Kuba: Das Ende der Sonderstellung im Internet

Kubas Verbindung mit dem weltweiten Datennetz leidet unter den Beschränkungen des US-Embargos. Die geplante Glasfaserverbindung mit Venezuela könnte das radikal ändern und die Regierung in Havanna zu einer Neuausrichtung ihrer Internetpolitik zwingen

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Ende Januar dieses Jahres vereinbarten [1] der kubanische Vizepräsident Carlos Lage und der venezolanische Staatschef Hugo Chávez in Caracas eine 1552 km lange unterseeische Glasfaserverbindung zwischen der venezolanischen Hafenstadt La Guaira und dem Ort Siboney im Osten Kubas (Netzwerke gegen US-Einfluss). Die Bauarbeiten sollten bereits drei Monate später beginnen, doch nach einem venezolanischen Pressebericht vom 28. September musste dieser Termin deutlich nach hinten korrigiert werden. Gegenüber der Nachrichtenagentur ABN erklärte Julio Durán, Präsident der Telecom Venezuela, dass „es die Idee ist, erst einmal eine Firma zu gründen und dass dann etwa 18 Monate später die Glasfaserverbindung fertiggestellt würde". Diese Firma, eine Kooperation zwischen der kubanischen Transbit und der Telecom Venezuela, soll noch Ende diese Jahres ihre Arbeit aufnehmen und das ehrgeizige Projekt zur zweiten Hälfte des Jahres 2009 zum Abschluss bringen. Zur Zeit laufen nach Angaben von Durán Verhandlungen mit chinesischen Unternehmen, die das Unterseekabel für das venezolanisch-kubanische Gemeinschaftsprojekt produzieren sollen.

Die Republik Kuba ist erst seit Oktober 1996 über eine langsame und teure Satelitenverbindung dauerhaft mit dem Internet verbunden. Zwar verlaufen vor der Küste Kubas mehrere Unterseekabel des Americas Region Caribbean Optical-Ring System (Arcos), das die Internetnutzer in den Vereinigten Staaten, Mexiko, Zentralamerika, Südamerika und der Karibik mit schnellen Breitband-Zugängen versorgt, doch der sozialistische Inselstaat bleibt hierbei außen vor. Größter Anteilseigner des Arcos-Systems ist mit 88,2 % die US-amerikanische Firma New World Network, die im Falle einer Anbindung Kubas gegen das seit Juli 1960 bestehende US-Handelsembargos verstoßen würde und mit Sanktionen durch die Regierung in Washington zu rechnen hätte.

Dass die Karibikinsel überhaupt mit dem weltweiten Datennetz verbunden ist, verdankt sie ausgerechnet einer Klausel in dem sogenannten Torricelli-Act von 1992, einem Gesetz zur „Demokratisierung der kubanischen Gesellschaft“, das den Sturz der Regierung Fidel Castros durch eine vollständige Lähmung der kubanischen Ökonomie als Folge einer Verschärfung der Blockade-Politik der USA zum Ziel hatte. Obwohl auch vier Jahre später in Havanna immer noch die Kommunistische Partei Kubas (PCC) regierte, ermöglichte die US-Regierung Kuba eine Satellitenverbindung mit einer Downloadgeschwindigkeit von 124 MB/s und einem Upload von 65 MB/s – ein vermeindliches Zugeständnis, das Bert Hoffmann vom Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin damit erklärt, dass „die US-Regierung verstärkt Kommunikationskanäle zu Agenten der Demokratisierung Kubas, sprich: dem Sturz der amtierenden Regierung, erklärten und damit die Internetnutzung explizit in den Kontext des Kalten Krieges zwischen USA und Kuba stellten".

