Katholische Kirche stellt sich hinter Franquisten

Fast 500 Spanier wurden in Rom selig gesprochen, die im Bürgerkrieg von den Republikanern getötet wurden, während der Vatikan Opfer der Faschisten aussparte

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Die katholische Kirche hat heute in Rom 498 Kirchenanhänger als "Märtyrer" einer "religiösen Verfolgung" in der Spanischen Republik selig gesprochen, die von deren Verteidigern getötet wurden. Bei der größten Massenseligsprechung der Geschichte fällt auf, dass niemand diese Ehre erhielt, der von den Putschisten ermordet wurde. Der Zeitpunkt ist nicht zufällig, am Mittwoch soll ein Gesetz zur Rehabilitierung von Zehntausenden Opfern der Diktatur beschlossen werden, gegen das die Kirche eintritt.

Webseite des Radio Vatikan vom Sonntag

Am frühen Sonntag versammelten sich etwa 40.000 Menschen auf dem Petersplatz, um der Seligsprechung beizuwohnen. Der portugiesische Präfekt der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen, Kardinal José Saraiva Martins, erklärte zum Abschluss, die 498 Personen, die im spanischen Bürgerkrieg ermordet wurden, hätten "ihr Blut für Christus vergossen". Sie würden das "Licht der Welt" darstellen.

Die Seligsprechung von Märtyrern ist natürlich immer ein sehr wichtiger Moment für die Kirche - denn normalerweise denken wir ja bei Märtyrern immer gleich an die ersten Jahrhunderte der Geschichte. Diese jetzige Seligsprechung läßt uns aber begreifen, dass es auch heutzutage noch Märtyrer gibt; man muß sogar sagen, dass das 20. Jahrhundert das Jahrhundert der meisten Märtyrer überhaupt in der Kirchengeschichte war!

Kardinal José Saraiva Martìns in einem Gespräch

Gefeiert wird nicht nur das Märtyrertum – möglicherweise auch, um mit dem Islamismus zu konkurieren -, sondern der Kardinal macht auch die Einseitigkeit der Seligsprechung explizit deutlich:

Die so genannten Republikaner hatten im katholischen Spanien den Wunsch ausgebildet, mit der Kirche ein für alle Mal Schluß zu machen. Das läßt uns begreifen, warum Tausende und Abertausende von Menschen getötet wurden, nur weil sie Christen waren: Priester, Laien, Bischöfe... Der Haß auf den Glauben, der "odium fidei" dieser Herren, der Republikaner, war das Ziel und der Beweggrund, der sie antrieb und der sie dazu drängte, alles zu tun, damit der Kirche ein für alle Mal der Mund zugehalten wird.

Radio Vatikan berichtet: "Es war die bisher größte Seligsprechungsfeier der Kirchengeschichte." Mehrere tausend spanische Pilger, sowie die gesamte Bischofskonferenz des Landes seien angereist. "Die Märtyrer des Spanischen Bürgerkriegs stellen mit jetzt 978 Glaubenszeugen die größte nationale Gruppe von Seligen der jüngsten Pontifikate."

Papst Benedikt XVI erklärte gleichfalls, Märtyrerschaft sei „eine realistische Möglichkeit für das ganze christliche Volk“. Zwar fügte er zum Abschluss an, es gehe um die "Versöhnung und das friedliche Zusammenleben", doch die reale Botschaft ist eine andere. Der spanische Vorsitzende der Bischofskonferenz Ricardo Blázquez machte vor dem Akt deutlich, dass sich die Kirche nur auf eine Seite stellt und nur deren Opfer sieht: "Jede menschliche Gruppe hat das Recht, ihre historische Erinnerung zu pflegen."

Somit verwundert es nicht, dass der Vatikan erneut keine Geistlichen oder Kirchenanhänger ehrte, die von den Putschisten ermordet wurden. Die Truppen von General Francisco Franco hatten schon damals die Unterstützung des Vatikan und großen Teilen der katholischen Kirche, als sie gegen eine gewählte Regierung putschten und das Land in den Bürgerkrieg stürzten, dem fast 40 Jahre Diktatur folgten (No Pasaran). Die offizielle katholische Kirche stellt sich also weiter hinter Franco, der die Unterstützung von Nazi-Deutschland und dem faschistischen Italien hatte.

