Strange Bedfellows

Die geplante Aufenthaltsbeendigung einer angeblich lesbischen 31jährigen Iranerin eint Medien von Politically Incorrect bis Indymedia

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Die 31-Jährige – von der Presse „Jasmin K.“ getauft - gab gegenüber dem Bundesamt für Migration an, dass ihr als bekennende Lesbierin im Iran die Todesstrafe drohe. Tatsächlich machte der Gottesstaat unlängst durch eine Hinrichtungswelle an Homosexuellen auf sich aufmerksam.

Jasmin K. und ihre Anwältin Eva Lindenmeier sprachen gegenüber der Presse von einem Todesurteil, das in Abwesenheit der Frau gefällt worden sei. Zudem gab die Anwältin bekannt, dass die Behörde unter anderem über Mitarbeiter des Auswärtigen Amts bei der Mutter der Asylbewerberin im Iran nachgefragt hatte, die – nicht wirklich überraschend – eine Homosexualität ihrer Tochter bestritt. Lindenmeier sagte dazu im "Tagesspiegel": "Das ist absurd. Die haben einer iranischen Frau von zwei ihr unbekannten Männern Fragen stellen lassen, deren ehrliche Beantwortung nicht nur peinlich, sondern für den Ehemann tödlich sein könnte."

Das löste in den verschiedensten Medien und Organisationen einen Proteststurm in bemerkenswerter Bandbreite aus: Die BZ wartete mit ausgesprochen dramatisch arrangierten Fotos der 31-Jährigen mit dem ablehnenden (deutschen) Gerichtsbeschluss in der Hand auf und titelte: „Wird dieses Schriftstück ihr Todesurteil“?

Indymedia spekulierte über entwürdigende Untersuchungen und Politically Incorrect beklagte, dass nicht einmal die „grüne Empörungsmaschinerie“ anlaufe. Allerdings setzte sich auch der Grünen-Politiker Volker Beck öffentlich für eine Duldung der Iranerin ein, was wiederum Queer titeln ließ: "Beck zu Wowereit: Rette Iranerin!"

Der Schwulen- und Lesbenverband LSVD, rief dazu auf, mit Briefen an den Berliner Innensenator gegen die drohende Abschiebung zu protestieren. LSVD-Sprecher Alexander Zinn vermutete (offenbar in Analogie zu einem Fall aus dem Jahr 2005), dass der Asylantrag mit der Begründung abgelehnt worden sei, die Iranerin könne ihre sexuelle Orientierung in der Öffentlichkeit ja geheim halten.

haGalil sprach gar von "Beihilfe zum Mord" und dass die Anwältin von Jasmin K. dem Gericht „beweisen“ konnte, dass diese "in Abwesenheit wegen Homosexualität zum Tode verurteilt worden war".

Wovon nicht die Rede war, ist, dass das Auswärtige Amt und mit ihm das Verwaltungsgericht Berlin dieses angebliche Todesurteil als Fälschung einstuften. Aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin (Az. VG 23 X 1.07) geht zudem hervor, dass die kritisierte Nachfrage bei der Mutter zwar geschah, dies aber offenbar nur eine Zusatzmaßnahme war, und nicht das entscheidende Kriterium, die Geschichte der Iranerin als erfunden einzustufen.

Die Kernpunkte der Ablehnung des Asylantrages als „offensichtlich unbegründet“ scheinen stattdessen Inkonsistenzen in den Schilderung von Jasmin K. selbst gewesen zu sein - vor allem im Hinblick auf eine recht abenteuerliche Fluchtgeschichte. Auch ihre angebliche Liebhaberin ließ sich im Iran vom Auswärtigen Amt nicht auffinden. Das Bundesamt für Migration und mit ihm das Gericht kamen deshalb zu der Auffassung, dass die 31-Jährige zwar auf einer Party festgenommen und zwei Tage lang inhaftiert, dann aber – wie in solchen Fällen üblich – wieder freigelassen wurde. Diese Geschichte, so das Gericht, habe Jasmin K. dann „erheblich dramatisiert“ dem Bundesamt für Migration serviert und mit einem gefälschten Todesurteil zu belegen versucht.

Details dazu, woran die Fälschung erkannt worden sei, waren allerdings weder vom Gericht, noch vom Auswärtigen Amt oder vom Bundesamt für Migration zu erfahren. Auch die Anwältin von Jasmin K. war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Allerdings spricht eine Sache dagegen, dass die Iranerin gelogen hat: die bekannt schlechten Chancen, damit in Deutschland Asyl zu bekommen und die relative Leichtigkeit, mit der sie sich über eine Verheiratung mit einem deutschen Staatsbürger einen Aufenthalt für etwa 4.000 Euro hätte sichern können. Denn egal wie die Ausländerbehörde oder das Bundesamt für Migration entscheiden - spätestens die Gerichte müssen den Artikel 4 des Grundgesetzes in ihre Abwägung mit einbeziehen – und da wiegt der Schutz der Ehe im allgemeinen sogar schwerer als die Gefahr von Gewalttaten. Einer von der SPD im Zusammenhang mit der Abschaffung des Ehegattensplittings schon mehrfach angedachte Änderung des Artikels 6 in Richtung eines Kinderschutz-Grundrechts widersetzten sich bisher CDU und CSU vehement.

Nun bleibt Jasmin K. noch die Landeshärtefallkommission. Außerdem steht ihr möglicherweise der Weg in ein anderes EU-Land offen: Auch in Großbritannien soll demnächst der Aufenthalt einer 40jährigen Iranerin beendet werden, die im Asylverfahren geltend gemacht hatte, lesbisch zu sein. Vor kurzem erklärte sich Italien bereit, sie aufzunehmen.