher wuchsen. In den Städten ist das Klima jedoch merklich wärmer als auf dem Land, weshalb auch dieser Effekt die Temperaturzeitreihen verfälscht. Aber das ist wie gesagt alles seit langem bekannt und wird aus den Zeitreihen herausgefiltert, um ein realistisches Bild der Klimaentwicklung zu bekommen.

Die Sache macht indes deutlich, dass die Bedingungen an jeder einzelnen Station sorgfältig analysiert werden müssen und dass jede Zeitreihe auf Inkonsistenzen untersucht werden muss, um einen hochwertigen Datensatz zu bekommen. Darum kümmern sich in der Regel die nationalen Wetterdienste, die rund um den Globus Zehntausende von Messstationen betreiben. In den USA ist das die NOAA, die Nationale Behörde für Ozeane und Atmosphäre. 2001 hatte die NOAA eine neue Korrekturmethode eingeführt, die unter anderem die Zeitreihen auf Konsistenz mit benachbarten Stationen überprüfte und an einigen Korrekturen vornahm. Das betraf wohlgemerkt nur die Daten aus den USA.

Den Klimaforschern am zur NASA gehörenden Goddard Institute for Space Studies (GISS) leuchteten die neuen Korrektur-Algorithmen ein, also übernahmen sie die damit nachträglich verbesserten Zeitreihen für ihre nationalen und globalen Analysen. Dabei kam es offenbar zu einem Missverständnis. Wie das GISS erklärt, war man davon ausgegangen, dass die zeitnah verbreiteten US-amerikanischen Temperaturdaten künftig die gleichen Korrekturen enthalten würden. Dem war aber offensichtlich nicht so. Die NOAA verbreitete die unkorrigierten Rohdaten und wandte ihren Algorithmus nur auf einen Klimadatensatz an, der mit einiger Verzögerung zur Verfügung gestellt wurde.

In einigen Zeitreihen der GISS-Mitarbeiter, die diese ständig mit den NOAA-Daten aktualisierten, gab es daher 2001 einen kleinen Sprung, der Anfang August dem aufmerksamen Mathematiker Stephen McIntyre auffiel.

Grafik: GISS

In dem Sturm, der daraufhin losbrach, wurde so ziemlich alles durcheinander geworfen, wobei es natürlich den meisten Kritikern vollkommen entging, dass es sich nur um den US-Datensatz handelte, der etwa zwei Prozent der Erdoberfläche repräsentiert. An den Aussagen über die Entwicklung der globalen Temperatur in den letzten Jahrzehnten änderten die Korrekturen überhaupt nichts, wie man an den beiden Kurven für die USA und den Planeten sehen kann:

Grafik: GISS

Selbst für das Gebiet der USA betrug der Fehler 0,15 Grad Celsius. Am globalen Mittelwert ändert der inzwischen erfolgte Umstieg auf den „richtigen“ Datensatz nur einige Tausendstel. Trotz allem Geschreis also kein Grund zur Entwarnung: Die globale Erwärmung findet statt, sie ist kein Artefakt, sondern klar und ohne Zweifel an den Daten abzulesen. (Nebenbei bemerkt: Ein Vergleich der beiden Grafen zeigt, dass die regionalen Klimaverhältnisse viel stärker von Jahr zu Jahr variieren als die globalen. Daran wird deutlich, dass Rückschlüsse von regionalen Extremen auf die globale Entwicklung nicht möglich sind.)

Ein anderer, noch wichtigerer Aspekt, fiel in der ganzen Aufregung über die Datenkorrektur ebenfalls unter den Tisch: Die Erwärmung ist kein Beweis dafür, dass es einen von Menschen gemachten Treibhauseffekt gibt. Kein Wissenschaftler behauptet das. Der Beweis für diesen erschließt sich vielmehr aus den Kenntnissen über die Strahlungseigenschaften der Treibhausgase und die Funktionsweise des Klimasystems. Dieses Wissen lässt sich mathematisch formulieren, wodurch computergestützte Simulationsrechnungen möglich werden.

