Nur einen Funken vom nächsten Bürgerkrieg entfernt

Afghanistan: Private Sicherheitsdienstleister - alte Milizen mit neuem Namen?

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Der Blackwater-Skandal hat Auswirkungen auf Afghanistan. Auch dort ist der Bedarf an privaten Sicherheitsfirmen groß. Und auch dort regt sich Widerstand gegen die Privaten; so sorgte die afghanische Regierung vor kurzem für Aufsehen, als von einem strengeren, neuen Gesetzentwurf für die Arbeit von Private Contractors und von einem härteren Vorgehen gegen solche Unternehmen die Rede war. Von vielen Medien wurde das irakische Vorbild als Ermutigung für die neuen Schritte angeführt. Die Probleme in Afghanistan, was die Sicherheitsdienstleister anbelangt, unterscheiden sich nach Aussagen von Beobachtern allerdings in einigen Punkten deutlich von denjenigen, die man aus dem Irak kennt.

Die Geschäfte für die privaten Militärfirmen boomen auch in Afghanistan. Nicht nur große Unternehmen wie Blackwater und Dyncorps sind an dem lukrativen Geschäft beteiligt, sondern auch viele kleine, ortsansässige Firmen, die örtlichen Milizen sehr ähneln. Aber auch größere Unternehmen, so Beobachter, seien auf solche Milizen angewiesen, um genügend Angestellte zu haben.

Zwar würden die eingangs genannten Schritte gegen die Sicherheitsfirmen auf Maßnahmen verweisen, welche die irakische Regierung in Gang gesetzt hat, aber es gebe deutliche Unterschiede, so Carl Robichaud. Im Irak würden die Privaten meist mit westlichen Angestellten arbeiten:

In Iraq, virtually all private security contractors are international companies with Western employees. In Afghanistan, many private security groups are indigenous, often under the control of a single faction, and even the large international firms operating there rely upon local militiamen for much of their manpower.

Das amerikanische Verteidigungsministerium soll etwa 1000 Sicherheitsdienstleister unter Vertrag haben, doch – wie im Irak – beschäftigt auch das amerikanische Außenministerium solche Unternehmen und die afghanische Regierung ist ebenfalls auf ihre Arbeit angewiesen. Wer sonst könnte sie verrichten, die Polizei schaffe dies außerhalb von Kabul auf keinen Fall, so zitiert Barnett Rubin, ausgewiesener Afghanistan-Experte seit vielen Jahren, eine anonyme, gut informierte Quelle aus Kabul:

The real challenge to the government is the fact that the Ministry of Interior does not have the capacity to replace the protection guaranteed by the private companies outside of Kabul. While there might be enough room in the police to replace some guards inside the capital, capacity and morale of the police are insufficient to take on the task of guarding let's say Kajaki dam in Helmand.

Dass die Sicherheitsfirmen in Afghanistan in besonderen Maße auf die Mitarbeit von Afghanen zurückgreifen, die früher Milizen angehörten, hält auch Rubin für problematisch: „(Die privaten Sicherheitsunternehmen) haben ausgebildete Milizenkämpfer bewaffnet und angeheuert, die eigentlich demobilisiert und entwaffnet werden sollten.“ Der private Sektor würde den Milizionären damit ein Überleben als solche gewährleisten. Ein Funke nur, so Rubin, und der nächste Bürgerkrieg würde entfacht.

Wie das Wechselspiel der Akteure auf der afghanischen Bühne aussehen kann, wie verquickt die Akteure untereinander sind und welche für europäische Verhältnisse rabiate Wendungen das annehmen kann, zeigt das Beispiel von Din Muhammad Jurat. Dem ehemaligen Generaldirektor für die Sicherheit im Innenministerium unter Karsai, - zuvor war er ein bekannter Milizenführer in der Nordallianz -, werden Verwicklungen im organisierten Verbrechen nachgesagt, darunter auch in einem Mordfall an einem Parlamentarier. Das hat die amerikanische Sicherheitsfirma USPI allerdings nicht davon abgehalten, ihm eine lukrative Position zu geben. Nach Informationen von Rubin stellt er im Dienste von USPI frühere Kämpfer seiner Miliz als Sicherheitspersonal für Überwachungsaufgaben ein.

Milizen, die Jurat loyal ergeben sind, angestellt bei der Sicherheitsfirma seines Bruders, sollen im Juni den afghanischen Generalstaatsanwalt Abdul Jabbar Sabet angegriffen und zusammengeschlagen haben. Wie Sabet gegenüber Medien behauptete, sei dies geschehen, weil Jurat wollte, dass er einige Männer von ihm freilasse, die wegen Korruptionsverdacht hinter Gitter waren.

Angesichts solcher Zwischenfälle ist es kein Wunder, wenn manche die afghanischen privaten Sicherheitsfirmen, sprich neu formierte alte Milizen, für das größere Problem halten, weil bei ihnen die Trennung zwischen Kommando und Angestellten („Fußsoldaten“) nicht so gegeben ist wie bei internationalen Firmen.

Pointing to international contractors and their problems is deflecting attention from the biggest problem - the Afghan PSCs. In foreign firms the foot soldiers might come from an illegal armed group, but the command and logistics elements are all foreign and will collapse in crisis or not lend them easily to factional agendas. The Afghan firms unify the foot soldiers with C2 [command and control] from one faction and are therefore much more dangerous - best example provided by Khawar of Jurat.

Da bislang, wie im Blog von Rubin zu lesen ist, noch niemand die größeren Sicherheitsfirmen genauer überprüft hat, die afghanischen Ministern und anderen „illustren Persönlichkeiten“ sowie lokalen Warlords gehören, relativiert sich die Aufräumaktion der Regierung, der „Crackdown“ gegen die Privaten, der vor ein paar Tagen für internationale Schlagzeilen gesorgt hat. Zumal, wie ein aktueller Bericht der britischen Zeitung Times andeutet, der afghanische Markt nicht nur von dubiosen Sicherheitsfirmen geprägt ist, sondern auch von Regierungsmitarbeitern, die sich, was Kontrollen und Lizenzvergaben angeht, anfällig für Korruption zeigen.