Trojaner im Gepäck

Am Vorabend von Merkels Chinareise sorgen Monate alte Vorkommnisse für Aufregung

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Eigentlich hat Bundeskanzlerin Merkel schon eine ganze Reihe von Wünschen und Forderungen aufgetragen bekommen, die sie auf der am Montag beginnenden mehrtägigen Chinareise ansprechen soll. Dabei handelt es sich meistens um Menschenrechtsthemen. So stieg nach einer Protestaktion in Berlin der Druck von Menschenrechtsorganisationen, die zunehmende Kriminalisierung von Bloggern in China zum Gesprächsthema zu machen. Nun kommt am Vorabend des Chinabesuches plötzlich wieder ein Thema auf den Tisch, das die Merkel-Viste nachdrücklicher beeinträchtigen könnte.

Es geht um Computerspionage. Von deutschen Regierungsstellen wurde mittlerweile indirekt ein Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel bestätigt, nachdem die Computer des Wirtschafts und des Forschungsministeriums sowie des Auswärtigen Amtes und des Bundeskanzleramtes in den letzten Monaten mit Spionageprogrammen aus China infiziert worden waren. Damit sollten unbemerkt Daten abgezogen werden. Die Trojaner sein schon vor Monaten entdeckt worden. Nach Spiegel-Angaben sei dadurch der Abfluss von 160 Gigabyte an Daten verhindert worden. Allerdings gäbe es von chinesischer Seite weiterhin Versuche, Daten von deutschen Computern auszuspionieren.

Nun sind die Meldungen über chinesische Computerspionage wahrlich nicht neu. Es gibt immer wieder Berichte und Hinweise, dass China damit den Aufbau der eigenen Wirtschaft forciert. Erst im Februar 2007 wurde berichtet, dass mittelständische Betriebe der unterschiedlichen Branchen im Visier chinesischer Computerspione seien. So würden Informationen beschafft, mit denen Produkte in China nachgebaut und dann billig auf den Markt geworfen werden.

Schon im Herbst 2005 machten Berichte die Runde, dass sich der chinesische Datenhunger nicht auf industrielle Produkte beschränkt. Vielmehr seien von China aus auch Computer von US-Regierungsbehörden und -Militär gehackt worden (Im Pentagon regiert der Konjunktiv). Allerdings gibt es keinen sachlichen Grund, die jüngste Hackerattacke so besonders hervorzuheben.Darauf haben auch das Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hingewiesen. Von diesen zuständigen Behörden wurde auch versichert, dass alle Vorkehrungen getroffen worden seien, um solche Angriffe abzuwehren. Mit Spekulationen über Herkunft und Hintergründe der Trojaner-Attacken hielt man sich dort auch im Gegensatz zum Spiegel zurück.

Martialische Berichterstattung

Allerdings gingen nicht alle Medien so gelassen mit den Meldungen um. So wurde mit dem reißerischen Titel Merkel vor Chinareise - Trojaner im Kanzleramt eine zeitliche Nähe oder sogar eine direkte Verbindung zwischen dem Staatsbesuch und der versuchten Computerspionage hergestellt. Noch martialischer titelte eine andere Nachrichtenagentur Hacker aus China greifen Kanzleramt an.

Auch in der Frage der Verantwortung halten sich längst nicht alle so zurück wie die zuständigen Stellen. Der Spiegel will mit Verweis auf vertrauliche Geheimdienstberichte die chinesische Volksarmee als Verantwortliche für die Spionage ausgemacht haben. Damit hätte die Aktion allerdings noch mehr Brisanz, weil somit staatliche Stellen direkt involviert waeren. Schon hat die Welt die Frage aufgeworfen, ob Merkel diese Vorfälle bei ihrem Pekingbesuch ansprechen soll. Damit würde allerdings die Aktion erst recht zum Politikum. Zumal die chinesische Regierung durch ihren Botschafter in Berlin den Verdacht der Computerspionage entschieden zurückgewiesen hat.

Das sagt natürlich noch nichts über den Wahrheitsgehalt. Dennoch ist auffällig und sicher kein Zufall, dass die Meldung über die Computerspionage, die ja schon einige Monate alt sein soll, gerade jetzt bekannt gegeben wurde. Da stellen sich doch einige Fragen. Warum wurden die Meldungen so lange zurück gehalten? Sollen mit der Veröffentlichung kurz vor der Merkelvisite die deutsch-chinesischen Beziehungen beeinträchtigt werden? Daneben stellt sich natürlich die Frage, wer dahinter steckt und ein offenkundiges Interesse daran hat, die China-Reise der Kanzlerin zu belasten. Aber auch hier bleibt man im Bereich der Spekulationen.

Zumindest einen positiven Effekt könnte das ganze Geplänkel um die Trojaner allerdings auch für die chinesischen Stellen haben. Die Medien werden jetzt weniger darauf achten, ob Merkel die Menschenrechte anspricht. Denn mehr als inhaftierte Blogger interessiert man sich jetzt um „unsere“ Computersicherheit.