"Für mich ist das einfach nur ein Auto"

Felix von Hundelshausen vom Team AnnieWayüber über die Urban Challenge im Vergleich mit anderen Roboterwettbewerben

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Felix von Hundelshausen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technik autonomer Systeme an der Universität der Bundeswehr München. Bei der Urban Challenge arbeitet er mit im Team AnnieWay. Es ist aber nicht der erste Roboterwettbewerb, an dem er teilnimmt. Als Teammitglied der FU-Fighters war er mehrmals beim RoboCup dabei und gehörte bei der letzten Elrob zum Team der Münchner Bundeswehr-Universität.

Felix von Hundelshausen neben dem Fahrzeug des Teams AnnieWay. Bild: H.-A. Marsiske

Vor der Darpa Urban Challenge haben Sie im August bereits an der Elrob (European Land-Robot Trial) sowie in früheren Jahren mehrfach am RoboCup teilgenommen. Welches dieser Roboterturniere hat Ihnen am besten gefallen?

Felix von Hundelshausen: Die Urban Challenge. Die hat einfach einen höheren Abenteuerfaktor, allein schon durch die Umgebung, in der sie stattfindet. Und es ist ein Wettbewerb, der in der Realität mit all ihren Unwägbarkeiten ausgetragen wird, nicht in einer konstruierten Umgebung wie etwa beim RoboCup, wo man die Größe und Markierungen des Fußballfeldes im Voraus genau kennt. Es steckt auch mehr Energie drin, wie man schon am viel höheren finanziellen Aufwand sehen kann.

Befürchten Sie nicht, dass gerade das zu einer Materialschlacht ausarten könnte?

Felix von Hundelshausen: Die finanzielle Schwelle, ab der man hier überhaupt erst teilnehmen kann, liegt sicherlich recht hoch. Aber dafür werden auch Anforderungen gestellt, die es beim RoboCup so nicht gibt. Der RoboCup dürfte etwa um den Faktor zehn billiger sein. Dafür fehlt aber eben weitgehend der Aspekt, den Roboter in eine unbekannte Umgebung zu schicken. Die Rahmenbedingungen sind hier natürlich auch abgesteckt, aber ob da ein Stein auf der Straße liegt, ob da dieses oder jenes Haus steht oder wie die anderen Fahrzeuge aussehen, wissen wir vorher nicht. Es ist alles sehr viel weniger spezifiziert als beim RoboCup, das macht es so interessant.

Die Umgebung bei der letzten Elrob mit ihren holprigen Waldpisten und Serpentinen war auch extrem umstrukturiert.

Felix von Hundelshausen: Wissenschaftlich gesehen war die Elrob nicht schlecht. Wir hatten uns vorgenommen, unser Fahrzeug dort ohne GPS fahren zu lassen. Es sollte einfach in der Umgebung, die es sieht, manövrieren und sich einen sicheren Weg suchen. Das ist natürlich eine andere Herausforderung als hier, wo wir einer durch GPS-Punkte definierten Strecke folgen müssen. Allerdings sind die Abstände zwischen den Punkten größer als bei der Grand Challenge vor zwei Jahren. Wenn wir jetzt in einer Kurve den kürzesten Abstand zwischen zwei Punkten wählen würden, würden wir über den Bordstein fahren.

Das Fahrzeug muss also auf jeden Fall die Straße und die Fahrbahnmarkierungen erkennen können?

Felix von Hundelshausen: Ja, wobei die Kleinigkeiten oft besonders schwierig sind. Zum Beispiel ist es ein Problem, die Höhe des Bordsteins oder eines anderen Hindernisses richtig einzuschätzen und zu entscheiden, ob das Fahrzeug bei einer bestimmten Geschwindigkeit noch darüber fahren kann oder nicht.

Haben die Erfahrungen bei der Elrob Ihnen bei der Vorbereitung dieses Wettbewerbs geholfen?

Felix von Hundelshausen: Für die Elrob hatten wir einen Algorithmus mit mehreren Hierarchiestufen entwickelt, mit einem reaktiven Verhalten auf der untersten Stufe. Wir hatten das Fahrzeug praktisch wie einen Käfer mit virtuellen Fühlern ausgestattet, generiert aus den Signalen des Laserscanners, die die Umgebung abtasten. Damit konnte es Hindernisse erkennen und sich einen freien Weg suchen. Wir waren selbst überrascht, wie gut das funktionierte, und haben das für die Urban Challenge als unterste Ebene integriert. Hier versucht das Auto jetzt erst mal die durch GPS-Punkte definierte Strecke abzufahren, überprüft aber, ob dieser Weg wirklich frei ist. Dafür erzeugt der Laserscanner eine Umgebungskarte, in die die GPS-Karte hinein projiziert wird. Wenn der Weg frei ist, fährt der Wagen einfach nach GPS, das geht etwas schneller. Wenn er aber ein Hindernis detektiert, schaltet er auf den Modus um, den wir bei der Elrob erprobt haben. Er sucht sich also eine freie Strecke, versucht dabei aber weiterhin, den GPS-Punkt anzusteuern.

