Warum mit den "Killerspielen" auch Werte verteidigt werden.

Die Debatte um so genannte "Killerspiele" auf Computern und Spielkonsolen und die Forderungen nach einem Verbot jener haben zu verhärteten Fronten zwischen Spielegegnern in etablierten Medien, Politik und konservativen Forscherkreisen einerseits und Spielern und Unterhaltungsindustrie andererseits geführt.

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Dazwischen steht eine Gruppe von Normalbürgern wie auch gesellschaftlichen Entscheidungsträgern, welche in dem vermeintlich banalen Thema keinen Diskussionswert erkennen können und sich deshalb zu dem Thema eher ausweichend äußern. Doch die ethischen Fragen um die "Killerspiele" und ihr Verbot gehen weiter, als es die reine Spielediskussion vermuten lässt, und auch weiter, als es mancher Spieler vermutet, der sich zunächst nur gegen die Wegnahme seines Lieblingsvergnügens wehrt. Geht es hier wirklich nur um ein perverses Freizeitvergnügen und die Frage, wie weit man es tolerieren oder ab wann man es verbieten sollte? Oder sind hier nicht doch elementare bürgerliche Werte in diesem Staat betroffen?

Betrachtet man die Positionen im Kampf um die "Killerspiele", so stehen die Befürworter weit reichender Verbote am deutlichsten da: Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein, Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann, die Vertreter einiger Boulevardmedien und öffentlich-rechtlicher Fernsehmagazine, außerdem das wissenschaftlich beeinflusste Umfeld dieser Szene: Christian Pfeiffer, Manfred Spitzer, Werner Glogauer und andere. Ihre Aussage ist eindeutig: Die "Killerspiele" sind abartig und pervers, sie veranlassen Verrohung und Gewalttaten, sie lassen die Jugend verkommen, sie sind unmoralisch, kurz: gesellschaftsschädlich und gehören deshalb verboten.

Ein einfaches Weltbild, mit dem sich Wählerstimmen gewinnen lassen. Viele Menschen glauben tatsächlich, mit solchen Verboten persönlich sicherer zu leben. Auf der anderen Seite stehen die Spieler, denen es vor allem um ihr Freizeitvergnügen geht, in der Öffentlichkeit, wenn überhaupt, dann sichtbar durch Vertreter der e-Sport und Clan-Szene. Dazu kommen die Industrievertreter, die zuweilen schon mit der Alkohol- und Tabakindustrie gleich gesetzt werden. Letztere vertreten, logischer Weise, vor allem ihre ökonomischen Interessen. Doch dazwischen stehen zahlreiche Politiker und Medienleute, denen das Thema sichtlich unangenehm ist, die sich zwar gegen generelle Verbote sträuben, sich aber auch scheuen, im Kampf dagegen klare und schlagkräftige Argumente anzubringen. Ihre Antworten auf die Zensoren sind ausweichend: Man müsse nach gesellschaftlichen Ursachen für Gewalttätigkeit suchen, gewaltfreie und lehrreiche Computerspiele fördern, und die Verbote brächten nichts, weil die illegalen Märkte die Interessenten ja sowieso versorgten.

All diese Argumente sind schwach und kaum offensiv, sie liefern den Zensurbefürwortern lediglich ein Rückzugsgefecht, das verloren ist, sobald die nächste spektakuläre Straftat die Medienöffentlichkeit danach schreien lässt, doch "etwas zu tun", und sei es mit völlig unsinnigen Verboten. Warum werden in der Diskussion nicht mehr grundsätzliche Wertefragen, wie bürgerliche Freiheit und selbst bestimmte Lebensführung, thematisiert? Sind individuelle Freiheiten, etwa im Bereich der Medien, der Lebensführung oder der Sexualität, nur abhängig von einem liberalen Zeitgeist und gesellschaftlichen Normveränderungen, oder sollte man sie nicht vielleicht doch als davon unabhängiges Grundrecht handhaben?

Worum geht es den Zensoren?

Wer die Argumentation der Verbotsbefürworter verfolgt, bemerkt schnell einen Widerspruch: Offiziell behaupten sie meist, dass es ihnen um die Bekämpfung von realer Gewalttätigkeit und die Abwehr von mit Computerspielen verbundenen Gefahren, wie suchtartigem Verhalten, gehe. Entsprechend werden auch in einschlägigen Fernsehbeiträgen und Zeitungsartikeln stets spektakuläre Straftaten heran gezogen und Computerspiele als wesentliche Ursache dafür hingestellt. Es steht aber nicht mehr wissenschaftlich zur Diskussion, dass Menschen gewalthaltige Computerspiele spielen und diese deswegen in der Wirklichkeit nachahmen. Selbst medienkritische Forscher beschränken die behauptete Gewaltwirkung von Computerspielen und anderen Medien auf eine sehr abstrakte Ebene, dass Spiele primär aggressive Verhaltensweisen wie Schreien oder Fluchen auslösen und dies auf Dauer das allgemeine Aggressivitätsniveau steigert. Nicht aber, dass ein Spieler das Schießen auf Menschen samt der zugehörigen Enthemmung lernt und dies in einem Amoklauf umsetzt. Gute Reporter recherchieren zu ihren Beiträgen und prüfen auch mehrere Quellen, so dass diese direkten Gewaltwirkungen für seriöse Berichte ausscheiden müssten.

