Rom brennt

Tugend, Mut, Engagement und aufrecht Sterben: Robert Redford rettet Amerika und Peter Berg zeigt Erstaunliches in "Operation: Kingdom"

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Es war einmal in einem fernen fremden Land: Ein paar "böse" Eingeborene sprengen "gute" Amerikaner in die Luft oder beschießen ihre Hubschrauber am Himmel. Dabei sind diese grundguten Menschen doch nur in ihr Land gekommen, um Frieden und Demokratie zu bringen - "ein paar Dinge können wir einfach besser", sagt im einen Fall später mal eine Filmfigur -, um beim Bohren nach Ölfeldern zu helfen und am Ende vielleicht ein paar Tropfen von dem schwarzen Gold mit nach Hause zu nehmen. "Von Löwen und Lämmern", "Operation: Kingdom" und "Rendition" - drei Hollywood-Filme behandeln den War on Terror, mischen Plumpheit mit reizvoller Skepsis und zeigen das Scheitern des Westens.

Tom Cruise als republikanischer Senator Jasper Irving in "Von Löwen und Lämmern". Bild: United Artists

Die Gegenoffensive hat begonnen, die Heimatfront wankt. Analog zur wachsenden Skepsis der Bevölkerung der USA gegenüber der Kompetenz und Moral ihrer politischen Führung und ihrer Antworten auf die Anschläge vom 11.September 2001 hat auch Hollywood den „War on Terror“ entdeckt - nach jahrelanger Furcht, als "unpatriotisch" zu gelten, nach keuscher Scheu vor der Darstellung des Schreckens bei Terroranschlägen, aber immerhin noch rechtzeitig zum Auftakt des bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampfes und weitaus früher, als seinerzeit auf den Vietnam-Krieg reagiert wurde.

Es wird noch viele Filme auch in deutschen Kinos geben in den nächsten Monaten. Gleich ein halbes Dutzend von ihnen wurde seit Anfang September auf internationalen Filmfestivals präsentiert. Jetzt kommen die ersten von ihnen in die Kinos "Von Löwen und Lämmern" ("Lions for Lambs") von Robert Redford und "Operation: Kingdom" ("Kingdom" von Peter Berg, seit Mitte Oktober im deutschen Kino). Für beide Filme schrieb Matthew Michael Carnahan das Drehbuch. Zudem "Machtlos" ("Rendition", ab 21. November im deutschen Kino) von Gavin Hood, bei dem ebenfalls wie schon bei Redford Meryl Streep eine der Hauptrollen spielt. Alle drei Filme sind hochkarätig besetzt und behandeln zeitgemäße, politisch brisante Themen - doch das Urteil über sie muss durchwachsen ausfallen und latent enttäuscht.

In allen drei Filmen geht es nicht konkret um den Irak-Krieg, was demnächst in anderen Filmen Thema sein wird, sondern um den „War on Terror“ als solchen, um die Legitimität dieses Krieges und um seine Folgen sowie um den seelisch-moralischen Zustand der US-Gesellschaft.

Praxis, Theorie, Politik

Redfords Film ist formal ungewöhnlich und interessant: In drei unterschiedlichen Zeitzonen und Schauplätzen erzählt er parallel jeweils von zwei Hauptfiguren. Die Filmhandlung geschieht in Realzeit von knapp 90 Minuten, die Kamera wechselt zwischen den Orten hin und her. Um 7 Uhr früh empfängt "an einer kalifornischen Universität" Professor Stephen Malley (Robert Redford) einen seiner Studenten zu einer Sprechstunde. Man erfährt, dass der Student hochbegabt, aber faul ist. Der Professor versucht, die Ursachen dafür zu erfahren und mehr Engagement zu bewirken.

In Washington empfängt zur gleichen Zeit um 10 Uhr der aufstrebende republikanische Senator Jasper Irving (Tom Cruise) die linksliberale Journalistin Janine Roth (Meryl Streep) zu einem Gespräch "unter drei Augen". Es geht darin um eine neue Strategie im War on Terror, für die der Senator Medienunterstützung sucht.

Meryl Streep als Journalistin Janine Roth and Tom Cruise in "Von Löwen und Lämmern". Bild: United Artists

Zur gleichen Zeit - das macht ein Telefonat während des Gesprächs zwar klar, doch müsste es rechnerisch gesehen dann dort 19 Uhr sein - kämpfen in Afghanistan zwei US-Soldaten schwerverletzt im Gebirge gegen eine feindliche Übermacht. Diese Episode verbindet die beiden anderen: Wir erfahren, dass es sich bei den Soldaten um zwei ehemalige Studenten Malleys handelt, ihr Einsatz war der Beginn der Praxis von Irvings Strategie. Alle drei Schauplätze sind natürlich auch Diskursfelder und Handlungszugänge: Praxis, Theorie, Politik, bzw. Berufsfelder: Bildung, Medien, Politik, Militär.

Do you want to win the War on Terror?

