Hat die israelische Luftwaffe russische Luftabwehrsysteme in Syrien ausgetrickst?

Auch wenn Israel den Luftangriff auf ein Ziel in Syrien mittlerweile bestätigt hat, ist weiterhin dessen Zweck unklar, was mitunter auch interessengeleitete Spekulationen ins Kraut schießen lässt

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Erst vor ein paar Tagen hat das israelische Militär offiziell bestätigt, am 6. September einen Luftangriff auf ein Ziel in Syrien ausgeführt zu haben (Rätselraten um israelischen Luftschlag in Syrien). Syrien hatte sich darüber zwar beschwert und mögliche Reaktionen angekündigt, aber keine Hinweise auf das Ziel gegeben. Zunächst wurden Vermutungen geäußert, dass die israelischen Kampfflugzeuge einen Waffentransport aus dem Iran an die Hisbollah angegriffen haben könnten. Von amerikanischer Seite wurde schließlich gesagt, es habe sich um eine geheime Militäranlage gehandelt, in der sich Atomtechnik aus Nordkorea befunden habe. Die US-Regierung habe zunächst Israel zu bremsen gesucht, weil man sich der Informationen nicht sicher gewesen sei (Aktivitäten im Dreieck Syrien, Iran und Israel).

Nachdem schließlich der syrische Präsident Bashar Assad berichtet habe, die Israelis hätten ein unbenutztes Militärgebäude bombardiert, wurde die Zensur in Israel zumindest insoweit aufgehoben, als der Angriff zugegeben wurde. Über den Zweck und das Ziel wird weiterhin geschwiegen (Flugzeuge im Bauch), man will offenbar einerseits demonstrieren, dass die israelische Luftwaffe ungehindert in den syrischen Luftraum eindringen und Ziele angreifen kann, aber andererseits Spekulationen Raum gewähren. Allerdings kann so Assad auch sagen, dass Israel keinen Frieden suche und ein Nachbarland angreife, das keine Atomwaffen und nicht einmal Atomenergie zur friedlichen Nutzung anstrebt.

Inzwischen wird nicht nur weiter über den Zweck des Angriffs gerätselt, sondern auch darüber, wie es die israelischen Kampfflugzeuge vom Typ F-15 und F-16 geschafft haben, unbemerkt in den syrischen Luftraum einzudringen und diesen zu durchfliegen, obwohl die syrische Luftabwehr mit moderner russischer Waffentechnik ausgestattet ist. Syrien hatte behauptet, die Luftabwehr habe auf israelische Flugzeuge geschossen, aber diese wurden offenbar nicht getroffen, falls die Behauptung zutrifft. US-Offiziere wollen die Antwort wissen, wie sie der Zeitung Aviation Week erzählt haben, was aber freilich auch eine Art der psychologischen Kriegsführung sein könnte, wie sie insbesondere im Nahen Osten gang und gäbe ist. Möglicherweise steht auch Werbung für amerikanische Waffentechnik dahinter.

TOR-M1-Flugabwehrsystem. Bild: Ria Nowosti

Eine mysteriöse Hackerwaffe zum unbemerkten Eindringen in Computernetze

Angeblich seien nämlich die Kampfflugzeuge mit einem von dem Rüstungskonzern BAE entwickelten System namens "Suter" ausgerüstet gewesen, mit dem sich Angriffe auf Computernetzwerke ausführen lassen. Damit könne man nicht nur in diese eindringen, sondern auch in der Lage sein, die Steuerung zu übernehmen. Das US-Militär habe das System in Drohnen eingebaut und es letztes Jahr in Afghanistan und im Irak getestet. Mit Suter-Programmen könne man angeblich, "in spezielle Algorithmen eingebettete Datenströme in Kommunikationsnetzwerke" - beispielsweise über zuerst lokalisierte Antennen, die zu diesen gehören - eindringen lassen, ohne dass sie entdeckt würden. Mit dieser Art von heimlicher "Online-Durchsuchung" ließe sich also nicht nur beobachten, was die Sensoren eines Netzwerks erfassen, sondern man könnte sie beispielsweise durch Übernahme der Funktion eines Systemadministrators täuschen oder so ausrichten, dass sie eindringende Flugzeuge nicht entdecken.

Ausgetrickst wurden, wie die Spekulationen lauten, die Radaranlagen russischer TOR-M1-Luftabwehrsysteme, die Dutzende von feindlichen Zielen orten und gleichzeitig auf zwei Ziele bis zu einer Höhe von 10 km Raketen feuern können. Diese Luftabwehrsysteme sind von Russland sowohl an Syrien als auch an den Iran verkauft worden. Der Iran hat 29 der Systeme für 750 Millionen US-Dollar von Russland erworben, Syrien soll nach Aviation Week zwei besitzen. Nach Angaben der britischen Times soll Russland nach dem Luftangriff Techniker nach Syrien geschickt haben, um das Luftabwehrsystem zu verbessern, das durch Signale von den israelischen Flugzeugen lahm gelegt worden sei. Angeblich sei das russische System in Syrien das erste Mal benutzt worden. Auch Iran habe sich über das Versagen der russischen Systeme besorgt gezeigt, da mit diesen die iranischen Atomanlagen vor möglichen israelischen oder amerikanischen Angriffen geschützt werden sollen und das Land plane, weitere zu kaufen. Venezuela beispielsweise beabsichtigt ebenfalls, zur Abwehr möglicher Angriffe TOR-M1-Systeme zu kaufen.

Griechenland hat schon vor einigen Jahren TOR-M1-Systeme von Russland gekauft. Vermutlich sind die technischen Details der Systeme, schließlich ist Griechenland Mitglied der Nato, auch den Amerikanern bekannt, so dass es nicht sehr verwunderlich wäre, wenn ein von den Israelis verwendetes System wie "Suter" das russische Radar stören oder lahm legen kann. Für Russland wäre es allerdings sowohl wirtschaftlich wie militärisch nachteilig, wenn dies tatsächlich zutrifft, zumal russische Staatsmedien berichtet hatten, die an Iran gelieferten TOR-M1-Systeme seien erfolgreich getestet worden. Das Land rüstet derzeit massiv auf, versucht zu demonstrieren, mit den USA waffentechnisch auf derselben Höhe zu stehen, und ist nach den USA und vor Deutschland der weltweit größte Waffenexporteur.

Luft- und Raketenabwehrsysteme sind begehrte Ware, besonders auch für den Nahen Osten. Es stehen Geschäfte von vielen Milliarden Euro auf dem Spiel. Ebenso interessant sind natürlich Waffen und Systeme, um diese auszutricksen oder zu überwinden. Sollte Syrien also tatsächlich neue Versionen der TOR-M1-Systeme besitzen, die von der israelischen Luftwaffe dank amerikanischer Technik manipuliert werden konnten, dann war für den Angriff womöglich gar nicht das Ziel primär, sondern die Demonstration gegenüber Syrien und den Iran, aber auch gegenüber Russland, ungehindert in den Luftraum eindringen und die russischen Systeme ausschalten zu können. Für die Israelis war es ein Test und eine Warnung an den Iran, für die Amerikaner ein Beweis für die technische Überlegenheit und damit ein Ausstechen des Konkurrenten auf dem Rüstungsmarkt, aber auch vielleicht eine Möglichkeit, dem Drängen der Israelis nachzugeben, gegen Syrien (und Iran) militärische Stärke zu zeigen, aber gleichzeitig sicherzustellen, dass der internationale Aufschrei durch möglichst weitgehende Geheimhaltung der Aktion klein gehalten wird.