Eine Landkarte der persönlichen Erlebnisse

Memoloop, ein Netz aus Erinnerungen

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Seitdem die Web 2.0-Projekte boomen, gib es kaum noch Dinge, die nicht irgendwie vernetzt sind. Die Nutzer solcher Projekte teilen der Netzwelt dann beispielsweise mit, was sie gerade machen, wo sie im Augenblick sind oder wie es ihnen gesundheitlich geht. Und nun sollen auch unsere bisher ganz privaten Erinnerungen erfasst und öffentlich gemacht werden. Das ist jedenfalls das Ziel von Memoloop.de, einem neuen sozialen Netzwerk, in dem seit Mitte August die Nutzer ihre „Memos (Texte, Bilder, Zeichnungen oder Videos) von Erinnerungen an die eigene Vergangenheit anlegen“ können.

Dazu schreibt der Initiator und ehemalige Verlagsmanager Florian Wagner:

Memoloop hilft dem Zufall nachträglich auf die Sprünge. Wir hinterlassen permanent Spuren, befinden uns gemeinsam mit anderen an Orten, die wir kollektiv kurzfristig beleben und dann geht jeder seines Weges, es sei denn, man lernt sich zufällig kennen. Auf memoloop kann man diese ungeknüpften Fäden wieder aufnehmen und das Potenzial, das in der Vergangenheit steckt, nutzen. Memolooper schreiben Geschichte und es entsteht eine Landkarte, gespickt mit persönlichen Erlebnissen.

So etwas macht natürlich neugierig. Und daher haben wir dort mal schnell vorbeigeschaut. Nachdem man sich also bei Memeloop kostenlos registriert hat, stößt man schnell auf eine auf Google-Maps basierende Karte. Auf ihr sind kleine Fähnchen, die Orte anzeigen, mit denen Memelooper irgendeine Erinnerung verknüpfen. Klickt man auf eines dieser Fähnchen, dann liest man beispielsweise unter der Überschrift „St. Petersburg ohne mich“:

Ich sitze auf einem Segelschiff und halte ein Greenpeace-Buch in der Hand. Über die Ostsee. Mit einem Foto von St. Petersburg. Da will ich hin. Da will ich hin segeln, in den Hafen, den ich mir in die Stadt integriert vorstelle. Irgendwie so. Jedenfalls: Vom Wasser aus die Stadt erobern, anders soll es nicht sein. Die Geburtsstunde eines großen Wunsches, der Tag würde kommen, ich war mir gewiss.

Das kann man nun wiederum kommentieren. Und wenn es einem ähnlich geht, dann gründet man am besten gleich eine Sankt-Petersburg-da-möchte-ich-hin-Gruppe. Oder wer keinen Wodka mag, der kauft sich dann eben bei den Leuten von FukFuk.de ein FukFuk-T-Shirt - trotz des ziemlich doppeldeutigen Namens.

Neben solchen harmlosen Nettigkeiten, die das Netzwerk bisher noch dominieren, gibt es aber durchaus auch ernste Themen. Beispielsweise Erinnerungen an dem Tag der Tschernobyl-Katastrophe:

Nun ist es passiert. Der größte anzunehmende Unfall. Und ich hab’s 'verfeiert'. War arbeiten, in der Disco und danach tanzen und trinken bis zur morgenblauen Stunde.. während an irgendeinem (mir bis dato noch unbekannten) Ort, weit im Osten, DER Super-Gau passierte, den alle immer fürchteten. Und dessen Folgen in der betroffenen Region (und nicht nur dort), bestimmt noch dann schmerzen, wenn ich dieses hier aufschreibe. (...) Die Mitbewohnerin stürmt, mich zu wecken und sagt, was passiert ist. Wie.. was..? quatsch, du spinnst! Fernsehen an. Radio auch. Gleichzeitig. "Wolke - Gift-Regen - spätestens morgen – vielleicht schon heut Abend - nasse Schuhe nicht ins Haus tragen - Kinder im Haus lassen - bei Regen schnell unterstellen – besser im Haus bleiben - Fenster zu - Strahlenwerte – Kernschmelze...

Ein Beitrag, der bei Älteren tatsächlich Erinnerungen weckt, allerdings keine schönen. Ob sich Memoloop durchsetzten wird, bleibt jedoch abzuwarten. Mitte vergangener Woche zählte Florian Wagner rund 590 angemeldete Mitglieder. Tendenz steigend. „Womit wir noch nicht zufrieden sind“, schreibt er in einer E-Mail, „ist der Anteil der User die umfangreiche Memos schreiben - schön ist hingegen die Bereitschaft Kommentare zu Memos anzulegen, hier ist die Aktivität etwas höher.“

Eines allerdings ist auf jeden Fall bemerkenswert: Memoloop ist nicht, wie so viele andere, eine deutsche Kopie, ein Klon eines amerikanischen Netzwerkes.