"Die erste Schlacht in den Kriegen der Zukunft geht um die Kontrolle des Cyberspace"

Die US-Luftwaffe sieht den Cyberspace als Erweiterung des Luft- und Weltraums an und erklärt das Cyberkommando zur wichtigsten Streitkraft

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Im Pentagon hat die Luftwaffe das Oberkommando zum Schutz des Cyberspace inne. Zu diesem Zweck ist man dabei, eine Abteilung für den Cyberspace einzurichten. Bislang ist dieses "Cyber Command" allerdings erst vorläufig besetzt. Auf einer Tagung der US-Luftwaffe in Washington, an der auch Luftwaffenoffiziere aus Großbritannien und Singapur teilnahmen, wurde die Bedeutung des Cyberspace für das Militär und damit auch dessen militärische Kontrolle wieder einmal mit großen rhetorischen Formeln hervorgehoben. General Robert Elder, Kommandant der 8th Air Force, der das "Cyber Command" zugeordnet ist, gab den Ton an: "Der Cyberspace wird zunehmend entscheidend und ist untrennbar von unserer nationalen Macht und unseren nationalen Interessen."

Aus dem Video der Air Force "Setting the Conditions for Victory"

Ziel der neuen Einheit sei die Sicherung der militärischen strategischen Überlegenheit im Cyberspace. Robert Elder machte zu anderer Gelegenheit auch klar, dass der Anspruch der Luftwaffe auf die Kontrolle des gesamten Cyberspace auch in den zivilen Bereich hineinreicht oder auch umfasst. Das würde vielleicht manche verwundern, aber das sei so ähnlich wie im Luftraum, wo man auch nicht erwarte, dass Delta oder United Airlines diesen als "Bereich der Kriegsführung" verstehen. Bislang gebe es im Cyberspace eine Reihe von sich überschneidenden Zuständigkeiten und rechtlichen Rahmen, die die Arbeit gelegentlich schwierig machen würden. Er nannte Strafverfolgung, Zuständigkeiten des Heimatschutzministeriums oder Aufklärung als solche problematischen Bereiche, die mit den Aufgaben des "Cyber Command" kollidieren. Zumindest müssten hier enge "Partnerschaften" entstehen, "um die Lücken zu schließen", was auch heißt, die Unterschiede zwischen Strafverfolgungsbehörden, Geheimdiensten und Militär sollen eingeebnet werden.

Der Gedanke sei auch falsch, versichert, dass Mitglieder der Luftwaffe nur in Kriegsgebieten wie dem Irak angegriffen werden könne. Auch die Luftwaffenstützpunkte in den USA stünden unter "permanentem Angriff aus der Cyberspace".

Auch wenn seit Jahren immer wieder dieselben rhetorischen Versatzstücke im Hinblick auf die militärische Bedeutung des virtuellen Raums auftauchen, mit denen innerhalb des Militärs um Macht und Ressourcen gekämpft wird, ist der unverblümte Anspruch auf Vorherrschaft der USA sowohl im Weltraum, der ebenfalls der Luftwaffe zugeordnet wurde, als auch im Cyberspace doch immer wieder erstaunlich.

Lani Kass, Direktorin der Cyberarbeitsgruppe der Luftwaffe, versuchte das noch einmal drastisch deutlich zu machen, indem sie ihr schon öfter geäußertes Mantra wiederholte: "Die erste Schlacht in den Kriegen der Zukunft wird um die Kontrolle des Cyberspace gehen." Und sie erklärte anschließend zudem, dass die Luftwaffe und hier das "Cyber Command" letztlich zu zur wichtigsten Streitkraft wird, weil alle anderen Verbände vom Cyberspace abhängen, um funktionsfähig zu sein:

Wenn wir nicht den Cyberspace beherrschen, können wir nicht die Luft, den Weltraum, das Land oder die See beherrschen.

Es geht also auch um eine Neuorganisation der Streitkräfte, um eine Transformation, durch die die "alten", auf den Boden oder das Wasser fixierten Bestandteile, also die Armee und die Marine, von der historisch noch jungen Abteilung der Luftwaffe noch einmal in ihrer strategischen Bedeutung überholt und herabgestuft werden, wenn die neuen Dimensionen des Weltraums und des Cyberspace dieser zugeschlagen werden.

Die Chinesen greifen im Video einen US-Satelliten an

Dass die Verteidigung des Weltraums und die (eventuelle) Entwicklung von Angriffskapazitäten der Luftwaffe zugeschlagen werden, ist verständlich, schließlich ist der Weltraum auch im Hinblick auf die Fortbewegung eine Erweiterung des Luftraums. Allerdings wäre der Cyberspace, gerade wenn er einen übergreifenden strategischen Informations- und Kommunikationsraum darstellt, eigentlich eher Anlass, eine neue Teilstreitkraft zu etablieren.

Dieser Entmachtung will die Luftwaffe offenbar zuvorkommen, was sie dank der Trägheit der militärischen Organisation offenbar auch bislang erreicht hat. So wird auch davon gesprochen, dass man ebenso wie durch den Luftraum auch durch den Cyberspace "fliegt". Gneral Elder: "Wir kämpfen und fliegen heute im Cyberspace."