Marode Infrastruktur

Nach Angaben der International Telecommunication Union (ITU) verfügen von hundert Kubanern nur 2,13 über einen Internetanschluss, 3,35 über einen eigenen Computer und nur 8,61 über einen Festnetzanschluss. Joint Ventures wie das italienisch-kubanische ETECSA versuchen zwar, das Telefonnetz der Insel schrittweise zu modernisieren und digitalisieren, doch im lateinamerikanischen Vergleich landet Kuba mit diesen Zahlen abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Aufgrund dieser strukturellen Probleme und der durch das US-Embargo erzwungenen schmalbandigen Internetanbindung überrascht es nicht, dass in Kuba mindestens 90% aller Computer von mehr als einer Person genutzt werden und bei der Verteilung der knappen Online-Ressourcen bewusst die Universitäten, Schulen, Kultureinrichtungen, Gesundheitszentren, offiziellen Medien und die über 600 Jugend-Computer-Clubs den Privathaushalten vorgezogen werden. Dies ermöglicht täglich fast zwei Millonen Kindern und Jugendlichen die – kollektive – Computernutzung in den staatlichen Schulen und gab bereits mehr als einer Million Kubanern aller Altersstufen die Gelegenheit, sich kostenlos in einem der Jugend-Computer-Clubs in die Bedienung eines PCs einweisen zu lassen [6]. Auch der 1994 mit Hilfe der UNESCO installierte Backbone, der allen kubanischen Ärzte – sofern sie über einen Computer verfügen – den Versand von E-Mails und den Zugriff auf das landesweite Infomed-Netzwerk erlaubt, ist heute fest in das System der digitalen Mangelverwaltung eingebunden und untersteht der Kontrolle der kubanischen Regierung.

Internet „Light“

Von den insgesamt 3,5 Millionen Kubanern, die an ihrem Arbeitsplatz oder in einer öffentlichen Einrichtung Zugang zu einem Computer haben, können sich nach kubanischen Angaben ca. 27% direkt mit dem Internet verbinden. Die Mehrzahl der Nutzer muss sich jedoch mit dem kubanischen Intranet begnügen, das über einen .CU-Account zwar den Versand von E-Mails in das In- und Ausland gestattet, dessen Inhalt aber auf die Seiten offizieller Institutionen und Medien, ausgewählter Unternehmen und einiger Universitäten beschränkt ist.

Kubaner, die sich an ihrem Arbeitsplatz in das Internet einwählen, müssen in der Regel auf Seiten wie YouTube oder MySpace verzichten. Statt Google erwartet sie die Beta-Version von 2x3, Kubas erster eigener Suchmaschine, die auf dem Datenbestand von 150.000 offiziellen Webseiten basiert und über eine spezielle Suchfunktion für die Reden Fidel Castros verfügt. Solche Einschränkungen gelten nicht für kubanische Funktionäre, Wissenschaftler und Führungskräfte von Devisen erwirtschaftenden Unternehmen, die ebenso wie Angehörige ausländischer Botschaften und Firmen oder die Gäste der Luxushotels über einen unbegrenzten Zugriff auf das WWW verfügen.

Kubaner, die nicht zu diesem privilegierten Personenkreis gehören und wie die große Mehrzahl der Bevölkerung weder über einen eigenen Telefonanschluss noch über einen der raren privaten Internetanschlüsse verfügen, haben die Möglichkeit in den Correos de Cuba genannten Internet-Cafes durch das Web zu surfen. Die Tarife sind, gemessen an dem durchschnittlichen Monatslohn von etwa 12 Euro, mit ca. vier Euro pro Stunde extrem hoch und selbst für den nationalen Service, den Zugriff auf das kubanische Intranet, werden noch 1,20 Euro pro Stunde berechnet.

