Untätig im Treibhaus

Die Energie- und Klimawochenschau: Die Emissionen nehmen rasch zu, das arktische Eis noch schneller ab, aber Vattenfall will weiter die ostdeutsche Landschaft auf der Suche nach Braunkohle umpflügen

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Seit fast 20 Jahren wird über den internationalen Klimaschutz verhandelt, seit rund 15 Jahren gibt es eine UN-Klimarahmenkonvention, der fast alle Staaten angehören, aber die Treibhausgasemissionen nehmen munter weiter zu. Das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien aus Münster hat auf der Basis von Daten des Bundeswirtschaftsministeriums und von BP zwei interessante Tabellen veröffentlicht. Aus diesen geht hervor, dass die Kohlendioxid-Emissionen aus der Verbrennung von Kohle und Erdöl-Derivaten insbesondere seit Beginn des neuen Jahrtausends kräftig zugenommen haben. Von 24,677 Milliarden Tonnen im Jahre 2000 stiegen sie auf 30,182 Milliarden Tonnen im vergangenen Jahr. Das ist ein Anstieg um gut 20 Prozent in nur sechs Jahren. Offenbar hängt die Steigerung mit dem kräftigen Wachstum der Weltwirtschaft zusammen, das seit einigen Jahren zu beobachten ist und das deutlich über den Werten der vorhergehenden Jahrzehnte liegt.

China hat in diesem Zeitraum seine Emissionen auf nunmehr 5,841 Milliarden Tonnen CO2 rund verdoppelt. Das ist insofern beachtlich, als die Volksrepublik in den 1990er Jahren bei ähnlich rasantem Wirtschaftswachstum wie derzeit, seine Emissionen nahezu konstant halten konnte. Offenbar ist der Effekt der Modernisierung und Stilllegung veralteter Anlagen in der Schwerindustrie, der eine erhebliche Steigerung der Energieeffizienz mit sich brachte und damit die spezifischen Emissionen drückte, inzwischen aufgebraucht. Nun wird die Treibhausgasbilanz vom Neubau neuer Kohlekraftwerke und der drastischen Zunahme des Straßenverkehrs dominiert. Noch vor zehn Jahren waren die Straßen der Hauptstadt Peking von Fahrrädern und Bussen dominiert, durch die sich kleine Taxis im gemächlichem Tempo schlängelten. Im Juli 2007 standen dort 2,97 Millionen Autos im Dauerstau.

Entgegen anders lautender Meldungen hat die Volksrepublik aber noch nicht die USA als größten CO2-Emittent eingeholt. In den USA wurden 2006 6,469 Milliarden Tonnen CO2 aus der Verbrennung fossiler Energieträger an die Atmosphäre abgegeben. Das entsprach einer Pro-Kopf-Emission von 21,56 Tonnen CO2. Zum Vergleich: In China betrugen zur gleichen Zeit die CO2-Pro-Kopf-Emissionen 4,5 Tonnen, also weniger als 20 Prozent des US-Wertes und etwa 40 Prozent der deutschen Pro-Kopf-Emissionen.

Hierzulande stagnieren trotz aller lautstarken Klimaschutz-Rhetorik seit Ende der 1990er Jahre die CO2-Emissionen aus fossilen Quellen auf hohem Niveau: 1999 betrugen sie 895 Millionen Tonnen, 2006 waren es 890 Millionen Tonnen. Dazwischen war der Wert zeitweise um etwa 20 Millionen jährlich angewachsen und langsam wieder zurückgegangen.

Global geht der Anstieg vor allem auf die dynamische Wirtschaftsentwicklung in einigen Schwellenländern zurück – wenn auch einige Industriestaaten wie die USA (plus 20 Prozent seit 1990), Spanien und Kanada recht beachtliche Steigerungsraten aufweisen. Die Zunahme der Emissionen in Entwicklungsländern kommt allerdings keineswegs überraschend, sondern war bereits bei Abschluss der Klimarahmenkonvention erwartet worden. Deshalb hatte man sich seinerzeit auf die Formel der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“ geeinigt.

