Exoplanetare Sackgasse

Auf der Suche nach extrasolaren Planeten macht das neue COROT-Weltraumobservatorium der ESA nicht von sich reden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Langweilig oder kurzweilig? Interessant oder schlichtweg unerheblich? Wen außer Insidern, Hobbyastronomen und aus diversen anderen Gründen an der Materie hochgradig interessierten Köpfen bewegt und inspiriert eigentlich noch die Entdeckung irgendwelcher neuer extrasolarer Gasriesen, die sich fernab der Erde ihres Daseins erfreuen oder auch nicht? Passend hierzu ist es in den letzten Monaten um die Planetenjäger recht still geworden. Insbesondere COROT (COnvection ROtation and planetary Transits), das erste Weltraumobservatorium, das gezielt für die Planetenjagd in den Orbit gehievt wurde, hat - von einer bislang offiziell bestätigten Ausnahme abgesehen – seit seinem Start Ende Dezember 2006 nichts mehr von sich hören lassen.

Neptun, ein Gasplanet unseres Sonnensystems. Viele der bislang aufgespürten extrasolaren Planeten sind größer als er, einige ungefähr gleichgroß und nur wenige kleiner. Bild: NASA

Haben wir uns nicht inzwischen daran gewöhnt, dass fast alle zwei Wochen die Entdeckung eines neuen Planeten außerhalb des Sonnensystems verkündet wird, dass die bis auf den heutigen Tag 249 offiziell bestätigten extrasolaren Planeten – von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen – in erster Linie höchst uninteressante planetare Zeitgenossen sind, die mit unserem Heimatplaneten nur herzlich wenig gemein haben und aufgrund ihrer Eigenarten mitnichten biologisches Leben erlauben. Erfahrungsgemäß präsentieren sie sich als überdimensionierte heiße Gasriesen, deren Größe überwiegend zwischen Neptun und Jupiter changiert, mitunter sogar mehrere Jupitermassen aufweist. Nur wenige entpuppten sich bislang als masseärmer oder als potenzielle Horte des Lebens. Eine zweite Erde, zumindest ein erdähnlicher Planet, der diesem Attribut wirklich zur Ehre gereichte, war darunter bis dato nicht.

Kaum masseärmere Vertreter

Selbst die Ende April dieses Jahres von der Europäischen Südsternwarte (ESO) lauthals angekündigte Entdeckung von Gliese 581c, der - 20,5 Lichtjahre von der Sonne entfernt – nur die 5-fache Masse und den 1,5-fachen Radius der Erde aufweist, endete mit einer Enttäuschung. Obwohl Gliese 581c zweifelsfrei der kleinste bislang bekannte Planet außerhalb des Sonnensystems ist und darüber hinaus sogar in einer habitablen Zone liegt, ist er mit seiner 5-fachen Erdmasse alles anderes als „terrestrisch“ zu nennen. Hinzu kommt, dass er einen Roten Zwerg umkreist, dem er stets dieselbe Seite zuwendet. „Auf der Vorderseite herrschen extrem hohe Temperaturen – es gäbe keinen Ozean, nicht einmal einen See –, wohingegen die Rückseite permanent vereist wäre, vorausgesetzt, es gäbe dort Wasser. Das wäre keineswegs erdähnlich", warnte der ehemalige deutsche Wissenschaftsastronaut und jetzige Lehrstuhlinhaber für den Fachbereich Raumfahrttechnik der TU München in Garching, Prof. Ulrich Walter, bereits Ende April in einem Interview mit Telepolis vor übertriebenen Hoffnungen.

Transit - ein Planet zieht vor einem Stern vorüber (künstlerische Darstellung) Bild: CNES

Bisweilen zeigen sich die planetaren Brüder und Schwestern unseres Sonnensystems als Objekte, die ihren Heimatstern in sehr exzentrischen Umlaufbahnen umkreisen oder ihn schlichtweg in auffallend geringer Distanz mit hohem Tempo oder in großer Distanz mit geringem Tempo bezirzen. Dass bislang kaum masseärmere Vertreter dabei sind, liegt primär an dem gegenwärtigen Equipment, das immer noch nicht die nötige Sensibilität mitbringt, um kleinere Planeten aufzuspüren. Dies mag für die Forscher frustrierend sein, wissen sie doch allesamt, dass selbst im Umkreis von 100 Lichtjahren erdähnliche Planeten en masse vorhanden sind.

COROT-Frust

Besonders enttäuschend ist die bisherige Ausbeute von COROT. Der 4,20 Meter hohe und 670 Kilogramm schwere ESA-Satellit driftet zurzeit in einem polaren Orbit in 826 Kilometer Höhe. Von seiner Erdumlaufbahn soll der High-Tech-Späher fünf Himmelssektoren für jeweils etwa fünf Monate anvisieren. Für diese Prozedur ist das satelliteneigene 27-Zentimeter-Teleskop zuständig, das zwischen 30.000 und 60.000 Sterne nach so genannten Transits durchforstet. Das hierbei zur Geltung kommende Grundprinzip ist ebenso einfach wie genial. Denn bei dieser Methode werden die Helligkeitsschwankungen eines Sternes gemessen, die hervorgerufen werden, wenn ein Planet vor ihm vorbeizieht. Steht der Sterntrabant zwischen Teleskop und extrasolarer Sonne, wird das Licht, das der Heimatstern aussendet, geringfügig abgeschwächt, ist aber immer noch stark genug, um den unsichtbaren Planeten indirekt sichtbar zu machen.