Bei manchen sind die echten Motive hinter den Verbotsforderungen offensichtlich. Beckstein etwa äußerte, dass er keinen Wissenschaftler brauche, um die Schädlichkeit und Gewalt fördernde Wirkung von "Killerspielen" zu beweisen. Dafür genüge ihm das Ansehen brutaler Spielszenen und der gesunde Menschenverstand. Auf den Punkt brachte diese Haltung die "Zeit"-Jounalistin Susanne Gaschke, die in ihrer Kolumne schlicht äußerte: "Was unerträglich ist, muss man verbieten dürfen!" In dem Artikel kritisierte sie, dass es erst Äußerungen eines Wissenschaftlers, gemeint war der umstrittene Werner Glogauer, bedurfte, um ein Verbot zu rechtfertigen.

Ihrer Meinung nach gibt es eine einfache Geschmacksgrenze bei Medieninhalten, wo etwas nur "geschmacklos" ist, darüber hinaus aber auch noch eine absolute Geschmacksgrenze, jenseits derer allen Menschen ein von ihr verabscheuter Inhalt verboten werden sollte. Und zwar unabhängig davon, ob Wissenschaftler eine Schädlichkeit feststellen. Ähnlich äußerten sich auch Christian Pfeiffer oder der einschlägig bekannte Journalist Rainer Fromm (ZDF-Frontal 21 u.a.), die "Menschenverachtung" in Computerspielen auch Erwachsenen verbieten wollen, womit sie Spielhandlungen als Lernprogramm für das wirkliche Leben darstellen. Pfeiffer spricht sich in einem offenen Brief an den Kultur- und Medienausschuss der Bundesregierung klar für normative Geschmackszensur mittels allgemeinem Strafrecht, unabhängig von einer möglichen Gewaltwirkung, aus.

Wer kennt nicht das ungute Gefühl im Bauch, dass ein 8-jähriger nicht auf dem Bildschirm mit der Kettensäge Gegner zerstückeln sollte? Wer hat vielleicht das Gefühl, dass auch bei Erwachsenen damit kranke und gefährliche Triebe gezüchtet werden könnten? Genau dieses Bauchgefühl sprechen auch einschlägige Journalisten und Politiker an. Manche bezeichnen es als "gesunden Menschenverstand", andere eher als "gesundes Volksempfinden", und ob die Konsequenzen daraus gesund sind, ist unsicher. Denn es geht um die Durchsetzung eigener Geschmacksurteile, um eine eigene, oft fragwürdige Moral, um das eigene Wohlbefinden beim Anblick medialer Darstellungen, das als Grundlage für absolute Verbote her halten muss. Bei Beckstein, Schünemann und Konsorten lassen sich die Verbotsforderungen schnell auf zur Schau getragene "Moral" und auf die Behauptung simpler Stimulations- und Nachahmungseffekte zurück führen, für die dann nachträglich Belege gesucht werden. Effektiv geht es hier darum, dass viele Menschen einen gesellschaftlichen Normenkonsens befürworten und auch in der virtuellen Fantasiewelt für unabdingbar halten.

Und die Antwort der Zensurgegner?

In der Auseinandersetzung mit den Zensoren beschäftigen sich in erster Linie die organisierten Spieler der Clan- und e-Sport-Szene mit deren Argumenten. Wichtigste Entgegnung ist, dass die Spiele sportlicher Wettkampf seien und Darstellungen von Gewalt keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Manchmal gehen Spieler so weit, selbst Gewaltdarstellungen verbieten zu wollen: So war es, als entdeckte ein professioneller "Counterstrike"-Spieler in einer Talkrunde nach Emsdetten gleich zu Beginn den kleinen Beckstein in sich, indem er ein Verbot von "Killerspielen" akzeptierte, wenn sie Gewalt "verherrlichen".

Und das, ohne die "Verherrlichung" angemessen zu definieren. Seine Spiele, Counterstrike & Co, dienten dagegen dem Wettkampf und nicht der Gewaltdarstellung. Zwar mag die Äußerung mangels Medienerfahrung unglücklich formuliert gewesen sein, Vergleichbares wird aber oft von Spielern gesagt. Eine solche Sicht erkennt die Problematik nur darin, dass der Staat die Grenzen möglicher Weise zu eng zieht, nicht aber darin, dass er sich überhaupt die Verfügung über die private Spiel- und Fantasiewelt der Menschen anmaßt. Nicht selten verweisen Spieler auch darauf, dass bestimmte Filme oder Literatur noch "schlimmer" seien, womit Zensoren kein Problem haben, erheben sie doch auch da ihre Zensurforderungen.

Erst am Rande tauchen grundsätzliche Fragen zu Zensur, Verboten und gesellschaftlichen Freiheitswerten auf. Die Antworten der Art, dass die eigenen Spiele in Ordnung seien, man aber die extremeren ruhig verbieten könne, repräsentieren das Prinzip "Schon' unser Haus, zünd' ein anderes an! ", und vor allem verdecken sie den Blick auf die entscheidende Frage: Was ist, wenn wirklich die letzten Geschmacksgrenzen fallen, aber immer noch niemand objektiv geschädigt und kein echtes Verbrechen angestiftet wird?

Was, wenn Computerspiele das Massakrieren unschuldiger Passanten auf der Straße oder das Töten mit besonderer Grausamkeit mit Punkten belohnen? Was, wenn ein Computerspiel sexuellen Kindesmissbrauch simuliert und nachspielen lässt? Sollten gar Nazi-Spiele legal sein, in denen der Spieler zu entsprechender Propaganda Ausländer oder Juden abschießen muss, so lange nur nicht zu echten Taten aufgefordert wird? Gibt es eine absolute Geschmacksgrenze, oder darüber hinaus auch harte, objektive Kriterien der Beeinträchtigung anderer durch Computerspiele, die ein generelles Verbot rechtfertigen?

Was ist Zensur von Medien?