Da die ärmeren Länder ein sehr niedriges Emissionsniveau hatten (und zum erheblichen Teil noch haben) und Raum brauchen, um sich ökonomisch entwickeln zu können, sollen zunächst die Industriestaaten, auf deren Konto wegen der Emissionen der vergangenen Jahrzehnte der bisherige Anstieg der CO2-Konzentration in de Atmosphäre geht, ihren Ausstoß verringern. Ursprünglich hatte es in der Konvention, die – im Gegensatz zum Kyoto-Protokoll – auch die USA ratifiziert haben, geheißen, dass die Industriestaaten in einem ersten Schritt bis zum Jahre 2000 ihren Ausstoß auf das Niveau von 1990 zurückfahren sollten. Die wenigsten haben dies allerdings getan, so wie wahrscheinlich 2012 auch eine ganze Reihe die äußerst moderaten Reduktionsziele des Kyoto-Protokolls verfehlen werden.

Braunkohle zunehmend unbeliebt

Die Verbrennung von Braunkohle ist so ziemlich der sicherste Weg, das globale Klima zu ruinieren. Der Brennwert dieser minderwertigen Kohle, mit der Deutschland wie kaum ein anderes Land „gesegnet“ ist, liegt derart niedrig, das derzeit hierzulande im Durchschnitt 1.228 Gramm CO2 pro generierter Kilowattstunde elektrischer Energie emittiert werden. In Steinkohlekraftwerken sind es 938 und in Gaskraftwerken 560 Gramm pro Kilowattstunde. Mit moderner Technik lassen sich bei der Braunkohle die Emissionen auf 950 Gramm CO2 pro KWh reduzieren – jedenfalls wird dies bei der Zuteilung der Emissionszertifikate zugrunde gelegt -, aber in einem modernen Gas- und Dampfturbinenkraftwerk werden nur 365 Gramm CO2 pro KWh erzeugt. Höchste Zeit also der Braunkohle Einhalt zu gebieten.

Die Behörden in Brandenburg, wo in der Lausitz eines der drei großen deutschen Braunkohlereviere liegt, sehen das etwas anderes. Sie haben Vattenfall gestattet, eine nach EU-Recht geschützte Teichlandschaft in der Nähe von Cottbus zu zerstören. Bis zum Freitag vergangener Woche haben Baumbesetzer von Robin Wood versucht, das Vorrücken der Bagger zu verhindern. Schließlich wurden sie ziemlich unsanft von Polizei und Feuerwehr geräumt.

Inzwischen haben aber in Brandenburg verschiedene Umweltverbände mit Unterstützung der Grünen eine Volksinitiative gestartet, die zumindest die Erschließung neuer Tagebaue verhindern soll. Seit dem Wochenende hat sich auch Die Linke nach vielem Hin und Her angeschlossen. Ihr Vorläufer, die PDS, hatte sich seit mehr als zehn Jahren heftige innerparteiliche Grabenkämpfe in dieser Frage geliefert. Hintergrund der Volksinitiative sind Pläne des schwedischen Stromkonzerns Vattenfall, der auf dem Gebiet der alten DDR sowie in Westberlin und Hamburg das Stromnetz besitzt und auch verschiedene Braunkohlekraftwerke betreibt, langfristig drei vollkommen neue Tagebaue zu erschließen.

Unterdessen geht die Umweltschutzorganisation Greenpeace einen Schritt weiter als die Volksinitiative. Am Montag besetzten 36 ihrer Kletterer sieben Kräne auf der Baustelle für den Block R des Braunkohlekraftwerks Boxberg in der Oberlausitz. „Vattenfall: Baustopp! Klimaschutz statt Braunkohle“, war auf einem 19 mal 10 Meter großen Transparent zu lesen, das in 75 Meter Höhe an einem der Kräne befestigt wurde.

