Extraprofite im Treibhaus

Die Energie- und Klimawochenschau: Während Merkel kluge Ratschläge verteilt und in Wien über internationalen Klimaschutz gesprochen wird, klagen Hersteller von Pflanzen-Diesel über Absatzsorgen

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Die Woche fing ja mal wieder gut an: Bundeskanzlerin Merkel fliegt nach China, um dort kluge Ratschläge in Sachen Klimaschutz loszuwerden. Diplomaten sind gewöhnlich höfliche Menschen, aber einen kleinen Hinweis darauf, dass der bisherige Anstieg der Treibhausgasemissionen auf das Konto der Industriestaaten geht, konnten sich die Gastgeber nicht verkneifen.

Die Daten des Carbon Dioxide Information Analysis Center in Oak Ridge, Tennessee geben der chinesischen Regierung recht: Zwischen 1903 und dem Jahr 2000 hat Deutschland mit seinen derzeit 82 Millionen Einwohnern 67,8 Milliarden Tonnen des Treibhausgase Kohlendioxid (CO2) an die Atmosphäre abgegeben. In China mit seiner wesentlich größeren Bevölkerung von inzwischen etwa 1,3 Milliarden Menschen waren es auch nur 71,46 Milliarden Tonnen CO2. Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao wies außerdem die Kanzlerin darauf hin, dass Klimaschutz in China schwieriger sei, weil man noch lange nicht das Niveau an Wohlstand wie im Westen erreicht habe. Im Land der Mitte beträgt das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt rund 1600 Euro, hierzulande sind es hingegen fast 25.000 Euro.

China hat sich allerdings vorgenommen, seinen spezifischen Energieverbrauch drastisch zu senken, und zwar um 20 Prozent bis 2010. Am Montag erstattete der Minister für die Reformkommission, Ma Kai, vor dem Parlament einen Bericht wonach das Land noch erhebliche Anstrengungen braucht, um dieses Ziel auch zu erreichen. Deshalb sollen in den nächsten Jahren mehrere Milliarden Euro in Energiespar-Projekte, in die Entwicklung von Biogasanlagen und ähnliches gesteckt werden. Außerdem soll der Druck auf lokale Behörden erhöht werden, sich an die von der Zentrale vorgegebenen Umweltstandards zu halten. Viele Städte hätten noch immer keine Pläne zur Reduzierung des Energieverbrauchs, so Ma. Die Lage sei schwierig. „Der Preis des Wirtschaftswachstums ist zu hoch“, meinte Ma.

Derlei Töne hätte man auch gerne aus der Meseberg-Klausur der Bundesregierung vernommen, doch das dort verabschiedete Eckpunktepapier für die Energie- und Klimapolitik (Mit Kohle und Biosprit ins Treibhaus) vermied es tunlichst, den Interessen der Energie- und Autowirtschaft zu nahe zu treten. Um 35 Prozent, so haben die Minister beschlossen, sollen die deutschen Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 reduziert werden. Aber rund 17 Prozent davon sind bereits erreicht, und zu weiteren vier Prozentpunkten hat sich Berlin ohnehin völkerrechtlich verbindlich verpflichtet. Die müssen eigentlich schon nächstes Jahr, aber spätestens bis 2012 erreicht sein. Bleiben also noch 14 Prozent, von denen nach Ansicht von Greenpeace fünf Prozentpunkte höchst fraglich sind, da sie nur aus Appellen an die Industrie bestehen.

Klimaverhandlungen

Damit wird sich auf den seit Montag in Wien stattfindenden internationalen Klimagesprächen sicherlich kaum ein Delegierter beeindrucken lassen. Diplomaten sind es nämlich anders als viele Journalisten gewohnt, die Versprechen und Angebote anderer Regierungen genau unter die Lupe zu nehmen.

Eigentlich trifft sich in Wien nur eine Arbeitsgruppe der Klimarahmenkonvention, zu der gewöhnlich nur Fachbeamte geschickt werden. Da aber die Zeit drängt, einen neuen Klimavertrag auszuhandeln, der das 2012 ablaufende Kyoto-Protokoll ersetzen kann, kommt dem Treffen eine besondere Bedeutung zu. In einem ersten Schritt geht es darum zu entscheiden, welche Elemente in einen solchen Vertrag kommen.

Auf der Wunschliste der Klimaschutzorganisationen, die die Konferenz wie gewöhnlich intensiv beobachten, stehen unter anderem eine Reduktion der Treibhausgasemissionen in den Industriestaaten um 30 Prozent gegenüber 1990 bis 2020. Außerdem fordern sie die Liste der Staaten mit entsprechenden Verpflichtungen um neuen Industriestaaten wie Südkorea, Singapur, Saudi Arabien und andere zu erweitern. Schließlich möchten sie Hilfsmaßnahmen für die am wenigsten entwickelten Länder sowie für die kleinen Inselstaaten.

Richtig ernst wird es auf nächsten großen Klimaschutzkonferenz werden, zu der im Dezember die Umweltminister der Mitgliedsländer der Klima-Rahmenkonvention sich auf der indonesischen Insel Bali treffen.