Weithin versteht man bei staatlichen Stellen unter verbotener Zensur nach Artikel 5 Grundgesetz nur einen sehr engen Zensurbegriff: Er beinhaltet, dass Medien vor Veröffentlichung einer staatlichen Prüfbehörde vorgelegt werden müssen, die über eine Freigabe entscheidet. Nachträgliche strafrechtliche Verfolgung fällt danach nicht unter den Zensurbegriff. Folglich wäre demnach auch ein Land wie China zensurfrei, wenn ein Regierungskritiker dort nur ohne Vorprüfung seine Meinung äußern könnte, auch, wenn er anschließend für Jahre hinter Gefängnismauern verschwindet. In der Tat wird daher in Deutschland die Zensur schon erweitert gesehen, dass etwa Strafgesetze, die das Geistesleben durch Furcht vor Strafe lähmen, oder andere Maßnahmen mit verbotsähnlicher Wirkung, nicht erlaubt sind. Was darunter fällt, ist umstritten, die deutsche Indizierungspraxis mit ihrem stark verbotsähnlichen Charakter ist bislang noch nicht gerichtlich untersagt worden. Umgangssprachlich hat sich deshalb ein anderer, erweiterter Zensurbegriff heraus gebildet: er umfasst jeden Versuch, Medieninhalte höheren Interessen zu unterwerfen, insbesondere politischen Machtinteressen und gesellschaftlichen Sitten- und Normvorstellungen.

Ein weiterer kritischer Punkt bei der Zensurdiskussion ist der Unterschied zwischen Informations- und Unterhaltungsmedien, und dort zwischen so genannter Hochkultur einerseits und Populärkultur und "Schund", neudeutsch "Thrash", andererseits. Traditionelle Zensurgegnerschaft bezieht sich vor allem auf Informationsmedien. Auch die so genannte Hochkultur, mit Medien wie Literatur, Theater, Malerei und klassischer Musik, steht traditionell unter einem starken Schutz vor Reglementierungen.

Populärmedien werden dagegen oft als geringwertig angesehen und somit auch als weniger schutzwürdig. Die Herabwürdigung als "Schund" traf seit je her die Populärmedien, Roman- und Comichefte, Rock'n Roll, Heavy Metal, Horrorvideos und schließlich Computerspiele - mit der Folge, dass sich Zensur dort leichter durchsetzen ließ. Die individuelle Freiheit und Selbstbestimmung auf der anderen Seite kennt diese Unterscheidung nicht; für den Nutzer eines Mediums ist die Beschneidung seiner Freiheit objektiv gleichwertig.

Weiterhin muss beim Zensurbegriff auch der wirtschaftliche Aspekt berücksichtigt werden. Wenn Maßnahmen dazu führen, dass keine Kosten deckenden Einkünfte mehr erzielt werden können, werden auch die betreffenden Medien nicht mehr produziert; folglich wird auch auf diesem Wege Zensur ausgeübt. Mit zunehmender Internationalisierung der Zensur, der deutsche "Jugendschutz" soll zum europäischen Leitbild werden, wird schon die Entstehung beliebiger Medien stark behindert. Und wenn ein bestimmtes Computerspiel gar nicht mehr produziert wird, helfen auch Tauschbörsen und versteckte Warez-Seiten dem Spieler nicht mehr weiter.

Medienzensur und das Sittenstrafrecht der Bundesrepublik Deutschland

In der Bundesrepublik Deutschland gab es auch lange nach Ende des "Dritten Reiches" noch Gesetze, die im Sinne von "Sittlichkeit" oder "öffentlicher Moral", weil bestimmtes Verhalten als "abartig" empfunden wurde, massiv in das Privatleben der Menschen eingriffen. Dazu zählte jegliche Sexualität, die vom ehelichen Beischlaf abwich, wie etwa Homosexualität, die durch den "Schwulenparagrafen" §175 bis 1969 absolut, dann bis 1994 eingeschränkt, mit Strafe bedroht wurde. Ein anderes Beispiel war der "Kuppeleiparagraf", der das "Verschaffen von Gelegenheit" zu "Unzucht", also außerehelichem Verkehr, inkriminierte und so Hausbesitzer und Vermieter zum Bespitzeln ihrer Bewohner und zu heute undenkbaren Klauseln in Mietverträgen zwang.

Danach waren Besuche des anderen Geschlechts nach einer bestimmten Uhrzeit verboten. Diese Gesetze waren großteils Relikte aus früheren Zeiten, als sich der Staat selbstverständlich die Durchnormierung des Privatlebens und die völlige Unterordnung des Individuums anmaßte. Allerdings hatten sie unter den Machthabern der jungen Bundesrepublik starken Rückhalt, und noch in den frühen 60er-Jahren wurden rigide Verschärfungen des Sexualstrafrechts, damals "Sittenstrafrecht", geplant, um Volk und Familie zu "schützen".

Organisationen wie der "Volkswartbund" propagierten die staatliche Durchsetzung gesellschaftlicher Normen, und die Medienzensur wurde 1954 mit Gründung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften BPjS, heute BPjM, etabliert. "Jugendschutz" gegen "sittliche Gefährdung" war nun der Vorwand, um Medien unter gesellschaftliche Normgrenzen zu zwingen, durch Werbe- und Verkaufsbeschränkungen, die zwar kein absolutes Verbot darstellten, aber den Kosten deckenden Vertrieb betroffener Medien so stark erschwerten, dass sie oft gar nicht mehr hergestellt oder nur entschärft angeboten wurden. Auch hier wurden Zwangsmaßnahmen zur Beschneidung der individuellen Freiheit eingeführt, um eine Unterordnung unter gesellschaftliche Normen im Privaten zu erzwingen.

