Das Weiße Haus erlaubt weiterhin "gewisse Verhörtechniken" der CIA

Ein Bericht der New York Times deckt auf, wie die Bush-Regierung mit geheimen Rechtsgutachten und Präsidentenerlassen das Folterverbot aushebelt und das CIA-Programm, Verdächtige in Geheimgefängnisse zu verschleppen und zu verhören, fortsetzt

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Nach dem Bekanntwerden der Misshandlungen in Abu Ghraib kam die Bush-Regierung unter starkem Druck seitens des Kongresses, Folter und Misshandlungen zu verbieten. Nach der Nominierung des für die US-Willkürjustiz mitverantwortlichen Alberto Gonzales zum Justizminister Ende 2004 wurde versucht, mit einem neuen Rechtsgutachten die Kritik an der Foltergenehmigung zu entschärfen. Das Memorandum verbot zumindest Misshandlungen und Folter, die "schweren Schmerz" verursachen. 2002 hatte ein vom Weißen Haus in Auftrag gegebenes Gutachten, an dem auch Gonzales mitwirkte, auch schwere Folter als rechtmäßig eingestuft.

Dem Kongress ging dies allerdings nicht weit genug. Nach langem Hin und Her und Drohungen, ein Veto einzulegen, wenn das Folterverbot nicht nur für das Militär, sondern auch für die CIA gelten sollte (US-Regierung will für die CIA eine Ausnahme vom drohenden Folterverbot), unterzeichnete US-Präsident Bush schließlich im Dezember 2005 die im Haushaltsgesetz für das Pentagon (H.R. 2863) auf Initiative des republikanischen Senators McCain eingefügte neue Regelung (US-Regierung akzeptiert Folterverbot).

Prohibits any individual in the custody or physical control of the U.S. government, regardless of nationality or physical location, from being subject to cruel, inhuman, or degrading treatment or punishment.

Schon damals aber war klar, dass sich das Weiße Haus, wie es dessen Stil ist, ein Schlupfloch geschaffen hat, um nach außen so zu tun, als habe man künftig Misshandlungen einen Riegel vorgeschoben, während man auf Folter im Dienst der Freiheit beim "Globalen Krieg gegen den Terror" keineswegs verzichten wollte. So erließ US-Präsident Bush - wie auch im Fall von zahlreichen anderen Gesetzen (Das Gesetz bin ich) - bei der Unterzeichnung des Haushaltsgesetzes vor allem in Bezug auf den Umgang mit gefangenen Terrorverdächtigen ein Statement. In ihm hieß es etwa, dass die Regelung "Title X: Matters Relating to Detainees" von der Exekutive so ausgelegt werden müsse, dass dies mit der "verfassungsgemäßen Autorität des Präsidenten" und seiner Autorität als oberster Befehlshaber "konsistent" sei, das Land vor dem Terrorismus zu schützen. Ganz deutlich wurde noch hervorgehoben, dass es Gefangenen nicht möglich sein darf, mit Foltervorwürfen oder Klagen wegen Freiheitsberaubung vor ein amerikanisches Gericht zu gehen (Die unbeschränkte Macht des US-Präsidenten).

Wie nun die New York Times berichtet, hat der gerade ernannte Justizminister Gonzales nach dem ersten Memorandum, das Folter verbieten sollte, Anfang 2005 eilends ein weiteres, aber geheimes Gutachten erstellen lassen, das nun, wie Informanten der Zeitung mitteilten, explizit CIA-Angehörigen erlaubte, gefangene Terrorverdächtige mit einer "Kombination aus schmerzhaften körperlichen und psychologischen Maßnahmen wie Schlägen auf den Kopf, vorgetäuschtes Ertrinken und Aussetzung an Kälte" zum Sprechen zu bringen. Gonzales hatte dies gegen den Vizeminister James Comey durchgesetzt, der, obgleich Republikaner, auch Kritik an rechtlich bedenklichen Maßnahmen der Bush-Regierung äußerte und im August 2005 unter anderen aufgrund von Differenzen im Hinblick auf Folter zurückgetreten ist.

Dasselbe Spiel hatte sich offensichtlich nach dem Folterverbot im Haushaltsgesetz des Pentagon wiederholt. Zuvor hatten US-Präsident Bush und CIA-Chef Gross gerne einmal von den neuen "innovativen Verhörtechniken" gesprochen, die keine Folter darstellen würden und völlig legal seien ("Dieser Geheimdienst foltert nicht"). Ein weiteres geheimes Gutachten, das Gonzales in Auftrag gab, erklärte so, wie die New York Times berichtet, dass alle von der CIA verwendeten Verhörtechniken legal seien. Ausgeführt hat es Steven G. Bradbury, seit 2005 Leiter des Office of Legal Counsel, der auch die Rechtfertigung des NSA-Lauschprogramms besorgte.

Erst im Juli 2007 hat Bush einen Präsidentenerlass unterzeichnet, der für ein Inhaftierungs- und Verhörprogramm des CIA "gewisse" Verhörtechniken genehmigt. Welche genau, geht daraus nicht hervor, aber vermutlich dürfte es sich um einige der bereits anderweitig bekannt gewordenen "Techniken" handeln (Die genehmigten harten Verhörtechniken der CIA). Der Präsidentenerlass wurde von Bradbury geprüft und gebilligt. Angeblich habe die CIA seitdem auch wieder begonnen, Verdächtige, für die die Genfer Konventionen, aber auch die amerikanischen Gesetze nach Sicht des Weißen Hauses nicht gelten, in Geheimgefängnisse im Ausland festzusetzen und zu verhören. Der Präsidentenerlass erklärt, dass "feindliche Kämpfer" weiterhin nicht unter den Schutz der Genfer Konventionen fallen und dass das "Central Intelligence Agency Detention and Interrogation Program" angeblich mit den Genfer Konventionen übereinstimmt.

Tony Fratto, der Sprecher des Weißen Hauses, wollte zu den Gutachten keine Stellung nehmen, versicherte aber, dass Geheimdienste und Weißes Haus im Einklang mit den amerikanischen Gesetzen handelten. Die New York Times erklärt, sie habe von den geheimen Gutachten, die als Freibrief für das Weiße Haus und folternde Geheimdienstmitarbeiter dienen, durch zahlreiche Gespräche mit gegenwärtigen und ehemaligen Regierungsangehörigen erfahren, die mit der Bekämpfung des Terrorismus zu tun haben bzw. zu tun hatten. Weil es sich um geheime Dokumente handelt oder weil sie selbst in die CIA-Praktiken verwickelt waren/sind, hätten viele nur unter der Bedingung der Anonymität berichtet.