Der grüne Nicolas

Frankreich will die Öko-Revolution

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Eine Revolution? Was für eine Revolution? Der französische Staatspräsident selbst hat sie ausgerufen, zunächst sprach er nur vom „ökologischen New Deal“ und dann von "Revolution". Was Nicolas Sarkozy zum Abschluss des französischen Umweltgipfels gestern an Maßnahmen und Vorhaben in Aussicht stellte, ist, wie üblich beim Hyper-Präsidenten, erstmal beeindruckend.

50%tige Reduktion des Einsatzes von gefährlichen Pestiziden, ein Moratorium beim Freiland-Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen, die Schaffung einer Öko-Steuer, das Recht auf völlige Transparenz der Informationen - die Nukleartechnik eingeschlossen -, ein nationales Nachhaltigkeits-Programm, bedeutend mehr Flächen für Bio-Bauern, ein Milliarden schweres nationales Programm zur besseren Wärmeabdichtung von Wohnungen, der Ausbau des Schienennetzes – die Liste der revolutionären Maßnahmen kann sich schon sehen lassen.

Und sie ist noch viel länger, denn bevor der Präsident gestern nachmittag seine Schiedsspruch-Rede zum Abschluss des Umweltgipfels hielt, hatte der Runde Tisch schon zwei Tage lang getagt und seine Entschlüsse zur Rettung der Umwelt gefunden.

Begonnen hatten die Umwelt-Debatten schon viel früher, im Juli. Teilnehmer der von Sarkozy initiierten "Grenelle d'Environnement" waren Minister, Gewerkschaften, Unternehmerverbände und Umweltschutzinitiativen – konfligierende Parteien in der Sache also, die zusammen etwas auf die Beine stellen sollten, was das ganze Land tragen sollte. Ganz so wie die namensgebende Rettungsaktion, die im Sommer 1968 in der Pariser Rue Grenelle zwischen Regierung und Gewerkschaften (nach langen Streiks) einen Sozialpakt ausarbeitete, der Frankreichs Beschäftigten große soziale Fortschritte einbrachte.

Kann die Grenelle 2007 also eine grüne Revolution in Gang setzen? Eine echte Revolution oder doch nur Bewußtseinsveränderung statt Veränderung der Wirklichkeit? Vielleicht hat Nobelpreisträger Al Gore – Sarkozy weiß sich und seine Ideen in gefälligen Rahmen zu präsentieren – den französischen Umweltgipfel am treffendsten resümiert mit seinen Dankesworten, mit welchen er den französischen Präsidenten für den „Bewusstseinswandel“ lobte, den er mit der Konferenz in seinem Land eingeleitet habe. Da ist noch viel zu tun. Aber es ist ein Anfang mit einigem Pomp, bei dem sich Sarkozy als "Pompier", als Feuerwehrmann geriert, wie die Libération bestimmt nicht wohlmeinend bemerkte.

Ein wenig Weihnachtsmann ist Nicolas Sarkozy allerdings auch gerne. So muss man bei seinen Ankündigungen schon genau hinhören, um zu prüfen, was es mit seinem Vorschlägen auf sich hat, wenn es um die Umsetzung geht: So fügt der Präsident der angekündigten Aussetzung des Freilandanbaus von genmanipuliertem Mais hinzu, dass dies erst nach einer Expertise geschehen würde, die 50% Reduktion der Pestizide in einem Zeitraum von zehn Jahren; völlige Transparenz der Informationen gibt es natürlich nur außerhalb bestimmter Bereiche, die aus industriellen oder staatlichen Sicherheitsgründen geheim bleiben müssen. Wie ein Kommentar der Tageszeitung Le Monde gestern anmerkte, gibt es zu beinahe jedem der gestern so feierlich ausgeprochenen Vorhaben nachgeschobene Einschränkungen und Bedingungen, welche den Ankündigungen einiges von ihrem revolutionärem Glanz nehmen.

Musste Sarkozy auch deswegen am Schluss extra betonen, dass man alles auch machen werde, was er sagte: "Ce que j’ai dit ce soir, nous le ferons", weil er ahnt, dass es größere Schwierigkeiten geben könnte, bis aus den Ankündigungen Gesetze werden.

Das Image Sarkozys hat erste Kratzer abbekommen; es sind längst nicht mehr nur politische Gegner, die in ihm einen "Ankündigungspräsidenten" erkennen. Auch Parlamentarier aus seiner Partei zeigen sich zunehmend unzufrieden damit, dass den politischen Ankündigungen Sarkozys Gesetze folgen, die es im Parlament nicht nur wegen handwerklicher Fehler schwer haben; sie scheitern öfter oder brauchen sehr lange. Ein Grund liegt darin, dass Sarkozy den Einfluss der Lobbys, denen seine Gesetzesvorlagen missfallen, falsch eingeschätzt hat. Dabei dürfte eines sicher sein: Es gibt genügend mächtige Lobbys, die Sarkozys Umweltinitiativen tatsächlich für revolutionär halten, weil sie gegen ihre Interessen und Pfründe arbeiten. Man darf gespannt sein wie "Monsieur 100.000 Ankündigungen" mit solchen tagespolitischen Auseinandersetzungen zurechtkommen wird und dabie seine Ziele im Auge behalten kann.