Die rigide Sexualfeindlichkeit und das verbreitete NS-Volksgemeinschafts-Denken der frühen Bundesrepublik schwand mit der 68er-Bewegung und ihrem Marsch durch die Institutionen; Pornografie, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Homosexualität und andere sexuelle Normabweichungen wurden legal und auch gesellschaftlich immer stärker akzeptiert. Dafür entstanden aber neue Zensurforderungen, die sich etwa aus radikalem Pazifismus her leiteten: Zunächst gegen Kriegsspielzeug und "Landser"-Romane, dann auch gegen die aufkommenden Video- und Computerspiele: In den 80er-Jahren wurde jedes Spiel indiziert, in dem ein grob gepixeltes Flugzeug auf ebenso grob gepixelte Panzer schoss. Zunehmend waren auch nationalsozialistische Darstellungen Ziel der Zensur, und zwar nicht nur NS-Propaganda, sondern auch rein historische Darstellungen, was in der bundesweiten Beschlagnahme des Ur-Egoshooters Wolfenstein 3D 1994 einen Höhepunkt fand.

Gewaltdarstellungen, auch reine Fiktionen, waren das große Thema bei den aufkommenden Videofilmen der 80er-Jahre. Dies führte 1985 zu einer Umwandlung des §131 StGB, vom realitätsbezogenen Gewaltdarstellungs-Verbot in ein Zensurgesetz gegen Fantasiemedien. Bekannte Filmtitel sind "Tanz der Teufel", "Braindead" oder die Reihe "Freitag der 13.". Keiner dieser Filme billigte echte Gewalt, alle stellten sie als reine Fantasie zu Gruselzwecken dar. Dennoch sind sie bis heute völlig verboten; weil die Gerichte "Tanz der Teufel" wegen nicht menschlicher "Gewaltopfer" Straffreiheit bescheinigten, wurde der §131 noch im Jahre 2003 verschlimmbessert und kriminalisiert seither auch Gewaltdarstellungen mit "menschenähnlichen Wesen". Gerade die pazifistisch und antifaschistisch motivierte Zensur zeigt, dass auch unter der 68er-Bewegung die individuelle Selbstbestimmung im Medienbereich nicht unangefochten befördert wurde.

Werte und Un-Werte

Mit dem Begriff der Werte verbinden viele Menschen einen konservativen Begriff, der mit der Unterordnung des Individuums, mit Verzicht und Fremdbestimmung durch Staat oder Gesellschaft verbunden ist. Kein Wunder, sind es doch gerade die Unionsparteien, die am lautesten den Begriff der Werte auf den Lippen führen und damit genau dies propagieren.

So bekommen Leute wie die CDU-Politikerin und jetzige Bundesintegrationsministerin Maria Böhmer, die in der Politik und als stellvertretende Vorsitzende im ZDF-Fernsehrat eine wichtige treibenden Kraft für Computerspiel-Verbote ist, am ehesten das Etikett "wertkonservativ". Dabei sind Werte der Definition nach etwas, was den Menschen konkreten oder zumindest potentiellen Nutzen bringen soll. Beschneidung individueller Freiheit und Fremdbestimmung sind aber ein konkreter Schaden, der von den so genannten Wertkonservativen mit einem angeblichen Nutzen in abstrakter Form gerechtfertigt wird. Verzicht und Entsagung haben für sich keinen Nutzen.

Dies gilt gerade auch für die Sexualität, die traditionell stark von repressiven Wert- und Moralvorstellungen dominiert wurde und vereinzelt noch wird. Verhaltensbeschränkungen, wie Keuschheit, sexuelle Enthaltsamkeit oder der jungfräuliche Eintritt in die Ehe bringen heute, wo man sich gegen Schwangerschaften und Geschlechtskrankheiten schützen kann, keinen Nutzen, stellen aber für jene, von denen sie gefordert werden, eine erhebliche Belastung dar. Trotz aller Liberalisierung läuft intensive sexuelle Tätigkeit vielfach noch den gesellschaftlichen Normvorstellungen entgegen.

Gerade im bürgerlichen Bereich dienen Normen und "Werte" aber nicht nur dazu, im Zusammenleben Reibungen zu vermeiden; vielmehr sind sie der Nährboden für gesellschaftliche Repression - unabhängig davon, ob jemand von dem normwidrigen Verhalten einen Schaden hat. Sexualrepressive Normen ermöglichen es geschwätzigen Damen, über eine junge Nachbarin mit häufiger wechselnden Männerbesuchen her zu ziehen. Hier werden nicht mehr Werte für letztlich positive Zwecke propagiert, hier sind sie reiner Repressionsvorwand und werden dadurch zu Un-Werten.

Ähnlich wie bei der Sexualität gibt es auch andere fragwürdige "Werte", wie etwa unkritischen Gehorsam, die in der Vergangenheit selbstverständlich gefordert wurden und teils auch wieder in der Erziehung propagiert werden. In der Zukunft, wenn das "Dritte Reich" immer weniger vor zweifelhaften Werten abschreckt, muss man sich mit Schaden, Risiko und der Frage nach der Notwendigkeit solcher Un-Werte verstärkt auseinander setzen. Viele positive Werte können eine negative Seite bekommen, wenn sie als Vorwand für Repressionen dienen. So ist die Familie für viele ein zu schützender Wert, sie wird aber eindeutig zum Un-Wert, wenn sie als Vorwand zur Sexualrepression genommen wird. Sogar das Gebot der Menschenwürde in Artikel 1 GG kann zum Un-Wert mutieren, wenn es nicht mehr echte Menschen schützt, sondern zur Reglementierung reiner Fantasiewelten zweckentfremdet wird.