Muniz de Pablos, der Erzbischof von Santiago de Compostela, zusammen mit Franco. Die katholische Kirche war eng mit der Franco-Diktatur verbunden. Nach Francos Sieg sendete Papst Pius XII. eine Grußbotschaft: "Wir erheben unsere Herzen zu Gott, wir bedanken uns aufrichtig bei Eurer Exzellenz für den Sieg des katholischen Spanien."

Will der Vatikan die Aufarbeitung der Franco-Diktatur erschweren?

Es ist kein Zufall, dass dieser Akt ausgerechnet dann vorgenommen wird, wenn die zaghafte Aufarbeitung der Diktatur einen Schritt voranzukommen scheint. Es soll offenbar so getan werden, als gäbe es nur Opfer auf einer Seite. Zehntausende, die noch immer in Massengräbern liegen, sollen weiter dem Vergessen anheim fallen. Doch das soll sich am Mittwoch ändern, wenn das Parlament ein Gesetz verabschieden wird, das die Opfer des Krieges und der Diktatur 32 Jahre nach deren Ende wenigstens moralisch rehabilitieren soll.

Allerdings hat das "Gesetz zur Wiederherstellung der historischen Erinnerung" einen traurigen Weg hinter sich (Kampf der zwei Spanien). Nur zaghaft trieben es die Sozialisten (PSOE) gegen die starke Volkspartei (PP) voran. Die Postfaschisten weigern sich weiter, den Putsch und die Diktatur zu verurteilen und die Opfer anzuerkennen. Erst kürzlich sagte Jaime Mayor Oreja, der Ex-Innenminister der PP und heute Europaparlamentarier: "Warum soll ich den Franquismus verurteilen, wenn es viele Familien gab, die ihn natürlich und normal erlebt haben?"

Daher wurde der usprägliche Name des Gesetzes verändert, das heute "Gesetz zur Anerkennung und Ausweitung der Rechte der Opfer des Bürgerkriegs und der Diktatur" heißt. Damit wendet sich das Gesetz an beide Seiten, weswegen schließlich auch eine Regierungsdelegation, geführt vom Außenminister, an dem heiligen Akt in Rom teilnehmen konnte.

Dass erst damit alle Symbole des Faschismus beseitigt werden sollen, zeigt die spanischen Probleme beim Umgang mit seinen Altlasten. Sie werden, anders als in Deutschland, aber nicht verboten. Soll- und Kann-Bestimmungen prägen ddas Gesetz, nach dem den Organisationen Subventionen gestrichen werden können, wenn sie sich der Beseitigung verweigern. Das Mausoleum des Diktators, im so genannten "Valle de los Caídos" (Tal der Gefallenen) wird ausgenommen, wo sich Franco und seine Falange-Diktatur schon zu Lebzeiten verewigen ließen.

Viele Opfer fallen mit dem Gesetz ins Vakuum: "Das Gesetz wird nur ein zaghafter Schritt nach vorne sein", kritisierte der spanische Amnesty International-Präsident Esteban Beltrán: "Die Rechte der Opfer werden weiterhin nicht garantiert, denn die Verbesserungen sind in großer Zahl nur Absichtserklärungen oder vieldeutige Vorschriften."

Das zeigt sich daran, dass die Unrechtsurteile nicht annulliert werden, wie das alle Opferverbände fordern. Sie wurden schließlich als "illegitim" bezeichnet, damit Teile der Vereinten Linkem (IU), sowie katalanische, baskische und galizische Nationalisten kurz vor den Wahlen im März ihre Verweigerungshaltung aufgeben und dem Gesetz eine Mehrheit verschaffen.

Doch nun werden die Opfer und ihre Angehörigen auf einen langen und unsicheren Justizweg geschickt, der auch nur dann offen steht, wenn es überhaupt ein Urteil gab. Wen die Falangisten oder die Guardia Civil außergerichtlich ermordeten, folterten, vergewaltigten oder inhaftierten, ist ausgeschlossen und erhält auch keine Entschädigung. Wegen der vielen Probleme lehnt ein Teil der IU und Linksnationalisten in Katalonien den Text noch immer ab. Wie AI beklagen sie zum Beispiel, dass sogar die wichtigste Empfehlung des Europaparlaments missachtet wird, eine Wahrheitskommission einzurichten, wie es sie in Chile oder Südafrika gab. "Ohne Wahrheit und Gerechtigkeit kann die Schuld an den Opfern nicht beglichen werden." Dass der Staat die Bergung der Opfer aus Massengräbern verweigert, kritisiert AI als "schlechten Präzedenzfall für Länder, die mit ähnlichen Prozessen konfrontiert sind".