Grünes Licht für Online-Spione

Als erstes EU-Land will Österreich Online-Durchsuchungen legitimieren

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Überraschend schnell einigten sich Konservative und Sozialdemokraten über Online-Durchsuchungen. Bereits ab Herbst 2008 soll die Exekutive im Verdachtsfall mit Hilfe von Trojanern auf Computer zugreifen können. Zuvor müssten aber erst noch die technischen Möglichkeiten abgeklärt werden. Kritiker der Online-Durchsuchung halten diese für ein unwirksames Mittel. Sie gehen davon aus, dass sich Terroristen und Kriminelle mit Firewalls u.ä. zu schützen wissen. Anders als in Deutschland befürwortet die österreichische Justizministerin allerdings eine gesetzliche Regelung zur Online-Durchsuchung und trug damit maßgeblich zur schnellen Einigung der Regierungsparteien bei.

Österreich ist anders. Während hierzulande die Online-Durchsuchung seit Monaten für breite Diskussionen sorgt, blieb der öffentliche Aufschrei in der Alpenrepublik bisher aus. Der österreichische Innenminister Günther Platter hatte zu Sommerbeginn einmal kurz laut über die Möglichkeit von Behördentrojanern nachgedacht, was von der Öffentlichkeit aber kaum wahrgenommen wurde. Erst als im September ein mutmaßlicher Al-Quaida-Propagandist in Wien festgenommen wurde, blitzte das Thema in den Medien wieder auf.

Umso überraschender kam Dienstagabend die Meldung, dass sich die beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP auf die Online-Durchsuchung geeinigt hätten. Nach Rasterfahndung und großem Lauschangriff soll die Exekutive demnach in Zukunft auch die Möglichkeit erhalten, mit Trojanern auf Computer zuzugreifen und Rechner zu durchsuchen. Die rasche Einigung des Innen- und Justizministeriums hat wesentlich mit der Haltung der österreichischen Justizministerin Maria Berger von den Sozialdemokraten zu tun. Sie hatte bereits vor einigen Wochen grundsätzlich Zustimmung signalisiert.

Dabei steht die Ministerin nicht in dem Verdacht, unter unverhältnismäßigem Kontrollzwang oder sonstigen ungesunden Schnüffelambitionen zu leiden. Ihr dürfte es vielmehr ein Anliegen gewesen sein, eine rechtliche Basis zu schaffen und „wilde Zugriffe“ zu verhindern. So soll ebenso wie beim großen Lauschangriff ein Zugriff nur mit richterlicher Genehmigung erlaubt werden. Außerdem werde Bergers Vorstellungen entsprechend die Online-Durchsuchung nicht ins Sicherheitspolizeigesetz aufgenommen sondern über die Strafprozessordnung geregelt, heißt es.

Auch soll die Online-Durchsuchung nur bei Verdacht auf schwere Verbrechen oder solche mit terroristischem Hintergrund, für die ein Strafrahmen von mindestens zehn Jahre Freiheitsstrafe vorgesehen ist, erlaubt werden. Es muss ein konkreter Tatverdacht vorliegen und die Durchsuchung darf nur mit richterlicher Genehmigung und durch einen Staatsanwalt angeordnet werden. Ein Rechtsschutzbeauftragter soll die Korrektheit der Vorgänge überwachen.

Justizministerin Berger rechnet damit, dass die Online-Durchsuchung äußerst selten, vielleicht ein bis zwei Mal im Jahr, eingesetzt werden wird. Dass die neuen Möglichkeiten der Überwachung sehr, sehr selten angewandt werden hätte sich bereits beim großen Lauschangriff gezeigt, argumentiert die Ministerin. „Die Strafverfolgungsbehörden haben bewiesen, dass sie von neuen Überwachungsmöglichkeiten in einem zurückhaltenden und verhältnismäßigen Umfang Gebrauch machen“, werden die Ressortverantwortlichen vom österreichischen Rundfunk zitiert. Platter rechnet mit einem Einsatz ab Herbst 2008. Zuvor müssten aber noch technische und rechtliche Details geklärt werden, so der Innenminister.

Kritische Datenschützer wie beispielsweise Hans Zeger von der Arge Daten sehen die Sache differenziert. Begrüßt wird, dass der Zugriff nur mit richterlichem Beschluss und nur bei konkretem Tatverdacht erfolgen darf. Allerdings gibt es große Skepsis hinsichtlich der Wirksamkeit. Für Zeger ist die Billigung der Online-Durchsuchung ein rein populistischer Akt. Zur Bekämpfung von Kriminalität oder Terrorismus hält er sie aber für ein „nahezu unwirksames Mittel“. Gegenüber Telepolis legte Zeger bereits Mitte September seinen Standpunkt dar:

Derjenige, der etwas zu verbergen hat, wird sich zu schützen wissen. Die Kommunikation krimineller Netzwerke läuft längst über anonymisierte Rechner beziehungsweise über Zombie-Rechner, also gehackte Fremdrechner. Abgesehen davon kann Platter bestenfalls legal auf innerösterreichische Rechner zugreifen, wo eher wenig zu holen ist. Ich nehme nicht an, dass Platter 'chinesische' Verhältnisse vorschweben, also das Herumstöbern in fremden Behördenrechnern, wie das ja angeblich China bei den Deutschen gemacht hat. Abgesehen davon wird jeder IT-Betreiber es zu seinem Selbstverständnis zählen, derartige Angriffe abwehren zu können.

Kritik übte auch der österreichische Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk. Gegenüber der Tageszeitung „Die Presse“ sagte er, der „Lauschangriff“ auf den PC könnte sogar verfassungswidrig sein. Er warnte davor, „dass wir schon sehr, sehr nah dran am Überwachungsstaat sind.“ Die Online-Durchsuchung wäre ein weiterer Mosaikstein. Trojaner könnten nicht zwischen privaten und nichtprivaten Daten unterscheiden, erklärte Funk gegenüber der Presse. Es bestehe außerdem Gefahr, dass die Informationen in unerlaubter Weise weiter verwendet würden. Der Verfassungsjurist warnte vor einer „Büchse der Pandora“, die mit der Möglichkeit der Online-Durchsuchung geöffnet werden könne.