Auch die Computerspiele sind ein zentrales Schlachtfeld der Wertediskussion und von virulenten Un-Werten. Die Forderungen nach Verboten von als unmoralisch empfundenen Spielinhalten stehen auf einer unscharfen Grenze zwischen der Abwehr vermeintlicher Gefahren und einer reinen Repressions-"Moral", die, ähnlich wie bei der Sexualität, das abwegige Vergnügen zu verdammen sucht, um einen Vorwand für eigene Machtausübung mit Repression und Schikane zu finden. So sucht Christian Pfeiffer in seinem Brief an den Medienausschuss nach "Werten" der Verfassung, um damit Totalverbote zu rechtfertigen und betreibt dabei den Missbrauch des Menschenwürde-Gebots in Artikel 1 GG. Denn der Grund, der eine moralische Verdammung und Bestrafung echter Gewalttaten erfordert und ihre Unterlassung als Wert qualifiziert, die Schädigung anderer, liegt bei der reinen Simulation nicht vor.

Somit ist der Versuch, in den virtuellen Welten der Computerspiele die Werte der Wirklichkeit durchzusetzen, größtenteils zum Propagieren von Un-Werten der Repression und der Verbote verdammt.

Es gibt aber sehr wohl auch positive Werte, die unser Gesellschaftswesen kennzeichnen und die mühsam gegen gewachsene Un-Werte durchgesetzt werden mussten. Beispielsweise die sexuelle Freiheit, zu außerehelichen Handlungen, Homosexualität, anderen Normabweichungen oder Pornografie. Es ist ein Wert, dass der Begriff "Unzucht" aus dem Strafgesetzbuch eliminiert wurde. Weithin wird akzeptiert, dass der Privatbereich zu schützen ist vor dem Diktat übergeordneter Instanzen, auch vor Gesellschaftsmehrheit und Staat. Man hat einen sehr großen Wert geschaffen, nämlich die weitgehende Freiheit im Privaten. Denn die Freiheit ist ein echter Wert, etwas, das Menschen Nutzen und einen Gewinn an Lebensqualität bringt. Deshalb ist es ein Eintreten für Werte, wenn Menschen eine weitest mögliche Selbstbestimmung des eigenen Lebens, bei Sexualität, Unterhaltungsmedien und allgemeinem Lebensstil, gegen repressive Pseudo-Werte verteidigen.

Medien und Ethik

Nach der landläufigen Vorstellung gab es bei den großen Print- und Rundfunkmedien eine Aufteilung in unterhaltungsorientierte Boulevardmedien und objektive Informationsprodukte. Mit den Kampagnen gegen gewalthaltige Computerspiele entstanden auf ein Mal für viele, vor allem jüngere Menschen, Zweifel an der Objektivität und Wahrheitstreue der Information. Zunächst begann Ende 2004 das ZDF-Magazin Frontal 21 mit einer aggressiven Berichterstattung gegen Computerspiele, die sich in der folgenden Zeit zu einer Kampagne, auch in anderen ZDF-Sendungen, ausweitete. Der Stil der ersten Sendungen war altbekannt: Hypermoralisieren, Gleichsetzung von Spiel- und Echthandlungen, Spielszenen, die den Normalbürger schockieren sollten, gemeinsam mit dem Appell an den autoritären Staat, der so etwas "perverses" verbieten sollte.

Fernsehsprecher, die mit eingeübter Empörung in der Stimme über "simulierten Mord" lamentierten, gab es auch schon früher, ebenso wie eine einseitige Auswahl oft fragwürdiger "Experten". Boulevardthemen, wie die Jagd nach Abnormitäten, deren voyeurgerechte Darstellung und dazu autoritärstaatliche Repressionsforderungen, schwappen gelegentlich in sich seriös gebende Sendungen. Neu waren jetzt der Kampagnencharakter und das Zusammenspiel mit politischen Zensurbestrebungen. In "Frontal 21" propagierten autoritäre Politiker Zensurforderungen; im ZDF-Fernsehrat saß die schon erwähnte Maria Böhmer. Auf Anfrage bestritt sie, direkten Einfluss auf die Sendungen genommen zu haben.

Nachdem Computerspieler "Frontal 21" lange für das Äußerste des öffentlich-rechtlichen Fernsehjournalismus zu Computerspielen gehalten hatten, wurden sie am 22. Februar dieses Jahres durch das NDR-Magazin "Panorama" eines Besseren belehrt: Dort wurde aus einvernehmlichen Sexszenen des "GTA Hot Coffee Mod" ein "Vergewaltigungsspiel" gefälscht; Computerspieler, die über einen Witz lachten, wurden mit wilder Ballerei auf Spiel-Leichen zusammen geschnitten.

Dazu kam die Nähe zu einer Firma für Internet-Filtersoftware, die auch vorher Panorama zugearbeitet hatte und von der darin geforderten Zensur gegen Internet und Computerspiele profitiert hätte. Der NDR-Rundfunkrat verhielt sich angesichts der Kritik wie Stromkonzerne nach Pannen in ihren AKW: Beschwerden wurden abgebügelt und Fehler bestritten. Die Panorama-Redaktion legte noch weitere Beiträge nach; in einem brachte sie die Morde im mecklenburgischen Tessin mit Computerspielen in Verbindung, kurz, bevor der Strafrichter dies als Ursache ausschloss.

