Einwanderer sind leistungswilliger und fördern das Wirtschaftswachstum

Eine deutsche und eine britische Studie über die Migrantenmilieus und die wirtschaftlichen Folgen der Einwanderung widerlegen erneut gerne gehegte Vorurteile

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Studien zu Einwanderern in Deutschland und Großbritannien haben gerne gehegte, von Rechten instrumentalisierte Vorurteile widerlegt. Menschen würden nur kommen, um hier die sozialen Sicherungssysteme auszubeuten und nichts zu arbeiten oder aber den Deutschen die Arbeit wegzunehmen. Sie würden auf Kosten der Deutschen leben, schaffen das Geld ins Ausland und seien krimineller.

In Deutschland gibt es nach der Sinus-Studie 15,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund und Wohnsitz in Deutschland (47% mit ausländischer Staatsangehörigkeit), das sind 19 Prozent der Wohnbevölkerung. Die Studie hält fest, dass die Herkunftskultur der Migranten nicht ihre Milieuzugehörigkeit bestimmt und dass der Einfluss religiöser Traditionen oft überschätzt werde.

Unterschieden werden in der Studie acht Milieus:

  1. Religiös-verwurzeltes Milieu mit "archaischen", auf den Familienverband ausgerichteten Wertvorstellungen, unteres Einkommen, Wunsch nach Rückkehr in die Heimat
  2. Traditionelles Gastarbeitermilieu, in dem der Traum von einer Rückkehr ins Heimatland aufgegeben wurde, traditioneller Arbeitsethos, materielle gesichert, aber unteres Einkommen, defizitär integriert, aber häufig älter und 1. Generation der Einwanderer
  3. Entwurzeltes Milieu, stark materialistisch geprägt, aber ohne Integrationsperspektive, geringe Bildung, einfache Berufe, unteres Einkommen, oft angewiesen auf staatliche Hilfe, fehlende Sprachkenntnisse, starke Abgrenzung zu anderen Gruppen
  4. Statusorientiertes Milieu, Wunsch nach sozialem , materiellem und beruflichem Aufstieg, 1. und 2. Generation, mittleres Einkommen, Wunsch nach Integration
  5. Intellektuell-kosmopolitisches Milieu, Streben nach Selbstverwirklichung, Toleranz, aber mit elitären Zügen, hohe Bildung, mittleres Einkommen, schnelle und aktive Integration
  6. Adaptives Integrationsmilieu, pragmatisch, Streben nach Sicherheit, individuelle Selbstbestimmung, mittlere Bildung, mittleres Einkommen, Wunsch nach schneller Integration
  7. Multikulturelles Performermilieu, jung, flexibel, leistungsorientiert, aufgeschlossen, höhere Bildung, mittlere bis gehobene Einkommen (die meisten beginnen erst ihre Karriere), schnelle Integration, Selbstverständnis als Weltbürger und oft bi-kulturelle Identität
  8. Hedonistisch-subkulturelles Milieu: "Die unangepasste zweite Generation mit defizitärer Identität und Perspektive, die Spaß haben will und sich den Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft verweigert." Jung, mittlere bis gehobene Bildung, meist noch in Ausbildung oder in prekären Arbeitsverhältnissen, meist kein eigenes Einkommen. 2. Generation, Sprachkenntnisse, Identifizierung nicht mit Mehrheitskultur, sondern mit Subkulturen, Ambivalenz, oft Ausgrenzungserfahrungen

Da es sich um eine qualitative Studie handelt, ist nicht klar, wie groß die Milieus, in die man die Menschen mit Migrationshintergrund eingeteilt hat, eigentlich sind, also welche dominieren. Zur Aufteilung mag man auch stehen wie man will, sie zeigt aber doch, dass es wohl kein allgemeines Migrationsmilieu gibt, und sie zeigt auch, dass der Integrationsgrad und die Integrationsbereitschaft vor allem mit dem Bildungsniveau zu tun hat, also just damit, wo das deutsche Bildungssystem bislang versagt hat und so die Integrationsschwierigkeiten fahrlässig mit gefördert hat. Die Angst vor Überfremdung, die derzeit beim Antiislamismus ihre Blüten treibt, wird von der Sinus-Studie nicht unterstützt, ganz im Gegenteil. Das Fazit der Studie, nach der sich die große Mehrheit um Integration bemüht:

Die meisten Migranten-Milieus sind – jeweils auf ihre Weise – um Integration bemüht und verstehen sich als Angehörige der multikulturellen deutschen Gesellschaft. Bei drei der acht Milieus erkennen wir starke Assimilationstendenzen (Statusorientiertes Milieu, Adaptives Integrationsmilieu, Multikulturelles Performermilieu). Bei drei anderen Milieus finden sich zum Teil Haltungen einer – aktiven oder passiven – Integrationsverweigerung (Religiös-verwurzeltes Milieu, Entwurzeltes Milieu, Hedonistisch-subkulturelles Milieu).

