Fortschritt im Schneckentempo

Interview mit Ulrich Krenn von der DB Magnetbahn zum Transrapid-Bau

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1922 hatte Hermann Kemper, ein Student an der Technischen Hochschule Hannover, die Idee einer Magnetschwebebahn. Damit begann eine lange Geschichte aus langsamen Fortschritten und schnellen Rückschlägen, die heute bei der Diskussion um den Bau einer Transrapid-Strecke vom Münchner Hauptbahnhof zum Franz-Josef-Strauß-Flughafen angelangt ist. Anfang der Woche einigten sich Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) in der Finanzierungsfrage nur teilweise. Danach soll sich der Bund mit 925 Millionen und der Freistaat mit 475 Millionen Euro an den bisher auf 1,85 Milliarden Euro geschätzten Baukosten beteiligen. Rechnet man die 185 Millionen der Bahn und die 100 Millionen vom Münchner Flughafen mit dazu, dann fehlen immer noch 165 Millionen Euro, für die der Bundesbauminister auf Brüsseler Töpfe und auch Industriebeteiligungen spekuliert.

Aber nicht nur die Finanzierung, auch der Bau selbst ist umstritten. Befürworter argumentieren, dass eine Magnetbahn leiser, schneller und energieeffizienter sei als eine Schienenbahn. Die Gegner argumentieren damit, dass es sich um ein Stoiber-Denkmal auf Kosten der Steuerzahler handle, dessen tatsächliche Emissionen noch schwer absehbar sind. Wir sprachen mit Ulrich Krenn, dem Pressesprecher der DB Magnetbahn GmbH, über das Projekt.

Herr Krenn, wie sehen Sie aktuell die Chancen für den Bau der Flughafenstrecke in München?

Ulrich Krenn: Also - wir sind heute genauso optimistisch wie vor ein paar Wochen oder Monaten. Wir waren immer der Meinung, dass die Finanzierung dieses Projekts gelingen kann. Wir haben das Planfeststellungsverfahren so gut wie zu Ende gebracht. Das Verfahren selbst ist durch. Wir warten jetzt auf den Planfeststellungsbeschluss, der kommt so einer Art Baugenehmigung gleich. Und dann geht's eigentlich an die richtige Arbeit, das heißt, wir müssen die ganzen Verträge mit der Industrie auch wasserdicht aufsetzen und formulieren, damit wir dann auch belastbare Zahlen haben.

Es gibt zwei großen Unwägbarkeiten, oder Unsicherheitsfaktoren - was die Preisgestaltung des Projekts angeht. Das eine ist der Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahnbundesamtes. Wir wissen noch nicht, wie er ausfällt - das haben Beschlüsse meistens so an sich. Es kann ja sein, dass sich in dem Planfeststellungsbeschluss noch die eine oder andere Modifikation bei Bauausführung oder Streckenverlauf ergeben könnte. Das hat natürlich Auswirkungen auf den Preis. Und das Zweite ist, wir haben noch keinen einzigen verhandelten Vertrag mit der Industrie. Und deshalb gehen wir auch davon aus, dass die einzige verlässliche Zahl, die es im Augenblick gibt, die 1,85 Milliarden Euro sind. Und alles andere ist momentan Spekulation.

Sie haben es ja jetzt schon teilweise in der Antwort auf meine erste Frage angesprochen: Was sind denn die größten Risiken, die Sie derzeit für das Projekt sehen?

Ulrich Krenn: Also wir haben versucht, die Risiken so weit wie möglich auszuschließen. Wir haben beispielsweise entlang der Strecke vor zweieinhalb Jahren bereits über 200 Probebohrungen gemacht. Wir sind ja auch Betreiber der Münchner S-Bahn und wissen daher ziemlich genau was uns im Münchner Untergrund erwartet. Ganz genau kann man das nie sagen - und es gilt der alte Bergmannsspruch: 'Hinter der Hacke ist es dunkel'. Aber in der Regel sind dort große Überraschungen, die beispielsweise andere Bahnprojekte auch erheblich verteuert haben, nicht zu erwarten. Zumindest, was die Baugeologie angeht.

