Mit Sicherheit gefährlich

Sind die Angestellten der privaten Sicherheitsunternehmen möglicherweise "ungesetzliche Kombattanten" wie die Insassen von Guantanamo?

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Erik Prince, Chef der amerikanischen Sicherheitsfirma Blackwater bleibt dabei: Seine Angestellten haben am 16.September angemessen reagiert (vgl. Wiedergänger der Prätorianer?). Dessen ungeachtet bleibt die Schießerei für die – unschuldig - Beteiligten ein Albtraum, demgegenüber sich die Sätze, mit denen sie den Verlust ihrer Kinder und das Niederschießen von verzweifelten Autofahrern beklagen, beinahe unangemessen nüchtern lesen. Die Beweislage ist schwierig: US-Militärs fanden bei ihren Untersuchungen der Schießerei keine beweisträchtigen Spuren von jenem feindlichen Gewehrfeuer, auf das die Angestellten der Sicherheitsfirma nach eigenen Angaben reagierten. Schon zuvor waren irakische Ermittlungsbehörden zum gleichen Ergebnis gekommen. Doch der Blackwater-Chef Prince behauptet fest: "Es gab definitiv Gewehrfeuer von Aufständischen".

Ist das nun ein besonders loyaler Chef, kann sich Blackwater das Eingeständnis solcher mörderischen Fehler einfach nicht erlauben oder stimmt gar, was Prince gegen alle bisherige Evidenz behauptet?

Angenommen es stimmt, und die Angestellten der Sicherheitsfirma reagierten tatsächlich auf Gewehrfeuer (was nach Angaben des US-Miltär nicht sehr wahrscheinlich ist, da am Ort des Geschehens keine Patronenhülsen gefunden wurden, die zu Waffen passen, die irakische Sicherheitskräfte oder Guerillas verwenden) – damit wäre das Beunruhigende dieses Vorfalls längst nicht aus der Welt.

"Das volle Spektrum"

Es geht nicht nur darum, was die Aktionen der Blackwater-Amokschützen in Gang setzte, sondern es geht Wochen nach der Schießerei auch darum, wie man sich zu diesem brutalen Ereignis stellt. Es geht auch um das Selbstverständnis des Unternehmens. Und es ist sehr beunruhigend, wenn der Gründer und Chef nach einer derartigen Aktion, die 17 nachweislich unschuldige Menschen durch wildes Herumballern getötet hat, gegenüber dem Sender CNN zu Protokoll gibt, dass seine Angestellten nur ihren Job erledigen und versuchen, "möglichst keinen Ärger zu machen."

Prince scheint sich wegen des Vorfalls am Bagdader Nisur Platz und der angedrohten Konsequenzen, dem permanenten Entzug der Arbeitserlaubnis im Irak, keine größeren Sorgen zu machen; er blickt, wie das Wall Street Journal gestern berichtete, zuversichtlich in die Zukunft von Blackwater. Das Geschäft mit der Angst boomt und Prince visiert demnach weit über die Bewacher-Tätigkeiten seines Unternehmens hinaus. Blackwater soll nach dem Ehrgeiz ihres Gründers die politische Strömung nutzen, " die alle möglichen Arten von Government Security privatisiert":

The company wants to be a one-stop shop for the U.S. government on missions to which it won't commit American forces. This is a niche with few established competitors, but it is drawing more and more interest from big military firms.

Der Markt für Sicherheitsdienstleistungen schrumpfe seinen Beobachtung nach, so Prince, weswegen man mehr auf das "volle Spektrum" ziele und das reiche von "humanitärer Hilfe" nach Naturkatastrophen (vergleiche die Arbeit von Blackwater in New Orleans) bis hin zur Logistik von schwerem Gerät und Nachschub. Expandieren wolle man auch in der Herstellung von Kriegsmaterial, im Angebot sei bereits ein Panzerfahrzeug namens Grizzly.

Sind die Privaten „ungesetzliche Kombattanten“?