Gerade der Panorama-Bericht hat einem riesigen Publikum Manipulationsmethoden deutlich gemacht, die anscheinend keine Seltenheit sind, ansonsten aber hauptsächlich Randgruppen, wie Sekten oder die rechtsradikale Szene, treffen. Für letztere ist eine verfälschte Darstellung schon so zum täglichen Brot geworden, dass sie ihren Anhängern Interviews mit der Presse schlichtweg verbietet. Für diese Gruppen gibt es keine Gegenöffentlichkeit, die auf Fälschungen hinweist, und festgestellte Manipulationen werden nicht angeprangert, weil sie ja "die Richtigen" treffen. Eine Verpflichtung, bei den festgestellten Tatsachen zu bleiben, sehen die betreffenden Journalisten nicht, was auch in der Erklärung der Panorama-Redaktion zum Spielebericht deutlich wurde: Macho-Gehabe in einer Sexszene legitimiert demnach die Interpretation als Vergewaltigung; das Verschneiden der Spieler-Interviews mit fremden Gewaltszenen wird mit der Darstellung eines vom Redakteur gewünschten Spieler-Bildes gerechtfertigt.

Bei allgemeinen Hassobjekten, wie Rechtsextremisten, wird mit Manipulationen bisweilen geprahlt: Auf der Webseite www.anstageslicht.de wird ein Panorama-Bericht von Januar 2005 gepriesen, in dem der Gegenschlag von NPD-Anhängern, die von Autonomen gewaltsam angegriffen wurden, als brutaler Überfall auf harmlose Gegendemonstranten dargestellt wurde.

Mit der zweifellos existierenden Problematik rechtsextremer, rassistisch oder politisch motivierter Überfälle, hatte diese Gegenattacke wenig gemein. Hier erhielt die politische Agitation absolute Priorität gegenüber der tatsachengetreuen Berichterstattung. Die Entstehungsgeschichte auf "www.anstageslicht.de" zeigt, dass die abgefilmte oder in Äußerungen gezeigte Realität für die Journalisten lediglich Rohmaterial darstellt, aus dem das von ihnen gewünschte Bild modelliert wird. Ob der Zuschauer lieber maximale Agitation gegen bedenkliche Gruppierungen oder einen faktentreuen Journalismus möchte, muss er selbst entscheiden; nur ist der Anspruch eines objektiven und wahrheitsgemäßen Journalismus, mit dem öffentlich-rechtliche Fernsehmagazine gerne antreten, hier nicht erfüllt.

Nach den Manipulationen bei dem Computerspiel-Bericht stellt sich für nicht wenige Zuschauer die Frage, ob nicht viele Berichte auf vergleichbare Art zu Stande kommen und einen entsprechenden Wahrheitsgehalt haben. Und die nicht mehr ganz so jungen Zuschauer erinnern sich an die geschauspielerten Ku-Klux-Klan-Treffen und Drogendealer eines Michael Born, der mit seinen Inszenierungen auch nur ein andernorts real vermutetes Geschehen möglichst realistisch darstellen wollte - so, wie die Panorama-Redakteure mit dem erfundenen Vergewaltigungsspiel und dem Gelächter über Leichen-Ballerei eine besondere Verwerflichkeit und Verbotswürdigkeit extremer Spieltitel anschaulich machen wollten.

Die Berichte über "Killerspiele" lassen also auch Fragen der Ethik an die etablierten Medien aufkommen, die in anderen Zusammenhängen so nicht gestellt werden. Denn hier werden Fälschungen und Manipulationen plötzlich einem Massenpublikum bewusst, das Fernsehberichte sonst kaum kritisch hinterfragen würde. Und die Journalisten und Sender stehen vor der Frage, ob sie sich nicht zumindest an einige journalistische und ethische Mindeststandards halten sollten, oder, in Ausrichtung auf ein unkritisches Publikum, vor allem Agitation bringen und ihre Macht genießen, großen Teilen der Öffentlichkeit eine nicht gegebene Wirklichkeit vorzugaukeln. Denn die journalistische Qualität von Medien, gerade solchen mit Seriositätsanspruch, ist auch ein bedeutender Wert.

Mängel im Grundgesetz

Tatsächlich gewährt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland die freie Entfaltung der Persönlichkeit und allgemeine Handlungsfreiheit, doch wird dies gleich im Nachsatz wieder zum wesentlichen Teil konterkariert. Denn außer der Beeinträchtigung anderer und dem Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung sieht der Artikel 2 des Grundgesetzes auch eine Beschränkung durch ein nicht näher definiertes "Sittengesetz" vor. Die Folge ist, dass beinahe jede gesellschaftliche Normvorgabe in repressive Gesetzgebung umgesetzt werden darf. Dieser Vorbehalt blockiert im Ernstfall den Schutz der individuellen Freiheit vor willkürlichen gesellschaftlichen Normzwängen, sogar im Privaten.

Er verhinderte in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik wesentliche Elemente der Selbstbestimmung; so wurden mit ihm der "Schwulenparagraf" §175 und der Kuppeleiparagraf gerechtfertigt. Jahrzehnte später rechtfertigten dann Juristen die Auflösung des Sittenstrafrechts im Sexualbereich mit dem Wandel in gesellschaftlichen Normen und Wertvorstellungen. Selbstbestimmte Sexualität, relativ zensurarme Medien und ein Lebensstil nach eigenen Maßstäben waren also auch in den letzten Jahrzehnten nicht etwa das Ergebnis eines Grundrechts auf Freiheit, sondern wuchsen lediglich im Schutze eines liberalen Zeitgeistes, während das Grundgesetz dem Staat weiterhin die Beschneidung individueller Freiheit im Sinne gesellschaftlicher Normen gestattete, sobald ein derartiges Bedürfnis entstand. Eine ähnliche Rolle wie das "Sittengesetz" im Artikel 2 GG spielt der "Schutz der Jugend" in der Informationsfreiheit nach Artikel 5, der als Grundlage für die Medienzensur im Sinne einer "Sittenbewahrung" dient.