Das Andere ist an sich fassbare Technik. Sicherlich unterscheidet sich eine Magnetbahn von einer Eisenbahn. Aber ein Tunnel ist ein Tunnel. Ob da nun eine Magnetbahn drin fährt, eine S-Bahn oder ein ICE macht zwar im Detail einen Unterschied - was etwa Tunnelquerschnitte angeht. Aber im Prinzip ist das Bohren eines Tunnels eine feste Größe. Genauso ist es mit dem Fahrweg, da kann man auch relativ gut einschätzen, in welchem Korridor wir uns bewegen.

Hinsichtlich der Kosten sind die größten Unsicherheitsfaktoren die noch nicht ausgehandelten Verträge. Da braucht man auch Unterlagen dafür, die wir gerade in den ersten Zügen erarbeiten. Hinzu kommt noch der Planfeststellungsbeschluss.

Zum Planfeststellungsbeschluss: Gibt es da Risiken bezüglich der Anwohner? Die Strecke geht ja zum Teil durch bewohntes Gebiet.

Ulrich Krenn: Das Planfeststellungsverfahren orientiert sich daran, ob das Vorhaben mit den gängigen Vorschriften - und da gibt's ja eine eigene Magnetbahnbau- und Betriebsordnung - ob diese Voraussetzungen oder diese Anforderungen in diesen Verordnungen erfüllt sind. Es geht um eine bauliche Bewertung. Der Planfeststellungsbeschluss ist der einzige, der dann auch beklagbar wäre. Zwei Parteien haben bereits eine Klage angekündigt. Das ist zum einen die Landeshauptstadt München und zum zweiten der Bund Naturschutz. Dieses Klageverfahren ist aber nicht Bestandteil des Planfeststellungsverfahrens, sondern endet oder setzt auf dem Planfeststellungsbeschluss auf - und die Klage wird dann beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingereicht, wenn es soweit kommt.

Was die Anwohner angeht: es gibt tatsächlich einen Bereich, der nach den gängigen Planungen oberirdisch durchfahren wird. Das ist der Bereich der ehemaligen Olympia-Pressestadt nördlich der Stadtwerke-Zentrale und nach der Überquerung des DB-Nordrings, respektive Frankfurter Rings (oder Moosacher Straße) in Feldmoching.

Können nur die Anwohner dort klagen, oder auch die, die von der unterirdischen Streckenführung betroffen sind?

Ulrich Krenn: Klagen kann im Prinzip jeder, der sich von diesem Projekt beeinträchtigt fühlt oder beeinträchtigt ist. In welcher Form auch immer. Wir hatten bei den Erörterungsverfahren insgesamt 23.500 Einwendungen. Davon waren 93 % Masseneinwendungen, also Unterschriftslisten, die verschiedene Initiativen über viele Wochen und in sehr intensiver Arbeit entlang der Strecke gesammelt haben. Da waren auch Einwendungen von Bürgern aus den USA drin, die hier in München ein Ferienhaus haben. Zwar nicht an der Strecke, aber etwas weiter entfernt und trotzdem sind sie Einwender. Der Begriff Einwender ist relativ breit gefasst und damit auch der Kreis der theoretisch in Frage kommenden Kläger.

Aber diese Einwender haben dann auch noch potentiell die Möglichkeit, den Bau zu verhindern?

Ulrich Krenn: Wenn das Bundesverwaltungsgericht diese Klagen als begründet ansehen sollte, dann kann das eine bauaufschiebende oder bauverhindernde Wirkung haben. Das ist richtig.

Womit werden die Einwendungen hauptsächlich begründet?

Ulrich Krenn:: Die meisten waren eigentlich ohne individuelle Begründung. Das waren Textbausteine von den jeweiligen Initiativen. Der am häufigsten genannte Grund war das Thema Finanzierung. Also nicht so sehr die persönliche Betroffenheit, etwa durch Geräuschentwicklung, sondern vielmehr waren die Einwender der Meinung, dass das Geld, das man für den Transrapid ausgibt, eher für andere Zwecke ausgegeben werden sollte.

Aber es kamen auch Einwendungen wegen befürchteter Lärmentwicklung?