Diese Rechnungen kann man nun mit verschiedenen Rahmenbedingungen durchführen, zum Beispiel einmal mit den bekannten Treibhausgas- und Aerosolkonzentrationen der letzten Jahrzehnte und den verschiedenen natürlichen Einflussgrößen wie Sonnenfleckenvariationen und Vulkanausbrüche. Heraus kommt eine ziemlich gute Wiedergabe des tatsächlichen globalen Temperaturverlaufs. Rechnet man die verschiedenen Einflussfaktoren einzeln durch, bekommt man eine Vorstellung davon welcher das Klima der letzten Jahrzehnte in welchem Maße beeinflusst hat. Ergebnis: Schon die bisherige Erwärmung geht überwiegend auf das Konto der durch menschliche Aktivitäten freigesetzten Treibhausgase. Die Erwärmung selbst ist jedoch kein Beweis für den Zusammenhang, sondern zeigt „nur“, dass der Klimawandel durch die Treibhausgase keine ferne Bedrohung mehr ist, sondern bereits begonnen hat.

Entwicklung in der Arktis

Davon zeugt auch die aktuelle Entwicklung in der Arktis. Vom dortigen Meereis ist in letzter Zeit in den Wochenschauen und den e-News wiederholt die Rede gewesen. Im Web gibt es verschiedene Seiten wie zum Beispiel Cryosphere Today, auf denen man sich die jeweils neuesten Analysen der Eisbedeckung im hohen Norden anschauen kann, die aus Satellitendaten gewonnen werden. Eine Erklärung für das ungewöhnlich rasche Abtauen des Eises und sein viel zu frühes Verschwinden nördlich von Alaska und Ostsibirien findet sich im viel zu warmen Klima, das seit Jahresanfang über weiten Teilen Eurasiens und Nordamerikas herrscht. Die folgende GISS-Grafik zeigt die Abweichung der von Januar bis Juli 2007 gemittelten Temperaturen vom Mittelwert der Jahre 1951 bis 1980.

Bild: GISS

Über ganz Sibirien und über weiten Teilen des arktischen Ozeans ist es in der ersten Jahreshälfte um zwei bis vier Grad zu warm gewesen. Kein Wunder, dass sich das Eis im Rekordtempo zurückzieht.

Dass sich hoch im Norden etwas sehr Ungewöhnliches tut, zeigt auch der Vergleich mit den letzten knapp 30 Jahren. Die folgende Grafik ist vermutlich für den Laien zunächst etwas verwirrend. Zu sehen ist die Anomalie der Eisbedeckung, das heißt das Abweichen vom Mittelwert der Jahre 1979 bis 2000 für den jeweiligen Monat.

Grafik: Arctic Climate Research at the University of Illinois

Man kann sehen, dass es bereits seit längerem einen leicht abnehmenden Trend gibt und dass dieser sich etwa im Jahre 2001 deutlich beschleunigt hat. Zuletzt war im Jahre 2003 die Eisbedeckung kurzzeitig überdurchschnittlich. Seit wenigen Wochen beträgt die Abweichung vom Durchschnittswert für den jeweiligen Monat erstmalig über zwei Millionen Quadratkilometer. Am Verlauf der Kurve lässt sich auch erahnen, dass die Trendkurve diesen Sommer einen weiteren Knick bekommen und noch steiler nach unten zeigen könnte.

Dass das alles kein Zufall ist, sondern sehr gut zu der von den Klimamodellen prognostizierten überdurchschnittlichen Erwärmung in den hohen nördlichen Breiten passt, zeigt schließlich folgendes Bildchen, das wiederum vom GISS stammt.