In der Zeit nach dem Nationalsozialismus wurde langsam versucht, den kollektiven Zwangssystemen Einhalt zu gebieten. Das selbstbestimmte Individuum sollte Vorrang vor der "Volksgemeinschaft" erhalten. Doch geschah dies nur unvollständig; vieles an heutiger Freiheit wurde erst Jahrzehnte nach dem Ende des "3.Reiches" erreicht.

Das "Killerspiel"-Verbot ist eine von vielen Bestrebungen, das Privatleben wieder unter willkürliche gesellschaftliche Normen zu zwingen, Verbote von Handlungen und Mediennutzung auch dort hoffähig zu machen, weil sie von der Mehrheit als "abartig" empfunden werden. Bei dem jüngsten Verbotswahn, Rauchen, Flatrate-Trinken, Glühbirnen, ist das Beschneiden der Computerspiel-Freiheit der offensichtlichste Fall für das Vorschieben vermeintlicher Gefährdungen, während es in Wirklichkeit um die Durchsetzung eines "gesunden Volksempfindens" für angemessene Bildschirminhalte geht.

Ein Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, ohne die Schranke "Sittengesetz", wäre ein Bollwerk gegen Versuche, unsinnige Gesellschaftsnormen allen aufzuzwingen und Abweichler zu verfolgen. Deshalb ist das Thema ein wichtiger Anlass, um die Forderung nach einer unverbrüchlichen, grundgesetzlich garantierten Freiheit zu artikulieren. Eine Forderung, die gewonnenen Freiheitswerte der letzten Jahrzehnte abzusichern für den Fall, dass wieder autoritäre Tendenzen auf ihre Beschneidung hin wirken. Auch Homosexualität wird von nicht wenigen Menschen als "abartig" empfunden, umso wichtiger ist die Absicherung der sexuellen Selbstbestimmung, damit der §175, wie auch Strafgesetze gegen außerehelichen Verkehr, Pornografie und andere sexuelle Abweichungen, Rechtsgeschichte bleiben.

Das ominöse "Sittengesetz" lässt sich gegen Medien ebenso anwenden wie gegen die sexuelle Freiheit, da etwa virtuelle Gewaltdarstellungen den Normen zuwider laufen. Wer einem Verbot von "Killerspielen" zustimmt, weil er die Darstellungen verabscheut, der schafft Akzeptanz für ein allgemeines Normenstrafrecht, verneint das Recht auf selbst bestimmte Fantasiewelt und Privatvergnügungen. Und das wirkt sich dann schnell auch auf andere Lebensbereiche aus, an die man bei "seinem" Verbot gar nicht gedacht hätte. Die Antwort auf die Zensurforderungen gegen Computerspiele muss deshalb, über die Abwehr der aktuellen Zensurangriffe hinaus, die Streichung der Schranke "Sittengesetz" im Art. 2 GG sein, denn nur so lässt sich die individuelle Freiheit als echter gesellschaftlicher Wert wirkungsvoll gegen Repression sichern.

Diese Freiheit ist nicht identisch mit dem Schreckbild von Anarchie, das manche gerne zeichnen. Selbstverständlich soll der Staat die Unversehrtheit des Einzelnen schützen und Kriminelle, welche anderen schaden, bekämpfen. Die Bekämpfung echter Verbrechen steht nicht im Widerspruch zu einem Staat, der seinen Bürgern alle Freiheiten lässt, sofern sie damit nicht konkret anderen schaden. Auch Normen und Wertvorstellungen verschwinden nicht, denn viele Menschen werden sie für sich akzeptieren und Normabweichungen meiden.

Selbst eingefleischte "Killerspiel"-Fans lehnen in der Regel Computerspiele mit virtuellem Kindesmissbrauch ab. Schließlich wird niemand zum Ansehen homosexueller Pornos oder zum Bildschirm-Kettensägenmassaker gezwungen. So lange dies auf freiwilligen Werten beruht und nicht auf gesellschaftlichem Druck oder staatlichen Gesetzen, ist es auch kein Widerspruch zur Freiheit. Anders sieht es aus, wenn durch Medieninhalte echte Menschen entwürdigt werden, etwa durch verhöhnende Darstellung echter Gewalttaten. Oder durch klar sexuelle Darstellungen von Kindern, die auf Bildern echter Kinder, gar tätlichem Missbrauch beruhen. Dann werden Menschen geschädigt, und der Staat muss eingreifen. Auch ein Nazi-Spiel, das mit Hetze gegen echte Menschen oder deren realitätsbezogener Eliminierung aufwartet, ist nicht durch die Handlungsfreiheit gedeckt, weil dadurch echte Menschen angegriffen und, beispielsweise durch rassistische Hetze, verunglimpft werden. Die Beeinträchtigung echter Menschen ist die legitime Grenze für Medien, die auch nach Streichung des "Sittengesetzes" weiter im Art. 2 GG verbleiben würde.

Werte gegen Gesellschaftstotalitarismus schützen: Lasst die Teufel wieder tanzen!

Es zeigt sich also, dass in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Werten neu geschaffen wurde, während vermeintliche "Werte" mit repressivem Charakter an Bedeutung verloren. Entscheidender Wert ist die individuelle Selbstbestimmung, die Schaffung eines Bereichs in Privatleben und Fantasie, in dem Staat und Gesellschaft mit Normvorgaben nichts verloren haben.