Ulrich Krenn: Die gab es auch - wobei das Thema Schall ein sehr komplexes Thema ist. Wir haben ja auch Erfahrungswerte von der TVE im Emsland, wo derzeit nicht gefahren werden kann. Es gab viele Anwohner, aus der Olympia-Pressestadt beispielsweise, die mit sehr großen Sorgen mit uns (oder auch ohne uns) in Begleitung eines Fernsehteams vom Bayerischen Rundfunk im Emsland waren und sich das mal selber angehört haben. In fast allen Fällen war das eine sehr beruhigende Maßnahme.

Die Geschwindigkeit, die wir im innerstädtischen Bereich fahren, wird 250 km/h nicht überschreiten. Nun klingt das auf den ersten Blick nach relativ viel, wenn man es mit einem Auto oder mit einem Rad-Schienen-System vergleicht. Nur - Sie müssen sich vorstellen, dass dieses Gefährt weder eine Achse hat, noch Räder, noch ein Getriebe, noch sonst irgendwas; also auf einem magnetischem Feld mehr oder weniger berührungslos auf dem Fahrweg schwebt. Und die Geräusche, die dabei entstehen, sind lediglich aerodynamische Geräusche, also Fahrtwindgeräusche. Das ist eine ganz andere Charakteristik als bei anderen Verkehrssystemen. Rad-Schiene und LKWs haben eine ganz andere Geräuschcharakteristik.

Aber aus dem Emsland gibt es nur Geräuscherfahrungen mit oberirdischer Streckenführung, oder?

Ulrich Krenn: Ja. Unterirdisch ist die Geräuschentwicklung relativ zu vernachlässigen. Wenn ein Fahrzeug in den Tunnel fährt, hören sie draußen nichts.

Man hat ja aus dem Eisenbahnbereich, vor allem aus dem Hochgeschwindigkeitsbereich, große Erfahrung. Etwa aus der Strecke Ingolstadt - Nürnberg, wo mit Hochgeschwindigkeit in den Tunnel eingefahren und ausgefahren wird. Da kann man sehr genau berechnen, welche aerodynamischen und welche schalltechnischen Entwicklungen dort auftreten. Man hat auch spezielle Vorkehrungen getroffen, durch eine spezielle Geometrie des Tunnelportals und so genannte Schwallschächte oder Schwallhauben. Das sind mehr oder weniger Entlüftungsschächte nach oben, die sämtliche unangenehmen Begleiterscheinungen einer Tunneleinfahrt beseitigen.

Früher hat man Verkehrswege bevorzugt durch öffentliche Areale gebaut - Autobahnen führen zum Beispiel häufig durch Staatsforst. Wenn man sich die Transrapid-Streckenführung auf der Karte ansieht, dann stellt man fest, dass das ein Umweg ist. Der direkte Weg verläuft an der Isar entlang durch den Englischen Garten – also durch unbewohntes Gelände. Überwiegen da Denkmal- und Naturschutz den Anwohnerschutz?

Ulrich Krenn: Es gibt hier in München einen Oberbürgermeister, der eine Straßenbahn durch den Englischen Garten vorgeschlagen hat. Die Reaktion darauf kennen Sie auch. Also - Transrapid durch den Englischen Garten ist abseits jeder Vorstellungskraft. Die Trasse, die wir jetzt im Planfeststellungsverfahren haben, die ist ja auch schon im Vorfeld durch das Raumordnungsverfahren gegangen und hat sich dort auch gegen sechs andere Trassen bewährt - nicht zuletzt wegen der großen ökologischen Vorteile. Wir haben hier die Möglichkeit, diese Strecke mit der A 92 zu bündeln. Das heißt, wir fahren mehr als die Hälfte der Gesamtstrecke in engster Bündelung mit der Autobahn und eine Autobahn ist ja nicht gerade eine verkehrsberuhigte Zone, so wie der Englische Garten. Das ist die umweltschonendste aller möglichen Varianten, um diese Flughafenanbindung zu realisieren. Auch die Überquerung der Isar erfolgt niveaugleich - also auf derselben Höhe - und ebenfalls "angeflanscht" an die Autobahn.