Schlagabtausch zwischen Teheran und Washington

Der US-Senat hat die Iranische Revolutionäre Garde zur Terrororganisation erklärt, das iranische Parlament erklärte im Gegenzug die CIA und das US-Militär dazu

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Letzte Woche hat der US-Senat mit großer Mehrheit eine nicht bindende Resolution beschlossen, in der das US-Außenministerium aufgefordert wird, die Revolutionäre Garde Irans als "Terrororganisation" einzustufen. Damit würde erstmals eine staatliche militärische Organisation zu einer Terrorgruppe erklärt, was auch hieße, dass dann auch von Staatsterrorismus die Rede sein müsste. Der Iran hat prompt reagiert. Mit einer ebenfalls nicht bindenden Resolution beschloss das iranische Parlament als Reaktion, dass die CIA und das US-Militär als "Terrororganisationen" gelten müssten.

Während das US-Militär, so die Retourkutsche des iranischen Parlaments, in terroristische Aktionen wie die Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki mit Atombomben oder die Verwendung von Munition mit abgereichertem Uran in Bosnien, Afghanistan und im Irak verstrickt sei, wird die CIA für den Aufbau zahlreicher Terrororganisationen und für das Training von Terroristen in aller Welt verantwortlich gemacht. So habe die CIA den früheren Diktator Saddam Hussein und Terrorgruppen wie die vom Irak aus operierende MKO, al-Qaida oder die Taliban unterstützt. Die CIA habe Geheimgefängnisse in Europa eingerichtet und Gefangene in Guantanamo und Abu Ghraib misshandelt.

Der iranische Verteidigungsminister Mostafa Mohammad Najjar bezeichnete die Revolutionäre Garde schließlich gar als die größte Antiterror-Organisation in der ganzen Welt. Die Revolutionäre Garde sorge für die Sicherheit und das Wohlergehen des iranischen Volkes, aber auch für die Stabilität der Region. Erst die US-Politik habe den Terrorismus in der Region verursacht. CIA und das US-Militär würden, so kehrt der General in einer allzu simplen Retourkutsche die Vorwürfe um, die Verbrechen, die sie selbst begehen, den irakischen Nachbarn zuschieben wollen.

Noch drastischer trat der libanesische Schiitenführer Allamah Muhammad Hussein Fadhlallah auf, was die staatliche iranische Nachrichtenagentur Fars in einem ausführlichen Beitrag würdigte. Er empfahl dem Iran, die Resolution des US-Senats als "Kriegserklärung" zu begreifen, da die Iranische Revolutionäre Garde zu den iranischen Truppenverbänden gehöre und eine ähnliche Funktion wie die Armee habe.

Die dem Haushaltsgesetz für das Verteidigungsministerium angefügte Resolution, wohl eine Umsetzung eines Wunsches der US-Regierung (Iranischer Staatsterror?) war auch eine Reaktion auf den Vortrag, den der iranische Präsident Ahmadenidschad an der Columbia University halten durfte. Viele Politiker, darunter auch der republikanische Senator Jon Kyle, der neben dem demokratischen Senator John Lieberman und weiteren republikanischen Senatoren die Resolution eingebracht hat, kritisierten die Universität, dem iranischen Präsidenten damit eine Plattform geboten zu haben. Kyl richtete am 1. Oktober noch eine Botschaft an den Iran, in dem er noch einmal die Entscheidung der Universität kritisierte, die nichts mit Meinungsfreiheit zu tun habe, wenn man dem Führer eines Landes ein Forum biete, "das gnadenlos Freiheit unterdrückt und seine eigenen Bürger immer wieder für 'Verbrechen' wie die Äußerung von Meinungen foltert und einsperrt, die denen der Regierung entgegengesetzt" sind. Kyl ist der Meinung, dass der iranische Präsident auch nicht an anderen Institutionen wie den Vereinten Nationen sprechen dürfte.

Dazu kommt, dass Kyl erneut die iranische Regierung für das Töten von Amerikanern im Irak verantwortlich macht. Es liege auf der Hand, dass der Iran "durch Proxy-Organisationen einen Proxy-Krieg gegen die USA im Irak führt, indem radikale schiitische Milizen mit Ressourcen unterstützt und trainiert werden, die für den Tod von Hunderten von amerikanischen Soldaten verantwortlich sind". Die Einstufung der Revolutionären Garde als Terrororganisation soll Iran deutlich machen, dass die USA nicht vor dem "iranischen Terrorismus" zurückweichen werden.

Seymour Hersh hatte am Wochenende in einem Artikel im New Yorker erst berichtet, dass das Weiße Haus, angeführt vor allem durch Vizepräsident Cheney, eine strategische Umorientierung in der Iran-Politik vorgenommen habe und plane, mit "chirurgischen Schlägen" Stellungen der Revolutionären Garde anzugreifen (Veränderte Angriffspläne auf den Iran). Im Unterschied zu einer Bombardierung der iranischen Atomanlagen ließe sich dies nach Ansicht des Weißen Hauses besser als Selbstverteidigung rechtfertigen – und könnte schließlich auch eine größer angelegte Intervention rechtfertigen, wenn das iranische Militär offensiv darauf reagieren würde.

Zu diesem Plan wäre die Einstufung der Revolutionären Garde als "Terrororganisation" ein wesentlicher Schritt. Dann würde man nicht mehr Truppen des Iran angreifen und damit einen Krieg gegen das Land führen, sondern den "Krieg gegen den Terror", den man im Irak führt auf die Revolutionäre Garde erweitern. Kyl bestreitet allerdings, dass man die Resolution als einen Schritt auf dem Weg zum Krieg mit Iran verstehen könne. Das sei nicht wahr, aber sie bleibe eine "deutliche Botschaft" an den Iran, dass die USA "das Töten von unschuldigen Irakern und amerikanischen Soldaten oder jede Störung des Fortschritts im Irak nicht dulden werden".

Einladung von US-Präsident Bush an iranische Universität

Auch die Columbia-Rede des iranischen Präsidenten (Der Böse auf dem Planeten der Freiheit) wird von iranischer Seite nun zu einem medialen Coup umgemünzt. Ahmadenidschad wurde vor seiner Rede vom Columbia-Direktor, der unter großem Druck wegen der Einladung stand, abgekanzelt und scharf kritisiert, versuchte aber, darauf diplomatisch zu reagieren. US-Präsident Bush nutzte die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass er zwar die Einladung an die Universität nicht gut heiße, aber dass eine solche Möglichkeit einer offenen Diskussion in Iran nicht möglich sei, was eben den freiheitlichen Charakter der USA herausstreiche.

Der Kanzler der Ferdowsi-Universität in Mashhad konterte nun auch diesen Schachzug, indem er seinerseits US-Präsident zu einem Vortrag und der anschließenden Möglichkeit einlud, dass Professoren und Studenten an ihn Fragen zu Themen wie Menschenrechte, Terrorismus, Holocaust und die amerikanische Außenpolitik richten, wie Ahmadenidschad auch die an ihn gerichteten Fragen beantwortet habe.

Das Weiße Haus wies die Einladung erwartungsgemäß zurück. US-Präsident Bush würde sich darauf freuen, ein "demokratisches Iran" zu besuchen, teilte Gordon Johndroe, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats mit. Das wäre ein Iran, "in dem die führenden Politiker die Meinungs- und Versammlungsfreiheit für alle Menschen gewähren und in den sie die Opfer des Holocaust betrauern, aber nicht zur Zerstörung Israels aufrufen".