Zudem heißt es, was die ausländer- bzw. migrantenfeindlichen Vorurteile in einem anderen Licht darstellt:

Die Bereitschaft zu Leistung und Anpassung ist nicht nur im Adaptiven Integrationsmilieu und im Multikulturellen Performermilieu sehr ausgeprägt, sondern in der Migrantenpopulation insgesamt stärker als in der autochthonen deutschen Bevölkerung.

Höhere Löhne, besser Ausbildung, mehr Steuern …

Bestätigt werden manche der Schlussfolgerungen von einer Studie über die wirtschaftlichen und steuerlichen Folgen der Immigration, die vom britischen Innenministeriums in Auftrag gegeben wurde. Auch hier werden die ausländerfeindlichen Vorurteile gründlich widerlegt. Das Problem ist nicht, dass Migranten nicht arbeiten wollen und dem Staat auf der Tasche liegen, sondern dass sie oft leistungsbereiter sind als die heimische Bevölkerung und daher auch oft mehr verdient. Ist der von Rechten ausgebrütete Ausländerhass womöglich ein Neidphänomen?

In Großbritannien haben zwischen 2005 und 2006 385.000 Menschen das Land verlassen, während 574.000 zugezogen sind. Geschätzt wird, dass man langfristig jährlich mit einer Einwanderung von etwa 145.000 Menschen rechnen müsse. Nach Schätzungen aus dem 2002 tragen Migranten 10 Prozent zu den steuerlichen Einnahmen bei, während sie 9,1 Prozent von staatlichen Förderungen in Anspruch nehmen. Dass Migranten in diesem Sinne mehr für den Staat leisten als der Rest der Bevölkerung liegt auch daran, dass der Anteil der Alten geringer und der der Arbeitsfähigen größer ist. Obgleich der Anteil der Arbeitslosen damals höher lag, waren mehr Einwanderer in besser bezahlten Jobs beschäftigt als der Rest der Arbeitsbevölkerung.

Einwanderung wird für 17 Prozent des Wirtschaftswachstums in den Jahren 2004 und 2005 verantwortlich gemacht. Zwischen 2001 und 2006 sollen Einwanderer der britischen Wirtschaft über 8,5 Milliarden Euro an Wachstum erbracht haben. In diesen Jahren stieg die Jahresproduktion um durchschnittlich 2,7 Prozent, der Anteil der Einwanderer daran lag bei 15-20 Prozent. 2006 lag der Anteil der ausländischen Arbeitnehmer in Großbritannien bei 12,5 Prozent. Deren wöchentlicher Durchschnittsverdient liegt bei mehr als 600 Euro, der von britischen Arbeitnehmern liegt mit 560 Euro darunter, weswegen sie auch weniger Steuern zahlen. Zudem sind die Einwanderer durchschnittlich besser ausgebildet als die einheimische Bevölkerung.

Die Auswirkung der Einwanderer auf das Bruttosozialprodukt pro Kopf ließe sich nicht erfassen, der Bericht geht aber davon aus, dass angesichts der höheren Löhne und der indirekt geförderten Produktivität, das Bruttosozialprodukt wachsen müsse. Während des Anstiegs der Zuwanderung seit 1997 ist die Zahl der Arbeitslosen und der Arbeitslosenhilfeempfänger gesunken. Festgestellt wird aber auch hier, dass Sprachkenntnisse erheblich dazu beitragen, Arbeit zu finden und höhere Löhne zu erzielen. Ein Mangel beider Studien ist freilich, dass die Folgen der nicht legalen Einwanderung nicht erfasst werden. Natürlich liegen dazu keine verlässlichen Zahlen vor. So heißt es im Bericht nur lapidar, dass die Arbeitgeber nicht den Mindestlohn zahlen, die Arbeitnehmer keinen sozialen Schutz genießen und damit den Arbeitsmarkt beeinträchtigen. Allerdings würden sie in aller Regel auch dreckige, gefährlich und niedrig bezahlte Jobs annehmen, die legale Einwohner möglichst nicht machen wollen.