Acht Freisprüche im Prozess zu Madrider Anschlägen

Zu den Freigesprochenen gehört auch der angebliche Drahtzieher, während das Verfahren für die Spitzel nahezu glimpflich ausgeht

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Überraschend sind heute acht Freisprüche im Prozess zu den islamistischen Anschlägen in der spanischen Hauptstadt gefällt worden. Bei den schwersten Anschlägen in Europa hatten die Täter am 11. März 2004 Bomben in vier Pendlerzügen in Madrid gezündet, 191 Menschen wurden getötet und mehr als 1.800 verletzt. Ein Richter hatte im Vorfeld angedeutet, dass das einstimmige Urteil des Nationalen Gerichtshof überraschen werde. Aufgeklärt ist vieles noch immer nicht.

Niemand rechnete tatsächlich damit, dass von 28 Beschuldigten acht frei gesprochen werden, darunter auch der angebliche "Drahtzieher" Rabei Osman el Sayed (Prozessauftakt in Madrid mit Überraschung?). Die Richter setzen sich völlig über die Vorverurteilung gegen den "Ägypter" hinweg. Der soll sich in abgehörten Telefonaten in Italien, wo er in Haft sitzt, zu den Attacken bekannt haben. Doch deren Rechtmäßigkeit war zweifelhaft und Gutachter bezeichneten die Übersetzungen als falsch.

Die Anschläge werden einer "islamistischen Terrorzelle" zugeschrieben. Zwei Islamisten, Jamal Zugam und Otman el Gnaui seien die Attentäter, weshalb sie mehr als 40.000 Jahren Haft erhielten – 30 Jahre für jeden Toten, 20 Jahre für jeden Verletzten. Mit knapp 35.000 Jahren (25 Jahre für jeden Toten, 15 Jahre für jeden Verletzten) fiel die Strafe für den Spanier José Emilio Suárez Trashorras, der kein Moslem ist, etwas günstiger aus. Der Polizeispitzel sei als Sprengstofflieferant "notwendiger Kollaborateur" der Terroristen gewesen.

Erstaunlich ist, dass Hassan El Haski, einst auch ein Hauptangeklagter, entgegen dem Ägypter doch noch 15 Jahren Haft wegen "Mitgliedschaft in Terrororganisation" erhielt. Gegen ihn lag nur eine Anschuldigung vor, die im Prozess zurückgenommen wurde. Frei gesprochen wurden dafür die Brüder Moussaten. Die Anschuldigungen gegen sie hatte der Beschuldigte zurückgenommen und erklärt, sie seien unter Misshandlungen von der Polizei erzwungen worden.

Für die Versuche der rechten Volkspartei (PP), der baskischen Untergrundorganisation ETA die Anschläge kurz vor den Parlamentswahlen in Schuhe schieben oder sie damit in Verbindung zu bringen, "gibt es keinen Beweis". Es stehe fest, dass als Sprengstoff spanisches Goma 2 verwendet wurde, über das die ETA nicht verfügt. Die PP verlor kurz nach den Anschlägen die Wahlen, weil sie die Öffentlichkeit belogen hat (Lügen haben kurze Beine, auch in Spanien).

Bis auf Trashorras ging der Prozess positiv für die spanischen Spitzel aus.. Sie alle wurden frei gesprochen, auch sein Schwager. Dabei wurde Antonio Toro schon in einem vorhergehenden Verfahren mit Trashorras wegen Handel mit Goma 2 zu zehn Jahren Haft verurteilt. Er arbeitete eng mit ihm zusammen und bahnte im Knast den Kontakt zu den Islamisten an. Das geschah über den marokkanischen Spitzel Rafa Zouhier. Doch statt viele Jahre Haft erhielt er wegen Sprengstoffhandel nur zehn Jahre, dabei hatte er über die Geschäfte die Sicherheitskräfte informiert und sogar eine Probe geliefert (Von Spitzeln, Terroristen und dem schweren Geschäft der Aufklärung).

Den Opfern wurden nun Entschädigungen zwischen 30.000 und 500.000 Euro zugesprochen. Deren Vereinigungen kritisieren das Urteil und kündigten Rechtsmittel an. Ihre Sprecherin Pilar Manjón bezeichnete die Urteile als "lächerlich". Sie kritisierte stets, auch mit Blick auf die Rolle der vielen Spitzel, dass Verantwortliche nie angeklagt wurden (Nationalpolizist in Madrider Anschläge verwickelt) und forderte nach dem Scheitern der parlamentarischen Kommission eine unabhängige Untersuchung.