Wie erleben Sie so einen Wettbewerb? Ich habe immer den Eindruck, dass bei solchen Turnieren so konzentriert gearbeitet wird, wie es im heimischen Labor wahrscheinlich kaum möglich ist.

Felix von Hundelshausen: Am Anfang freut man sich immer auf den Wettbewerb. Dann wird es mehrere Monate lang unheimlich stressig. Während des Turniers selbst herrscht praktisch Ausnahmezustand. Danach ist man froh, dass es vorbei ist, und sagt sich: Nie wieder! Aber nach einem halben Jahr bekommt man dann allmählich wieder Lust.

Welche Bedeutung haben die Wettbewerbe für Ihre übrige Arbeit?

Felix von Hundelshausen: Einerseits können Sie der Karriere im Weg stehen, weil gerade von jungen Wissenschaftlern erwartet wird, dass sie viel veröffentlichen. Und rein theoretische Publikationen sind leichter zu produzieren als ein wirklich funktionierendes System. Andererseits ist der Versuch der praktischen Umsetzung der ultimative Test einer Theorie. Aber zugleich möchte man natürlich gewinnen und neigt daher eher dazu, ein einfaches, robustes System zu implementieren, das möglichst sicher funktioniert, statt ambitionierte Theorien zu testen. Das ist ein Zwiespalt, durch den man sich manövrieren muss.

Welche Rolle spielt das Preisgeld für die Motivation?

Felix von Hundelshausen: Ich denke, wir hätten auch ohne das Preisgeld mitgemacht. Es ist ein bisschen wie bei den ersten Olympischen Spielen. Wenn man hier gewinnt, dann ist man wirklich wer. Das allein ist schon eine unglaubliche Motivation. Das Preisgeld ist dann noch das I-Tüpfelchen.

Da Sie die Olympischen Spiele erwähnt haben: Erwarten Sie, das Roboterwettkämpfe ähnlich wie diese an Bedeutung gewinnen werden?

Felix von Hundelshausen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Urban Challenge der letzte Wettbewerb dieser Art gewesen sein soll, selbst wenn die Gelder dafür durch den US-Kongress gestrichen werden sollten. Mein Gefühl sagt mir, dass dies eher der Beginn ist und wir solche Wettkämpfe noch lange haben werden, wenn auch vielleicht in anderen Ländern und mit anderen Ausrichtungen.

Welche Art von Wettbewerben würden Sie sich wünschen?

Felix von Hundelshausen: Wenn sie die Forschung vorantreiben sollen, müssten sie noch stärker die Teams begünstigen, die einen wirklichen Forschungsbeitrag liefern. Hier bei der Urban Challenge folgt man eher dem Ansatz, eine sehr schwere Aufgabe zu stellen, und geht davon aus, dass diejenigen Teams, die sie irgendwie bewältigen, schon auf irgendeine Weise die Wissenschaft fördern. Aber das trifft nicht unbedingt zu. Dafür wären klarer definierte Aufgabenstellungen erforderlich. Die müssten in erster Linie mit Wahrnehmung zu tun haben. Denn die kritischen Punkte liegen weniger darin, eine Entscheidung zu treffen, sondern in der Wahrnehmung. Wenn wir bei diesem Wettbewerb zum Beispiel kein GPS hätten, wäre wahrscheinlich kaum ein Team in der Lage, sein Fahrzeug einmal um den Block fahren zu lassen. Beim RoboCup ist es ähnlich. Da werden häufig auch eher einfache Ansätze bevorzugt, die die Chancen auf den Turniersieg erhöhen, statt neuer Konzepte, die die Forschung voranbringen würden.

Entwickelt man bei so einem Turnier ein emotionales Verhältnis zum Roboter?

Felix von Hundelshausen: Also, für mich ist das einfach nur ein Auto. Aber ich bin auch erst seit zwei Monaten mit im Team. Beim Team CarOLO aus Braunschweig beobachte ich dagegen, dass die ein sehr inniges Verhältnis zu ihrem Fahrzeug haben. Das ist die Caroline, die vor dem Start noch gestreichelt wird. Beim RoboCup hatten wir unseren Spielern auch Namen gegeben und sie während des Spiels angefeuert. Als wirklich emotionale Bindung habe ich das allerdings nicht empfunden.