Neben der Sexualität als traditionell am meisten von Repressionen bedrohtem Privatvergnügen sind Medien wie Film, Musik, Literatur und Computerspiele ein entscheidender Teil von Privatleben und einvernehmlichen Versammlungen, wo die Fantasie ohne Grenzen bedient und gleichzeitig niemand dadurch geschädigt werden kann. Folglich muss spätestens mit dem vollendeten 18. Lebensjahr ohne Grenzen alles erlaubt sein. Das gilt für alle "Killerspiele", ob einfache Räuber- und Gendarm-Ballerei wie "Counterstrike", Horrorshooter wie die "Doom"-Titel, Extremwerke wie "Manhunt" oder auch reine Perversionsdarstellungen. Es ist ein zu schützender Wert, wenn der erwachsene Bürger das Recht hat, sich durch extreme Darstellungen, auch selbstzweckhafte und exzessive Gewalt-Fiktionen, Nervenkitzel nach seinem eigenen Anliegen zu schaffen.

Die Zensur der jüngeren Vergangenheit, gegen Gewaltdarstellungen und unter einem überbordenden Pazifismus oder Antifaschismus, ist ein Gegenstrom zu den geschaffenen Freiheitswerten und ungeeignet, sich gegen bedenkliche gesellschaftliche Tendenzen zu wenden. Schlimmster Aspekt dieser Zensur war die Verschärfung des §131 StGB vom realitätsbezogenen Anti-Gewalt- zum Medienzensurgesetz 1985 und die daraus folgenden Horrorfilm-Verbote; "Tanz der Teufel" sei noch einmal als bekanntester Titel genannt.

Deshalb muss diese Zensur im Sinne der erkämpften Freiheitswerte rückgängig gemacht werden! Die aktuelle Bedrohung ist, über die Computerspiel-Zensur hinaus, die Tendenz zu einer Politik, welche der Gesellschaft die Kontrolle über das Privatleben, sogar die Fantasie, zugesteht: zum Gesellschaftstotalitarismus. Dieser ist keineswegs ein Gegensatz zur Demokratie, sondern ihre Ausartung zur Diktatur der Mehrheit, die individuelle Freiheiten nicht respektiert. Die nächsten Ziele sind auch schon zu erkennen, agitieren die einschlägigen Medien doch auch schon gegen angebliche "sexuelle Verwahrlosung", um damit verschärfte Repressionen gegen Pornografie zu rechtfertigen.

Und: Individuelle Freiheit muss auch Risikoverhalten einschließen; den Bürger vor sich selbst zu schützen, sollte keine staatliche Aufgabe sein. Lungenkrebs durch Rauchen ist keine Legitimation für dessen Verbot im Privatbereich. Selbst, wenn einst der Nachweis gelingen sollte, dass Gewaltmedien die echte Gewaltbereitschaft geringfügig steigern (und nicht nur statistisch damit korrelieren, was Pfeiffer & Co gerne als "Wirkung" verkaufen), ist eine minimale Risikosteigerung noch keine Legitimation, mit einem Totalverbot die individuelle Freiheit so weit zu beschneiden!

Ebenso muss der Begriff des "Jugendschutzes" und der davon untrennbare Begriff der "Jugendgefährdung" kritisch hinterfragte werden. Ist es unter freiheitlichen Gesichtspunkten akzeptabel, nur die Abweichung von bürgerlichen Sitten und Normen in der Medienfiktion als "Gefährdung" zu bezeichnen und Betroffenes mit der verbotsähnlichen Indizierung zu belegen, gar in der Namensgebung für Gesetze und Zensurbehörden diesem Gefährdungsbegriff offiziell zu machen?

Sinnvoller wäre es, die elterlichen Erziehungsbemühungen zu unterstützen und den Eltern eine Orientierung zu geben, wie dies etwa durch die Altersangaben der USK geschieht. Dementsprechend sollte der Begriff des "Jugendschutzes" bei Medien besser durch den Begriff "Erziehungshilfe" ersetzt werden; steht doch der klassische Jugendschutz unter dem Ruch des Zensurvorwandes, wogegen eine Erziehungshilfe durchaus nützlich ist und überdies den Eltern eine weitgehende Hoheit gegenüber staatlichen Vorgaben lässt. Und es müssen auch die Bundesprüfstelle BPjM und die Indizierungspraxis in ihrer heutigen Form zur Disposition gestellt werden, weil sie auf willkürlichen gesellschaftlichen Trends und Normen beruhen, auch Erwachsene stark beeinträchtigen und wirtschaftliche Zensur darstellen. Einzig akzeptable Lösung ist hier die Beschränkung auf Erziehungshilfe, analog zu USK und FSK, oder die völlige Abschaffung.

Die vorerst auf Eis gelegten Indizierungspläne der Familienministerin von der Leyen würden einen Rückschritt in die Praxis der 80er-Jahre darstellen, werden doch die Kriterien für Indizierungen wesentlich ausgedehnt. Durch automatische Indizierungen wäre die Angelegenheit mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit belegt. Sicher ist der "kleine Zensurangriff" das geringere Übel gegenüber dem von Bayern und Niedersachsen angestrebten "großen Zensurangriff" in Form eines Totalverbots im §131. Trotzdem führt auch er, wenn er wieder auf den Tisch kommt, von einer zeitgemäßen Medienpolitik weg, die wenigstens dem erwachsenen Bürger Freiheit gewährt und den Sittenschutz der 50er-Jahre, der zur Gründung der BPjS/BPjM führte, ad acta legt.

Als extrem und unbestreitbar jugendschädlich erwies sich unterdessen das ZDF mit seinem Magazin "Frontal 21" für einen Jugendlichen, der das Magazin wegen seiner Berichterstattung mit einer Counterstrike-Clanpage namens "Frontal21-Gaming" auf die Schippe nahm: Obwohl die Seite kaum von Bedeutung war und keine geschäftlichen Inhalte, nach Angabe des Betreibers nicht mal Werbung durch Dritte, hatte, ließ das ZDF, das über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, den Ersteller durch eine einschlägig bekannte Anwältin aus Tutzing mit Anwaltsgebühren von über 1600 Euro abmahnen.