Doppelter Maßstab

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF), die Kuba seit Jahren in ihrer Liste der „Feinde des Internet“ führt, musste bei verdeckten Recherchen auf der Karibikinsel erstaunt feststellen, dass „man in den Correos de Cuba und den Hotels praktisch Zugang zu allen News-Webseiten wie lemonde.fr, bbc.com, El Nuevo Harald (eine in Miami erscheinende, spanisch-sprachige Tageszeitung) und sogar den Seiten von Dissidenten hat“. Weiterhin berichtet RSF , dass die „kubanische Polizei auf allen Computern in Internet-Cafes und großen Hotels eine Software installiert hat, die eine Warnmeldung auslöst, wenn „subversive“ Schlüsselworte bemerkt werden.“ Anschließend würde die Anwendung, meist eine Textverarbeitung oder ein Browser, automatisch geschlossen. Nach Angaben der in Paris ansässigen Organisation kann in Kuba bereits das Schreiben „einiger konterrevolutionärer Artikel für fremde Webseiten“ eine zwanzigjährige Gefängnisstrafe nach sich ziehen, und wer sich illegal mit dem Internet verbinde müsse mit fünf Jahren Gefängnis rechnen.

Kritiker der RSF zweifeln den Wahrheitsgehalt solcher Aussagen an und werfen der Journalistenvereinigung vor sich bei der Beurteilung Kubas nicht strikt neutral zu verhalten. Bestärkt werden solche Bedenken durch Berichte über finanzielle Zuwendungen der umstrittenen, dem US-Außenministerium unterstehenden National Endowment for Democracy (NED) an die RSF. Deren Chef, Robert Ménard, räumte diese Zahlungen auch freimütig ein, betonte aber zugleich, „dass ihm das keine Probleme bereite“.

Hinsichtlich der Vorwürfe an die kubanische Regierung, das Internet zu zensieren, kommt die von den Universitäten Harvard, Cambridge, Oxford und Toronto getragene Stiftung OpenNet Iniciative (ONI) zu einer ähnlichen Bewertung wie die RSF und konstatiert, dass „mit Ausnahme Kubas die systematische technische Filterung des Internets in Lateinamerika Einzug gehalten hat.“ Die ONI kritisiert jedoch die hohen Online-Kosten Kubas sowie die Restriktionen beim Erwerb eines privaten Computers und bezeichnet „physische, legale und ökonomische Hindernisse beim Zugriff auf das Internet als die signifikanteste Form der Regierungskontrolle in Kuba".

Internet für Alle?

Fidel Castros Mahnung an die Intellektuellen aus dem Jahr 1961: „Innerhalb der Revolution alles, gegen die Revolution nichts!“ bleibt auch im heutigen Kuba weiterhin gültig. Amnesty International spricht von 72 politischen Gefangenen, die zum Teil bis zu 26-jährige Haftstrafen verbüßen müssen, und wirft der kubanischen Regierung vor, das Recht auf freie Meinunsäußerung und die Bildung einer legalen Opposition zu unterdrücken. International für Schlagzeilen sorgte im letzten Jahr der Fall des Journalisten und Psychologen Guillermo Fariñas Hernández, Gründer der alternativen Nachrichtenagentur Cubanacán Press, die im Internet ein Bild der kubanischen Realität präsentierte, das deutlich von der offiziell verbreiteten Version abwich. Als die Regierung ihm und seinen Mitarbeitern den Zugang zu ihrer Webseite versperrte, trat Guillermo Fariñas Hernández von Februar bis Ende August in einen Hungerstreik um für „einen freien Internetzugang für alle Kubaner“ zu demonstrieren.

Sollte die geplante Glasfaserverbindung mit einer Downloadgeschwindigkeit von 180GB/s zwischen Kuba und Venezuela Mitte 2009 wirklich fertiggestellt werden, stünden der Forderung des kubanischen Oppositionellen zumindest in technischer Hinsicht keine Hindernisse mehr im Wege. Kuba würde innerhalb kürzester Zeit in der Lage sein, seinen Bürgern flächendeckend schnelle und direkte Verbindungen mit dem Internet zu ermöglichen, und durch die Nutzung der VoIP-Technologie würden sich die Kosten für Telefongespräche mit den vorwiegend in Florida lebenden Auslandskubanern drastisch reduzieren. Ob die kubanische Führung dazu bereit sein wird, bleibt eine andere – offene - Frage.

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