Hamburger Pressekammer schützt Schwerverbrecher

Muss das deutsche Internet bald ohne die Namensnennung von Serienmördern auskommen?

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Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg bestätigt derzeit Ansprüche aus den in großer Zahl verschickten Abmahnungen einer Kanzlei, welche die Namensnennung von Mördern nach Ablauf von 6 Monaten verbieten lassen will. Betroffen sind nicht nur aktuelle Berichte, sondern auch Archive.

Derzeit mahnt eine Anwaltskanzlei im Namen des Mörders K. Medien ab, die dessen Namen in ihrer Auseinandersetzung mit dem Fall verwendeten. Die für die Abmahnungen herangezogene Rechtsgrundlage sind das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Verfassungsrang genießende Recht auf Resozialisierung. Damit können nicht nur die Täter selbst, sondern auch ihre Angehörigen und Nachkommen gegen die Nennung des vollen Namens vorgehen.

In Fällen, in denen den in der Abmahnung geforderten Anliegen nicht nachgegeben wurde, klagte der Mörder K. mit Prozesskostenhilfe vor der Pressekammer des Landgerichts Hamburg. Die Kammer unter dem Vorsitzenden Richter B. (der unter anderem durch ungewöhnliche Urteile zum Persönlichkeitsschutz einer albanischen "Familie" Bekanntheit erlangte, die enge Kontakte zu Hamburger Politikern pflegt) fällte nach Angaben eines bekannten Gerichtsreporters bereits mehrere Entscheidungen zugunsten des K.

In der Sache 324 O 104/07 R. K. gab das Gericht den Wünschen des verurteilten Mörders gegen seine Namensnennung statt, ohne dass für Beobachter der mündlichen Verhandlung erkennbar gewesen wäre, inwieweit sich das Gericht mit der Gewichtung des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit, des Bedürfnisses nach kriminalistischen, soziologischen und kulturwissenschaftlichen Untersuchungen, des Bedürfnisses nach politischer Willensbildung und der anderer Grundrechte auseinandersetzte.

Für Beobachter offen blieb auch, inwieweit sich das Gericht die Frage stellte, ob die Taten verurteilter Schwerverbrecher nicht eine über 6 Monate hinaus dauernde Auseinandersetzung mit den Folgen der namentlichen Nennung rechtfertigen. Gleiches gilt für die Frage inwiefern mit der relativ einfach durchführbaren Möglichkeit des Namenswechsels nicht ein weitaus geeigneteres Mittel zur Verfügung stünde, Persönlichkeitsrechte und informelle Selbstbestimmung des Täters zu wahren. Solch eine Namensänderung, wie sie etwa die jetzt in Bremen als Lehrerin tätige ehemalige Terroristin A. vornahm, wäre gleichzeitig ein milderes Mittel, das weitaus weniger in die Wissenschafts- Presse- und Diskussionsfreiheit eingreifen würde, als die von Richter B. ausgesprochenen Verbote.

Problematisch an diesen Entscheidungen ist auch, dass die Hamburger Pressekammer den Anspruch auf Unterlassung der Namensnennung bereits nach sechs Monaten greifen lässt. Bei konsequenter Anwendung würde dies dazu führen, dass in großem Ausmaß Internetarchive "gesäubert" werden müssten.

Hätte die derzeitige Rechtsprechung der Hamburger Pressekammer Bestand, dann müssten sämtliche im Internet namentlich genannten Mörder, deren Urteil länger als 6 Monate zurückliegt, nachträglich anonymisiert werden. Bei konsequenter Anwendung der Hamburger Rechtsprechung dürfte allein die Säuberung der Archive von der Berichterstattung über den belgischen Kindermörder D., oder über M., den "Kannibalen von Rothenburg", einiges an Zeit und Aufwand in Anspruch nehmen.

Aufgrund der Vielzahl der in Medien mit vollem Namen genannten Täter und des ausgesprochen hohen (aber trotzdem vom Gericht akzeptierten) Streitwerts, steht zu erwarten, dass das lukrative Geschäftsmodell auch von anderen Anwaltskanzleien aufgegriffen wird.

In einem Parallelfall mit den Aktenzeichen 324 O 145/07 H und 324 O 208/07 H., in dem ein verurteilter Serienmörder gegen einen Kriminalisten wegen einer Namensnennung in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung geklagt hatte, wog die Hamburger Pressekammer das Interesse des Gewaltverbrechers auf ein Verbot der Nennung seines Namens schwerer als die ebenfalls im Grundgesetz geschützte Freiheit der Wissenschaft. In dem Verfahren unterwarf sich der Kriminalist einer Entscheidung des Richters B., die zugrunde legte, dass wissenschaftliche Veröffentlichungen nicht im Internet zugänglich gemacht werden dürften.