Videoportal für Wissenschaftler

SciVee erlaubt die Publikation von wissenschaftlichen Aufsätzen mit didaktischen Videos

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Verschiedene Kulturen haben verschiedene Prestigewährungen: Bei afrikanischen Nomaden sind es häufig Rinder, die dem Besitzer zu einem hohen Status verhelfen, bei Wissenschaftlern sind es publizierte Aufsätze. Bevor die Aufsätze publiziert erscheinen, werden sie von Kollegen gegengelesen. Dies führt manchmal dazu, dass besonders innovative Thesen lange gar nicht veröffentlicht werden – etwa George A. Akerlofs Aufsatz zum Zitronenproblem1, der das in den Wirtschaftswissenschaften vorherrschende neoklassische Glaubensmodell derart zum Wanken brachte, dass er nur in der damals unbedeutenden Zeitschrift Quarterly Journal of Economics veröffentlicht werden konnte – die mit der zunehmenden Bedeutung des Aufsatzes allerdings an Ruhm gewann.

Auch für Posten im deutschen akademischen Betrieb wird die Publikationsliste zunehmend wichtiger – so wichtig, dass manche Forscher bereits zu unsauberen Methoden griffen, um sie künstlich zu verlängern. Hierbei war gerade die Riege der Zeitschriften, deren Verlage stets lautstark auf ihre Prüf-Funktion verwiesen, wenn es um ihre Monopolrechte ging, von den Skandalen besonders betroffen.

Nun gibt es Forscher, die den Auswahlprozess von "Nature" oder "Science" für etwa so durchsichtig und effektiv halten, wie den der Auswahl von Fernsehproduktionen – und das Ergebnis auch nicht für wesentlich besser, geschweige denn aufregender. Das Fernsehproblem lösen seit gut eineinhalb Jahren zum Teil YouTube und Dailymotion. SciVee ein Portal, in dem Wissenschaftler nicht nur Aufsätze einstellen, sondern auf dem sie ihre Thesen auch im Rahmen eines Vortrags vorstellen können, soll solche Verbesserungen nun auch für wissenschaftliche Veröffentlichungen bringen.

Auch die Zusammenarbeit an wissenschaftlichen Projekten will das Portal erleichtern und fördern. Zu jedem Video können, wie von YouTube gewohnt, Kommentare und Bewertungen hinterlassen werden. Auch verschiedene Kanäle und Gruppen gibt es. Allerdings fehlt die von YouTube gewohnte Funktion, Videos in andere Seiten einzubetten, was den viralen Erfolg einzelner Videos über Blogs bremsen dürfte.

Entwickelt wurde SciVee in Zusammenarbeit mit der National Science Foundation, der Public Library of Science und dem San Diego Supercomputing Center Die Betreiberfirma erwartet sich von der Zusammenarbeit mit den drei Institutionen, dass möglichst bald "erstklassige" Inhalte hochgeladen und diskutiert werden.

Doch selbst wenn die Veröffentlichung herausragender Forschungsergebnisse ausbleibt, könnte SciVee die Qualität der akademischen Lehre beleben, indem es mehr und bessere Informationen zur Verfügung stellt, als sie üblicherweise beim "Vorsingen" von Bewerbern auf eine Professorenstelle geboten werden. Und wer weiß: Vielleicht finden Berufungen in nicht so ferner Zukunft ja nicht nur nach der politischen Ausrichtung, den persönlichen Kontakten und der Publikationsliste statt, sondern auch nach den auf Video festgehaltenen didaktischen Qualitäten.

Für einzelne Disziplinen gibt es bereits seit einiger Zeit Plattformen für Lehrvideos, etwa Bioscreencast für die Biologie und JoVE für die Neurologiewissenschaften. Auch auf YouTube finden sich zahlreiche Vorlesungen und Vorträge - von Richard P. Feynman über Slavoj Zizek und Jean Baudrillard bis hin zu Lawrence Lessig, der mit "Video ist the New Literacy" gleich etwas Theorie zur Sache bietet.