Greenpeace hatte ein internationales Team auf die Kräne geschickt, das aus Polen, der Schweiz, Ungarn, der Slowakei, Dänemark und Deutschland kam. Nach Angaben der Organisation soll für den neuen 675-Megawatt-Kraftwerksblock der 1990 stillgelegte Reichwalde wieder in Betrieb genommen werden. Allein dieser Block werde jährlich 4,4 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen, was den Emissionen des mittelamerikanischen Staates Costa Rica entspräche. „Vattenfall präsentiert sich der Öffentlichkeit als Unternehmen, das Klimaschutz ernst nimmt. Aber kein anderer Stromversorger setzt bei seinem Energiemix so stark auf Braunkohle“, meint Greenpeace Klima-Campaigner Karsten Smid. 63 Prozent seines Stroms produziere Vattenfall mit Braunkohle.

Atomenergie kein Mittel für Klimaschutz

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ist zwar ein Freund der Kohle – Ende April kündigte er in einer Bundestagsrede bis Dezember 2012 den Bau von „drei große(n) Braunkohlekraftwerke, sechs Steinkohlekraftwerke(n) und sieben Gaskraftwerke(n) mit einer Gesamtleistung von 12.000 Megawatt“ an –, aber zumindest nicht der Atomenergie. Am Montag erklärte sein Staatssekretär Matthias Machnig auf einer Umweltministerkonferenz in Wien gemeinsam mit seinen Kollegen aus Österreich, Irland, Italien, Lettland und Norwegen, dass die Nutzung der Atomkraft keine Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels sei.

In einer gemeinsamen Erklärung stellten die Minister fest, dass Atomenergie nicht mit einer nachhaltigen Entwicklung vereinbar sei. Eine Zunahme der Nutzung der Atomkraft würde die Risiken der unkontrollierten Verbreitung der Atomwaffentechnologie (nuclear proliferation) erhöhen. Fragt sich, ob Gabriels Chefin Angela Merkel das ähnlich sieht. Die hatte sich seinerzeit Mitte der 1990er Jahre als Ministerin für Umwelt und Reaktorsicherheit – zum Glück vergeblich – abgemüht, dem seinerzeitigen Diktator Indonesiens Suharto deutsche Atommeiler anzudrehen.

Arktis friert wieder

Grafik: NSIDC

Rund um den Nordpol geht ohne Frage eine Rekordsaison zu Ende. Am 16. September erreichte das dortige Meereis, das im Rhythmus der Jahreszeiten wächst und sich wieder zurückzieht, sein diesjähriges Minimum. Die Fläche, die mindestens zu 15 Prozent mit Eis bedeckt war, betrug nur 4,13 Millionen Quadratkilometer, was mit Abstand der niedrigste Wert seit Beginn der Datenreihe aus Satellitenmessungen im Jahre 1979 war. Der Mittelwert für September betrug 4,28 Millionen Quadratkilometer, was 23 Prozent weniger als der bisherige Rekord aus dem Jahre 2005 war und 39 Prozent unter dem Durchschnitt der Jahre 1979 bis 2000 lag, berichtet das US-amerikanische National Snow and Ice Data Center.

Wenn man zusätzlich Berichte von Schiffen und Flugzeugen hinzuziehe, dann könne es sein, dass die heutige Sommereisfläche 50 Prozent kleiner als jene in den 1950er Jahren sei. Das Zentrum weist außerdem daraufhin, dass, wie mehrfach auf Telepolis berichtet, die Nord-West-Passage erstmals seit Menschengedenken für gewöhnliche Schiffe passierbar war.

NSIDC-Wissenschaftler Mark Serreze kommentierte:

Computer projections have consistently shown that as global temperatures rise, the sea ice cover will begin to shrink. While a number of natural factors have certainly contributed to the overall decline in sea ice, the effects of greenhouse warming are now coming through loud and clear. … The sea ice cover is in a downward spiral and may have passed the point of no return. As the years go by, we are losing more and more ice in summer, and growing back less and less ice in winter. We may well see an ice-free Arctic Ocean in summer within our lifetimes.