Bild: GISS

An der vertikalen Achse ist die geografische Breite aufgetragen. In der Mitte ist der Äquator, oben der Nordpol. An der horizontalen Achse ist die Zeit abgetragen. Gezeigt werden die Jahresmittelwerte der Temperatur in den jeweiligen geografischen Zonen. Es wird also zum Beispiel für das Jahr 2002 entlang des Äquators oder eines anderen Breitengrades die Temperatur für die ganze Zone und das ganze Jahr gemittelt, die Differenz zum jeweiligen Mittelwert der Jahre 1951 bis 1980 gebildet und dieser dann in die obige Darstellung eingetragen. Auf diese Art lässt sich visualisieren, wie sich vor allem seit Beginn des Jahrtausends die hohen Breiten erwärmt haben. Und man sieht auch, dass es von 1930 bis etwa 1950 schon ein mal eine wärmere Zeit in der Arktis gegeben hat. Seinerzeit war die Anomalie aber offensichtlich global deutlich weniger stark ausgeprägt und zeitlich auch nicht so konsistent wie die derzeitige Erwärmung.

Treibhaus-Geschäfte

In der Theorie hört sich alles sehr schön an. Unternehmen oder Regierungen aus den reichen Ländern des Nordens mit gut gefüllten Taschen investieren in moderne Kraftwerke in Entwicklungsländern mit wenig Geld. Dadurch werden alte ineffiziente Kraftwerke ersetzt, was gut für das Klima ist, weil weniger Treibhausgase emittiert werden. Oder es werden gleich Windräder aufgestellt, was noch besser fürs Klima ist. Zum Ausgleich dürfen die Investoren aus den Industriestaaten sich das eingesparte Treibhausgas auf die eigenen Reduktionsverpflichtungen anrechnen. „Clean Development Mechanism“ oder CDM wird diese Regelung im Diplomaten-Deutsch genannt. Auf Druck der Industriestaaten war sie 1997 in die internationalen Klimaverträge aufgenommen worden.

Viele Regierungen Afrikas und Asiens waren seinerzeit skeptisch gewesen; zu recht, wie sich jetzt zeigt: Eigentlich war ihnen versprochen worden, dass CDM auch der Entwicklung der ärmsten Länder helfen sollte. Tatsächlich gehen die meisten Projekte aber nach Indien und China, also in Länder, die nicht gerade unter Kapitalmangel leiden. Von den 751 bisher registrierten CDM-Kooperationen sind nur 21 in Afrika angesiedelt.

Unterdessen lassen sich, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, mit den vermiedenen Treibhausgasemissionen der Dritten Welt gute Geschäfte machen. Wenn sie zertifiziert werden, können sie von Unternehmen gekauft werden, die dann mehr Treibhausgase in die Luft blasen. Auch Zwischenhändler können sie erwerben.

Den bisher größten Deal dieser Art hat nach Informationen der Nachrichtenagentur ein Konsortium aus zehn Investoren abgeschlossen, zu denen auch das Londoner Unternehmen Climate Change Capital gehört. Eigentlich handelt es sich bei zumindest einem Teil der beteiligten um Projektentwickler. Doch so weit ist es bisher nicht gekommen. Stattdessen wurde ein schwunghafter Handel mit Zertifikaten aufgebaut. Emissionsrechte für 129 Millionen Tonnen Kohlendioxid seien zum Preis von 6,2 Euro pro Tonne aus CDM-Projekten aufgekauft worden. Ende letzter Woche hat der Kurs für CDM-Zertifikate laut Reuters jedoch bereits bei 16 Euro pro Tonne gestanden.

Damit hätten die Londoner Broker eine gute Milliarde Euro verdient. Gezahlt wird dieses Geld von energieintensiven Industrien, die es als zusätzliche Produktionskosten auf die Endpreise schlagen. Den Verbrauchern erzählt man, dies geschehe zum Wohle des Klimas und diene der nachhaltigen Entwicklung in den Ländern des Südens. Doch davon kann nicht die Rede sein. Dabei ginge es auch anders: In China wird auf die vor Ort anfallenden Gewinne aus CDM-Projekten eine Steuer von 65 Prozent erhoben, die in erneuerbare Energien reinvestiert werden. Hierzulande ist man von derartigen Regeln weit entfernt.