Wären alle schon so weit, wie Ecuadors Präsident Rafael Correa, dann müsste es mit den Verhandlungen eigentlich zügig vorangehen. Correa hat vorgeschlagen, ein großes Ölvorkommen im Yasuní-Nationalpark unangetastet zu lassen. Ein einjähriges Moratorium ist bereits ausgesprochen worden. Die Idee hatten Umweltgruppen und Organisationen der Indigena aufgebracht. Das Feld liegt unter dem ecuadorianischen Teil des Amazonasregenwaldes, und in der Region leben verschiedene Völker, die durch die Ölarbeiten vermutlich verdrängt würden. Correa tritt an Regierungen, Stiftungen und Einzelpersonen in aller Welt heran, sich an seinem Projekt zu beteiligen. Sein Staat solle mit 350 Millionen US-Dollar jährlich dafür bezahlt werden, dass er den Nationalpark unangetastet lässt. Der Betrag entspricht der Hälfte der erwarteten Einnahmen und soll zehn Jahre lang gezahlt werden. Nach zehn Jahren würde die jährliche Summe schrittweise verkleinert. 100 Interessenten soll es für den Vorschlag schon geben, darunter auch die norwegische Regierung. Der Nationalpark wurde 1979 eingerichtet und beherbergt auf seinen 982.000 Hektar (ein Quadrat mit einer Kantenlänge von knapp 100 Kilometern) eine ungewöhnlich hohe Artenvielfalt.

Rapsdiesel

Die deutschen Erzeugungskapazitäten für so genannten Biodiesel wachsen in diesem Jahr auf fünf Millionen Tonnen, berichtet das Internetmagazin für erneuerbare Energieträger RenewableEnergyAccess.com. Die Branche erlebt einen gewaltigen Boom, doch der wird gerade ausgebremst. Die Investitionen wurden nämlich noch unter der Voraussetzung getätigt, dass der pflanzliche Diesel steuerbegünstigt abgesetzt werden könne. Damit ist aber seit Anfang des Jahres Schluss. Statt dessen gibt es einen gesetzlichen Beimischungszwang. Im Augenblick liegt die Mindestquote für Diesel bei 4,4 Prozent, die aus pflanzlichen Produkten kommen muss.

Nach Angaben des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) können über diese Quotenregelung nur 1,5 Millionen Tonnen Biodiesel abgesetzt werden. 60 Prozent des pflanzlichen Diesels, der in Deutschland zumeist aus Raps gewonnen wird, seien 2006 als reiner Kraftstoff verkauft worden, meint VDB-Geschäftsführerin Sandra Sprick. Im ersten Quartal 2007 habe es wegen des Wegfalls des Steuerprivilegs in diesem Sektor Absatzeinbußen von 30 bis 40 Prozent gegeben. Ihr Produkt müsse, um sich am Markt behaupten zu können, billiger als der fossile Konkurrent sein. „Bei fallenden Rohölpreisen kann Biodiesel nicht mehr mit dem erforderlichen Preisabstand von mindestens zehn Cent pro Liter vertrieben werden und verliert seine Wettbewerbsfähigkeit.“ Im Augenblick steigen die Rohölpreise wieder, aber die Hersteller fühlen sich verunsichert und fordern eine niedrigere Mineralölsteuer für ihren nachwachsenden Diesel.

2006 wurden laut der Recherche von RenewableEnergyAccess.com in Deutschland auf 1,5 Millionen Hektar Raps angebaut. Zusätzlich habe 20 Prozent des importierten Rohmaterials aus Sojabohnen und Palmöl bestanden. Insgesamt wurden nach VDB-Angaben 2,88 Millionen Tonnen pflanzlicher Diesel verkauft. Der VDB gibt den Flächenertrag für Raps mit 1500 Liter je Hektar an. Demnach müsste für die inzwischen vorhandenen Produktionskapazitäten von fünf Millionen Tonnen auf 3,7 Millionen Hektar Raps angebaut werden, sollte der Bedarf alleine aus heimischen Quellen gedeckt werden. Das wäre eine Fläche in etwa von der Größe Baden-Württembergs.

Extraprofite für Energiekonzerne

Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters machen offenbar nicht nur deutsche Stromkonzerne ein Schnäppchen mit dem Klimawandel. EU-weit stecken die Unternehmen nach der Einschätzung des Ökonomen Michael Grubb vom Carbon Trust etwa 20 Milliarden Euro jährlich zusätzlich ein.

Der Trick ist ganz einfach: Die Konzerne haben von ihren jeweiligen Regierungen Emissionszertifikate für Kohlendioxid zugeteilt bekommen, und zwar zumeist kostenlos. In einigen Ländern wie Großbritannien wurden zehn Prozent versteigert, Deutschland hat alle verschenkt. Die Zertifikate sind jedoch handelbar. Derzeit kann man sie zu einem Preis von 20 Euro pro Tonne CO2 absetzen. Zwischenzeitlich waren sie auch schon mal fast doppelt so teuer, zu anderen Zeiten brach der Kurs vollkommen zusammen. Die Energieversorger rechnen nun diese Zertifikate in die Strompreise ein. Die Begründung: Sie hätten ja die Zertifikate auch verkaufen, statt für die Stromproduktion verwenden können.