COROT nimmt jeweils ein Sternfeld mit mehr als 12.000 Sternen für fünf Monate ins Visier. Bild: CNES

Einst mit viel Hoffnung ins All gestartet, hat COROT allerdings seit seinem orbitalen Dienstbeginn, seit dem 27. Dezember 2006, bislang nur einen einzigen Exoplaneten entdeckt. Als die ESA Anfang Mai ihren ersten Erfolg verbuchte, handelte es sich mal wieder „nur“ um einen heißen Gasriesen von der 1,78-fachen Größe des Jupiters und der 1,3-fachen Jupitermasse, der sein Gestirn binnen 1,5 Tage einmal umkreist. Von „erdähnlich“ keine Spur. Seitdem ist es ruhig geworden um COROT. Keine Erfolgsmeldung mehr wehte durch den Blätterwald oder tickerte über die Agenturen.

Erfolglose acht Monate im Orbit?

Was die ESA noch vor dem Start der Forschungssonde mit großem Enthusiasmus lancierte, als sie schrieb, dass es mit der „spezialisierten Ausstattung“ COROTS möglich sei, "in Zukunft nicht nur serienweise Felsplaneten bis hinunter zu Erdgröße" zu entdecken, sondern "mit etwas Glück" auch Hinweise auf ihre chemische Beschaffenheit" zu finden, spiegelt die derzeitige Realität nicht wider. Angesichts der verbesserten Technik und optimierten Suchmethoden und zuletzt aufgrund des neuen COROT-Exoplaneten-Observatoriums hätte die Erfolgsquote längst höher sein müssen. Gewiss, die Instrumente von COROT mussten anfangs getestet und kalibriert werden, wodurch COROT eine gewisse Eingewöhnungszeit zugestanden werden musste. Doch nach mehr als acht Monaten im All hätte COROT längst einige Dutzend neuer Exoplaneten entdecken müssen, zumal seine wissenschaftliche „Forschungsarbeit“ offiziell am 3. Februar 2007 begann.

COROT. Bild: CNES

Was derzeit mit COROT los ist, bleibt vorerst nebulös, zumal die in Bezug auf COROT federführende französische Raumfahrtbehörde CNES (Centre National d'Études Spatiales) höchst ungern und vergleichsweise selten auf E-Mails fragender Interessierter oder Journalisten adäquat antwortet. Selbst die COROT-Website der CNES könnte wieder eine Aktualisierung vertragen. Der letzte dort aufgeführte Beitrag über bzw. zu COROT ist auf den 2. Februar 2007 datiert. Ähnlich trist präsentiert sich das Bild auf der deutschen COROT-Seite http://www.corot.de/, worin mitnichten etwas über den aktuellen Status der orbitalen Sternwarte zu lesen ist, ganz zu schweigen von der nichts sagenden COROT-Homepage des DLR.

Kepler kommt

Warum auch immer COROT noch nicht fündig geworden ist – die Konkurrenz schläft nicht. Im Februar 2009 startet mit dem Kepler-Satelliten der NASA ein noch leistungsfähigerer Exoplanetenjäger in die Erdumlaufbahn. Sollte es dem europäischen Pendant bis dahin nicht gelingen, eine neue Seite im Buch der bisher noch recht jungen Geschichte der Exoplaneten-Forschung aufzuschlagen, wird dies mit Sicherheit Kepler übernehmen, dessen Hauptspiegel sage und schreibe 1,4 Meter groß ist, also jenen von COROT glattweg in den Schatten stellt. Vier Jahre lang soll Kepler einen ausgesuchten Himmelsausschnitt anvisieren, um einerseits Exoplaneten aufzuspüren, andererseits deren Atmosphären nach Wasser, Sauerstoff, Ozon und auch Methan zu durchforsten. All dies dient nur einem übergeordneten Ziel: dem Nachweis von exobiologischem Leben.

Kepler. Bild: NASA

Erdähnliche, felsige Planeten gäbe es ja zu Genüge zur Auswahl, wie die beiden australischen Astronomen Charles Lineweaver und Daniel Grether von der University of New South Wales bestätigen. Sie postulieren die Existenz von mindestens 30 Milliarden erdähnlichen Welten – allein in unserer Milchstraße wohl gemerkt. Und von derlei Welteninseln selbst wiederum sollen bekanntlich zwischen 100 und 500 Milliarden weitere im kosmischen Ozean schwimmen. Vermutlich schwimmen in diesem Meer aber noch viel, viel mehr …