Und ein recht verwegener Science-Fiction-Vorschlag für ein zu entwickelndes Super-Cyberspace-Fahrzeug hebt auch auf diese Verbindung zwischen der Bewegung im Luftraum und Cyberspace ab (Das ultimative Überwachungstool für Netzwerke). Interessanterweise wurde die Bewegung im Cyberspace bzw. im Web zuerst außerhalb des militärischen Bereichs als "Surfen" beschrieben, also als Steuern oder Navigieren eines Fahrzeugs - des Browsers – auf den Wellen eines Datenmeeres.

Das Cyber Command. Bild: Air Force

Kass griff denn auch zu einem Vergleich mit der Geschichte. Der Umgang mit dem Cyberspace heute sei vergleichbar mit der allmählichen Entdeckung der militärischen Möglichkeiten von Flugzeugen. Es habe Pionierleistungen erfordert, bis die Luftwaffe akzeptiert wurde. Mit dem Cyberspace, der nicht nur Computer einschließe, sondern alles von Satellitenkommunikation bis hin zu Mikrowellentechnologien, sei es ähnlich wie zu Beginn der Luftfahrt. Man müsse aber den Cyberspace kontrollieren, um "Freiheit vor dem Angriff und Freiheit für den Angriff zu besitzen". Im militärischen Jargon ist Waffengewalt mit kinetischer Energie verbunden, also vornehmlich mit materiellen Geschossen. Kass mahnt hingegen als selbst stilisierte Pionierin an, nicht an gewachsenen Vorannahmen festzuhängen: "Nonkinetic does not mean nonlethal." Man müsse "Luft, Raum und Cyberspace" gleichzeitig beherrschen. Wenn man dies nicht vermag, sei es unwichtig, wie groß die eingesetzte militärische Macht ist.

Die Forcierung der Vorrangstellung des Cyberspace wird auch daran deutlich, dass der militärischen Beherrschung von diesem ein Universalansatz zugrunde gelegt wird, der viele Bereiche vereint. Für General Elder wird zur Behauptung der Überlegenheit "Wissenschaft und Technologie, Partnerschaft, Recht und Politik, Unterstützung der Aufklärung und ausgebildetes Personal" benötigt. Dabei schlägt man Feinde zurück, hilft dem Heimatschutz, schützt die Infrastruktur und unterstützt zivile Hilfsmaßnahmen. Verwiesen wird von Elder auf Estland, in dem Server von Regierungsbehörden und Unternehmen mehrmals Ende April und Anfang Mai aufgrund heftiger DDoS-Angriffe ausfielen bzw. vor Zugriffen aus dem Ausland geschützt werden mussten. Elder folgert daraus, was angesichts des Falls weit übertrieben ist: "Wir erkennen, dass wir, wenn wir den Cyberspace verlieren, auch unsere Handlungsmöglichkeiten für Luft- und Weltraumoperationen verlieren. Die Dominanz im Cyberspace ist wichtig für unsere Luftwaffe und für unsere Nation."

Kass versuchte, die Bedeutung der Cyberspace-Kriegsführung durch den Hinweis auf die asymmetrischen Bedingungen hervorzuheben. Im Gegensatz zur herkömmlichen Waffentechnologie seien im Cyberspace nicht Investitionen von Milliarden von Dollar notwendig, um Erfolge zu erzielen und dem Gegner großen Schaden zuzufügen. Deutlich wird aber auch, dass mit der Betonung des Cyberspace das militärische Schlachtfeld auf andere Bereiche geöffnet wird, die zwar auch traditionell wichtig waren, aber nur die eigentlichen militärischen Mittel unterstützten.

Unsere Feinde benutzen den Cyberspace, um uns auf neue Weise anzugreifen, beispielsweise indem sie moderne Kommunikationsmittel verwenden, um ihre Botschaft zu verbreiten. Das ist der Kampf, den wir führen, und es ist das erste Mal in der Geschichte der Kriegsführung, dass die erwünschten Resultate nicht mehr den Investitionen entsprechen.

Lani Kass

Zur genuinen Bedrohung wird damit die Verbreitung von Information erhoben. Das heißt auch, dass prinzipiell das Versenden von E-Mails, das Einrichten einer Webseite oder das Betreiben eines Blogs als ebenso bedeutend angesehen wird wie ein militärischer Angriff mit den herkömmlichen "kinetischen" Waffen. Letztlich hieße das auch, dass ein einzelner Mensch mit einem Computer mit Internetzugang zur Bedrohung der militärischen Supermacht erklärt wird. Das ist nicht nur höchst unrealistisch, sondern ein Phantom zur Durchsetzung eigener Interessen, allerdings ein Phantom, das gleichzeitig die militärischen Phantasien der Allmacht beinhaltet und eine diffuse Angst schürt. Aber das soll wohl auch im militärisch-industriellen Komplex so sein, der spätestens seit dem 11.9. mit dem sicherheitsindustriellen Komplex verschmolzen ist.