Der 16.September hat einige Schatten auf Blackwater geworfen. Und das zeigt auch in den USA Wirkung: Man unternimmt Schritte, die amerikanische Gesetzgebung dahingehend zu ändern, dass Angestellte von privaten Sicherheitsfirmen bei entsprechenden Vergehen juristisch unter das amerikanische Strafrecht fallen (juristische Weichen zur Ahndung von Vergehen seitens der private Contractors sind bereits Anfang des Jahres gestellt worden – vgl. Disziplinierung der Militärfirmen?). Doch trotz allem bleiben nach Meinung von Kritikern noch immer große gesetzliche Lücken. Die Chancen, dass Private Contractors, die in grob fahrlässiger Weise getötet haben, straffrei ausgehen, bleiben damit auch gewahrt.

Allerdings mussten US-Vertreter beim genaueren Studium des Blackwater-Zwischenfalles und der potentiellen rechtlichen Konsequenzen Verstörendes feststellen – nämlich dass auf die Sicherheitsfirmen unter Heranziehung internationaler Abkommen ein berüchtigtes Label angewendet werden könnte, mit dem die US-Regierung Guantanamo rechtfertigt: das der "ungesetzlichen Kombattanten", bzw. der „unrechtmäßigen Kämpfer“.

Freilich sind sich die Juristen aus den verschiedenen Ministerien – Außen, Verteidigung und Justiz - nicht einig; schon innerhalb des Pentagon soll es laut Los Angeles Times größere Unstimmigkeiten über den Status der Privaten geben:

But there is debate among those studying the question. Lawyers at the Justice Department are skeptical that the contractors could be considered unlawful combatants, but some in the State and Defense departments think the contractors in Iraq could be vulnerable to claims that their actions make them unlawful combatants.

Feindliche Absicht

Entscheidender Streitpunkt auch unter nicht-staatlichen Fachleuten: Wann wird die Schwelle zwischen erlaubter Verteidigung und unerlaubter Aggression deutlich überschritten? Wann verläßt der Angestellte einer Sicherheitsfirma den (schlecht definierten) legalen Bereich? Wie aber ist die rechtliche Lage, wenn sie nach den Worten eines Pentagon-Vertreters „feindliche Absicht“ ("hostile intent") entdecken, dürfen sie dann präventiv Salven in eine belebte Verkehrskreuzung feuern? Oder ist das eine feindliche Aktion gegen irakische Zivilisten?

U.S. officials have described many of the suspected Al Qaeda and Taliban affiliates it holds at Guantanamo Bay as unlawful combatants either for taking part in hostilities against the United States or by supporting the hostilities while not part of a nation's military. By that standard, some of the private guards in Iraq and Afghanistan also could be seen as unlawful combatants, particularly if they have taken offensive action against unarmed civilians, experts said.

Wahrnehmungschwierigkeiten

All solchen düsteren Diskussionen über den Einsatz seiner Mitarbeiter zum Trotz, der Blackwater-Chef Erik Prince verfügt, wie ihm nachgesagt wird, über sehr gute Beziehungen: Seine Firma gehört auch nach den Vorfällen zum exklusiven Kreis einer Vertragsvergabe, die im Rahmen eines 15 Milliarden Dollar schweren Budgets angesiedelt ist. Es geht um den Kampf gegen Terroristen mit Verbindungen zum Drogengeschäft.

Wie der Independent am Sonntag meldete, erwartet Afghanistan einen größeren Schub von private Contractors. Ob das mit dem oben genannte Vertragspaket zu tun hat, geht aus dem Bericht nicht hervor, aber eine interessante Zahl: Demnach verdienen die Sicherheitsdienstleister 1 Million Dollar pro Jahr für den Schutz eines Angestellten einer Sicherheitsfirma.

Paradoxerweise scheinen die Bewacher ihre Schützlinge jedoch einer Gefahr auszusetzen, denn die Bevölkerung ist laut Independent auf die privaten Firmen oft nicht gut zu sprechen – wodurch wiederum genau jene Aufbauhelfer gefährdet werden, welche die privaten Sicherheitskräfte eigentlich schützen sollen. Je mehr private Angestellte auf Kriegschauplätzen mitmischen, desto schwieriger wird die Wahrnehmung der Differenz zwischen Soldaten und Zivilisten. Man kennt das auch von der anderen Seite. Für die echten Zivilisten bedeutet das in jedem Fall nichts Gutes.