Festnahme der gesamten Batasuna-Führung

Nach dem Scheitern des Friedensprozesses geht die spanische Regierung gegen die verbotene baskische Partei vor, die der Unterstützung der ETA beschuldigt wird, um vor den Wahlen Stärke zu zeigen

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Mit der Verhaftung des Auslandskoordinators der baskischen Partei Batasuna (Einheit) am Dienstag deutete sich eine massive Verhaftungswelle an. Am späten Donnerstag ließ der spanische Ermittlungsrichter Baltasar Garzón mindestens weitere 22 Personen verhaften, welche die alte und neue Parteiführung darstellen sollen. Verhandelte die Regierung noch kürzlich mit Vertretern der Partei, die einem Friedensprozess in Gang gebracht hatte, sollen sie nun "Mitglieder einer Terrororganisation" sein. Dabei könnte es Garzón eine Lehre sein, dass er schon einmal mit der Inhaftierung der Führung deren Vorgänger gescheitert ist. 1997 konnte er nicht einmal deren Unterstützung für die ETA beweisen. Der Zeitpunkt ist nicht wahllos: Die Sozialisten (PSOE) versuchen vor den Wahlen im März Stärke zu zeigen. Es ist eine Reaktion darauf, dass der baskische Regierungschef im nächsten Jahr ein Referendum über den Status des Baskenlands durchführen will, das die spanische Regierung "mit allen Mitteln" verhindern will.

Das baskische Dorf Segura war gestern Abend vollständig von der Polizei abgeriegelt. Gegen 20 Uhr wurden dort 22 Personen verhaftet, die im Kulturhaus des Dorfes eine Versammlung abgehalten haben sollen. Es soll es sich um die alte und neue Führung von Batasuna handeln. Die alte kollektive Führung der Partei habe die Führung an neue Führungsmitglieder übergeben. Die Staatsanwaltschaft gab durch den Generalstaatsanwalt Candido Conde Pumpido in Radio Nacional de España dem Vorgehen das Plazet. Er erklärte, die Batasuna-Führer, "gegen die wegen Unterstützung einer bewaffneten Bande ermittelt wird", hätten mit dem Treffen "ihre verbotenen Aktivitäten fortgesetzt, die verbotene Batasuna weitergeführt und mit dem Treffen wollte die Führung neue Entscheidungen zu treffen." Das könne nicht toleriert werden, weshalb die Intervention angebracht gewesen sei.

Diese Argumentation der Staatsanwaltschaft erstaunt aus verschiedenen Gründen. Es stimmt zwar, dass Batasuna seit 2003 verboten ist (Kriminalisierung von Batasuna), doch hat sich die sozialistische Regierung mehrfach mit Batasuna-Vertretern getroffen und sogar mit der ETA verhandelt. Sie störte auch nicht, dass Batasuna als illegale Partei 2004 einen Friedensplan öffentlich vorstellte, mit dem sie einen Friedensprozess in Gang brachte, der nach der tödlichen Unterbrechung der Waffenruhe der ETA im Juni (ETA sprengt baskischen Friedensprozess) kläglich beerdigt wurde. Es wurde auch nichts unternommen, dass die Parteibasis in öffentlichen Versammlungen über die Zusammensetzung der neuen Führung entschied und das Programm diskutierte.

Nach der Unterbrechung der Waffenruhe hatte sich die Wende schon abgezeichnet, als verbotene Jugendorganisationen plötzlich in terroristische Organisationen umdefiniert wurden, obwohl Verbindungen zur ETA im Prozess nicht bewiesen werden konnten. Dazu kam ein neuer Verbotsrekord von Parteien und Wählerlisten zu den Regionalwahlen im Mai, weshalb sogar der Generalstaatsanwalt selbstkritisch von "Guantanamo-Wahlen" sprach. Nach dem definitiven Ende der Waffenruhe war aber von selbstkritischen Tönen nichts mehr zu hören und wurde der Batasuna-Chef Arnaldo Otegi sofort verhaftet. Wo die Staatsanwaltschaft ein Jahr zuvor keine Vergehen sah und Otegi nach der Festnahme wieder aus dem Knast gelassen werden musste, sah man 15 Monate ein Verbrechen, weshalb er seither im Knast sitzt.

Diese Veränderung der Argumentation kann auch beim Ermittlungsrichter Garzón beobachtet werden. Behauptete er bei seinem vorläufigen Verbot von Batasuna 2003, die Partei sei Teil der ETA, erklärte er noch im Februar entgegen seiner Ursprungsthese, mit der er etliche Organisationen verboten hat : "Es ist nicht bewiesen, dass die ETA die gesamte patriotische Linke führt." Mit der Begründung hat er vor neun Jahren sogar eine Zeitung schließen lassen. Die Rechtmäßigkeit des Vorgangs ist bis heute nicht gerichtlich festgestellt worden. Trotzdem traf dasselbe Schicksal vor viereinhalb Jahren eine weitere Zeitung (Baskische Zeitung und Website geschlossen).

