Kruzifixe in allen Schulen, Gerichten und Behörden?

Nach Beckstein, Söder, Mißfelder und Co. fordert nun auch der CDU-Generalsekretär die Rückkehr zu konservativen Werten und das "Bekenntnis zum Christentum im öffentlichen Raum"

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Die CDU ist auf der Suche nach neuen Wählerschichten, um bei den nächsten Wahlen zur Wunschkoalition mit der FDP zu kommen. Dabei scheint sie im Augenblick vor allem am konservativen und rechten Rand zu fischen. Die Generalsekretäre der CDU und FDP wollen sich diese Woche treffen, um die Lage zu sondieren. Die CSU ist allerdings offenbar nicht dabei. Davor hat aber nun der CDU-Generalsekretär Pofalla sich wieder an die Wählerschicht der Christen erinnert.

Irgendwie scheinen derzeit die Dämme zu brechen. Eva Hermann mag dafür ein Symptom sein. Sie hatte mit der erneuten Zuspitzung und Provokation zwar erst einmal nur Aufmerksamkeit und die sofortige Entlassung vom NDR bewirkt, aber als Symptom für den Trend nach Rechts darf sie trotzdem gelten. Ihr neues Buch "Das Prinzip Arche Noah - Warum wir die Familie retten müssen" zielt wieder auf die konservativen Werte, aber dieses Mal schoss Hermann offenbar über das Verträgliche hinaus, dass der öfffentlich-rechtliche Sender noch ertragen konnte, als sie den Umgang der Nazis mit Werten "wie Kinder, Mütter, Familie, Zusammenhalt" anpries. Dem NDR bestätigte sie die Aussage, wonach "Werte wie Familie, Kinder und das Mutterdasein, die auch im Dritten Reich gefördert wurden, anschließend durch die 68er abgeschafft wurden".

Bayerns Justizminister und designierter Ministerpräsident Beckstein hatte vor kurzem schon erklärt, dass die Christdemokraten die "demokratischen Rechten" wieder ins Boot holen müssten. Mit Recht müsse man sagen können: "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein", weil sich damit die Rechten "bei uns gut aufgehoben fühlen" können. Die "nationalen Interessen" müssten verstärkt durchgesetzt werden. "Recht und Ordnung" sollen hoch angesetzt werden, eine "restriktive Ausländerpolitik" muss man den Rechten bieten und natürlich auch das wieder ideologisch, weniger gläubig besetzte Christentum, mitsamt der traditionellen Familie:

Bei uns haben Kruzifix und Schulgebet ihren Platz in der Schule, aber nicht das Kopftuch als Ausdruck einer islamistischen Gesinnung. Und wir akzeptieren nicht, dass Frauen, die für ihre Kinder daheim bleiben, als Heimchen am Herd verspottet werden.

Im Forum wurde darauf hingewiesen: Bayerns Regierung will schärfer gegen Gotteslästerung vorgehen und damit den Staat ein Stück näher zum christlichen Gottesstaat bringen. Offenbar wurde bereits ein entsprechender Gesetzesentwurf formuliert. Nach dieser soll nicht nur eine Beschimpfung von Religion und Kirche strafbar sein, die den öffentlichen Frieden stören könnte, wie dies nach § 166 StGB der Fall ist. Schon die die Herabwürdigung oder Verspottung würde verfolgt werden. Damit würde Deutschland mit den Islamisten gleichziehen, die Mohammed-Karikaturen verbieten.

In dem Gesetzesentwurf, der in den Bundesrat eingereicht werden soll, heißt es nach dem Spiegel, dass der öffentliche Frieden schon dann gestört sein soll, "wenn der Spott das Vertrauen der Betroffenen in die Achtung ihrer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung beeinträchtigen oder bei Dritten die Bereitschaft zu Intoleranz gegenüber Religion fördern könne". Damit könnte man Religionskritik allgemein unter Strafe stellen.

Stefan Mappus MdL, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg und Stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg, Philipp Mißfelder, Bundesvorsitzender der Jungen Union Deutschlands, Markus Söder, Generalsekretär der CSU, und Hendrik Wüst, Generalsekretär der CDU Nordrhein-Westfalen, haben in einer Art Manifest die Rückkehr von CDU/CSU zu einer konservativen Politik gefordert, zu einem modernen Konservatismus, wie sie das nennen. Hier heißt es, dass die CDU müsse auch für "heimatverbundene Patrioten, überzeugte Christen und wertbewusste Konservative die politische Heimat bleiben. Rechts von der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben." Und weiter wird gesagt:

Aus diesem Grund hat bürgerlich-konservative Politik ein lebendiges Interesse, die Religionsausübung zu fördern. Deshalb bekennt sie sich zum Religionsunterricht an öffentlichen Schulen und verhindert ihn nicht – wie in Berlin. Auch christliche Symbole wie das Kruzifix müssen ihren Platz im öffentlichen Raum behalten. … Christlich-abendländische Werte sind Grundlage unserer Leitkultur. … Nicht jedes Lebens- oder Gesellschaftsmodell verdient es, im Zeichen der Pluralität gleichermaßen gefördert zu werden. Die aus dem christlichen Menschenbild entstandenen Menschenrechte sind universell gültig und dürfen nicht in Frage gestellt werden. Deshalb bekennt sich eine bürgerlich-konservative Politik auch zur deutschen Leitkultur.

Offenbar hat sich nun auch CDU-Generalsekretär Pofalla bemüßigt gesehen, nicht mehr gegen den Strom zu schwimmen, sondern die Bewegung aufzunehmen. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung betont Pofall zwar, dass die Christdemokraten nicht nur konservative, sondern auch christlich-soziale und liberale Wurzeln habe. Aber er macht sich die Forderung der vier Kritiker gegen die angebliche Sozialdemokratisierung doch zu eigen, weil sie offenbar einer anschwellenden Stimmung entspricht. So sei die CDU eine "Heimat für konservatives Denken", wozu die ominöse "Leitkultur" ebenso zu gehören scheint wie "Patriotismus" und ein "starker Staat". Und er schließt sich der Forderung an, dass der "öffentlichen Raum", wozu auch die staatlichen Einrichtungen gehören, nicht säkular sein, sondern deutlich ein christliches Bekenntnis zum Ausdruck bringen soll:

Als Partei, die das Christliche im Namen trägt, wollen wir, dass das Bekenntnis zum Christentum im öffentlichen Raum erhalten bleibt. Dazu gehören Schulen, auch Gerichte oder Behörden.

Im Hintergrund dessen steht die Frage, ob die durch die Aufklärung mühsam errungene Trennung zwischen Staat und Religion – als Abwehr und gleichzeitig nach dem Vorbild des Islamismus? - wieder eingeebnet werden soll? Telepolis hat dazu eine Umfrage gestartet: Wollen wir Kruzifixe in allen Schulen, Gerichten und Behörden? Oder: Soll Deutschland ein christlicher Staat werden? Wir bitten um lebhafte Beteiligung.