Garzón hat aber nicht aus seinen Fehlern gelernt, wie sich gestern gezeigt hat. Schließlich wirft er den Batasuna-Führern nun sogar vor, Mitglieder der ETA zu sein. Dabei scheiterte er vor genau 10 Jahren schon beim Nachweis, dass deren Vorgänger Herri Batasuna (Volksunion) die ETA nur unterstützt hätten. Damals wurde die gesamte Führung der Partei zwar zunächst auf Basis der Anschuldigungen vom Nationalen Gerichtshof verurteilt, doch nach zwei Jahren kassierte das Verfassungsgericht das Urteil und ließ die 23 Parteiführer wieder frei. Erstaunlich war, dass der Vorgang auch damals mit einem Friedensvorschlag zu tun hatte. Herri Batasuna hatte versucht, wenige Sekunden aus einem ETA-Video zu veröffentlichen, in der Madrid ein Friedensangebot gemacht wurde.

Die spanische Regierung will auch aus wahltaktischen Gründen ein Referendum bei den Basken verhindern

Die Sozialisten (PSOE) wollen nun Stärke zeigen, um sich gegenüber der starken Volkspartei (PP) zu beweisen, die stets Torpedos auf den Friedensprozess abschoss und nun bei den Wahlen im März die Früchte dafür ernten will. Dass die Sozialisten die Regionalwahlen verloren haben, ist ein deutliches Zeichen. Der Sieger der Regionalwahlen hat bisher stets auch die Parlamentswahlen gewonnen.

Doch der gescheiterte Friedensprozess ist nur ein Hintergrund für das Vorgehen. Schließlich hatte der baskische Regierungschef Juan José Ibarretxe vor einer Woche angekündigt, er wolle die Bevölkerung über die politische Zukunft der Region entscheiden lassen. Am 25. Oktober 2008 soll die Bevölkerung in einem Referendum das Wort erhalten. Zwar wurde so getan, als sollten die Basken quasi über die Unabhängigkeit abstimmen, doch das ist falsch. Die Bevölkerung in drei von sieben baskischen Provinzen, die heute die "Autonome Baskische Gemeinschaft" (CAV) bilden, soll einem Pakt das Plazet geben, der zuvor mit der spanischen Regierung ausgehandelt werden soll. Zwei Prinzipien sollen ihm zugrundeliegen: "Die Ablehnung der Gewalt und die Verpflichtung der baskischen Gesellschaft, nur demokratische und politische Mittel einzusetzen." Dafür soll Spanien den "Willen der baskischen Gesellschaft respektieren" und dessen Anerkennung "in die Rechtsordnung aufnehmen", sagte Ibarretxe. Das zielt darauf, der Gewalt ein Ende zu setzen, die seit Jahrzehnten Spanien erschüttert.

Kompliziert wird es, wenn Madrid sich dem Pakt verweigert. Dann soll das Regionalparlament Ibarretxe die Realisierung des Referendums erlauben, um einen "doppelten Prozess des Dialogs und der Verhandlungen einzuleiten, der zum definitiven Ende der Gewalt und zur Lösung des politischen Konflikts" führt. Diese nur "politisch verbindliche" Abstimmung und soll dann einen Dialog erzwingen. Egal wie die Abstimmung ausgeht, sollen vorgezogene Neuwahlen folgen. Die Wähler sollen das Verhalten der Parteien bewerten und ihr Gewicht für die Allparteiengespräche festlegen. Geplant ist, dass die Regierung und die ETA über das Ende der Gewalt verhandeln, während gleichzeitig ein Abkommen zur politischen Normalisierung ausgehandelt wird, welches das Selbstbestimmungsrecht und die territoriale Einheit des Baskenlandes einschließt. Über das Ergebnis sollen die Basken 2010 erneut abstimmen. Unter Einbeziehung der Bevölkerung will man so die Sackgasse verlassen, in dem der Konflikt erneut festsitzt.

So ist die Repression auch ein Wink mit dem Zaunpfahl an die moderaten Nationalisten. Auch die setzen nun auf das Selbstbestimmungsrecht und nehmen die Volksabstimmung als Ausdruck dieses Rechts und als Methode auf, wie sie die baskische Linke seit zehn Jahren vorschlägt, auch wenn sie diese auf die Autonomen Provinzen beschränken wollen. Statt dem demokratischen Mittel zuzustimmen, dass Spanien mit der EU auch in Mazedonien sogar zur Erreichung der Unabhängigkeit stützte, wollen die Sozialisten dieses Referendum "mit allen Mitteln" verhindern. Die Regierung bezeichnete das Vorgehen als "Wahnsinn".

So bestimmt in Spanien seit einer Woche die Debatte, wie die Abstimmung verhindert werden kann und ob die PSOE oder die PP dabei effektiver sei. Gedroht wird, die Sicherheitskräfte gegen das "illegale" Vorgehen einzusetzen oder die baskische Autonomie zu suspendieren. Ob die PSOE soweit geht, das Gesetz der PP wiederzubeleben, das derlei Abstimmungen unter Strafe stellte, wird sich zeigen. Nach ihrem Wahlsieg hatten sie es gestrichen.

Dabei drückt sich in dem Referendum der starke Wille der Bevölkerung im Baskenland aus, endlich eine friedliche Lösung für den Konflikt zu finden, bei der ihr Wille respektiert wird. Das Autonomiemodell ist längst gescheitert, weil in 30 Jahren wesentliche Kompetenzen nie an die Basken übertragen wurden. Einen demokratischen Weg, ihre Anliegen zu vertreten, gibt es offenbar für Katalanen und Basken nicht, weshalb auch die Forderungen nach Unabhängigkeit stärker werden.