Das Herz des Films ist das Politische, das Gespräch zwischen Cruise und Streep, zwischen Politik und Medien, neokonservativer und linksliberaler Position. Ein Duell zweier charmanter Schlachtrösser: Beide sind schnell, smart, intelligent, ungemein auf der Hut voreinander, dabei von heimlicher, verquerer Sympathie füreinander geleitet. Beide sind wohltuend abgebrüht, zynisch, zugleich auch idealistisch - nur Narren glauben, beides wäre ein Widerspruch. Redford macht bei allen offenkundigen Sympathien für die Watergate-sozialisierte politische Journalistin Roth auch die Cruise-Figur stark, und Cruise zeichnet den Senator nicht nur als aalglatte Karikatur anti-neokonservativer Phantasien, als einen, der an die Situation am Tag danach, am 12.September erinnert.

"So it's 'kill people to help people'?" fragt Roth bald nach Gesprächsbeginn und stellt auch die neue Strategie in Frage. 1:0! Der Senator: "Wie lange werden Sie noch immer die gleichen Fragen stellen?" 1:1! Roth: "Bis wir Antworten bekommen." 2:1! Er: "We made mistakes … How and why is not the question now. We are here. Now we have to move forward." 2:2! "Wir haben 6 Jahre gewartet. Der Zweite Weltkrieg dauerte weniger als fünf." 3:2! Er verweist umgekehrt auf die Fehler der Presse: "Was ist mit Euch los?" 3:3! "Ich hab meine Fehler zugegeben. Wann werdet ihr das auch tun?" 3:4! Sie: "We took Iraq? How did I miss that?" 4:4!

So geht es in einem fort in diesem rasanten Schlagabtausch, der nebenbei auch ein Duell zweier Schauspieler ist, vor allem aber das Gefecht zweier Weltanschauungen. Auch hier herrscht Krieg, auch hier kämpft man um kleine Bodengewinne, mit Finten, Scheinangriffen, Bluffs, und, wenn es sein muss, mit massivem Einsatz aller Mittel - "whatever it takes."

Das Mehrdeutige dieses Gesprächs ist es, was es faszinierend macht. Irving will die Journalistin manipulieren, aber er glaubt auch an das, was er sagt. Am Ende spitzt Cruise/Irving alles auf die eine Frage zu: "Do you want to win the war on terror? Yes or no? This is the quintessential Yes or No question of our time." Eine Frage, die natürlich mindestens falsch gestellt ist.

"Ich hatt' einen Kameraden…"

Demgegenüber fallen die beiden anderen Erzählstränge deutlich ab. Der von Redford selbst gegebene Professor - von deutschen Feuilletonisten wahlweise zum Historiker oder zum Soziologen befördert - zitiert vor allem politische Denker wie Sokrates, Platon, Aristoteles. Trotzdem wirkt er wie eine schwächere Kopie und Karikatur des Roth/Streep-Charakters: Ein latent frustrierter Vertreter der 68er Bürgerbewegung, der gegenüber seinem gelangweilten Studenten-Snob eine recht idealisierte (naive?) Auffassung von Engagement vertritt.

Robert Redford als Professor Stephen Malley in "Von Löwen und Lämmern". Bild: United Artists

"They bank on your apathy, they bank on your willful ignorance … How can you enjoy the good life when Rome is burning?", so der Professor. "Rome is burning!" Und die Brandstifter sind längst weg. Professor Redford entfaltet eine Psychologie der Furchtlosigkeit: "Man hat Angst und zwingt sich zum nächsten Schritt, um nicht nachdenken zu müssen" und argumentiert zugleich konservativ. Doch mit Nachbesserungen am amerikanischen Traum ist es nicht getan. Längst nicht mehr.

Über die dritte Episode und die beiden Soldaten im Schnee des afghanischen Hochgebirges decken wir hier lieber den Mantel des Schweigens. Über Tote nur Gutes. Denn schlimm ist hier nicht das Gewackel der Studio-Kulissen, über das sich manche Kritiker hier etwas über Gebühr aufregen, sondern dass Redford seine Jungs einen Heldentod sterben lässt, wie es kein totalitärer Propagandafilm besser gekonnt hätte, trotz schwerer Verletzung aufrecht, dem Feind ins Auge sehend, wie Gary Cooper in "High Noon".

Zu allem Überfluss: Der eine der beiden hätte womöglich fliehen und überleben können, doch - "Ich hatt' einen Kameraden" - er opfert sich, denn am schönsten stirbt's sich doch gemeinsam im Feld… Wo liegt eigentlich ein Unterschied zwischen solchem Schönes-Opfer-fürs-gute-Vaterland-Pathos und demokratischem Faschismus?

"Air-conditioned room" gegen Fronterfahrung

"Nie habe ich solche Löwen unter dem Befehl solcher Lämmer kämpfen sehen." Es ist angeblich dieses Zitat eines deutschen Offiziers während des Ersten Weltkriegs, gemünzt auf die Tapferkeit der britischen Truppen und die Unfähigkeit ihrer Kommandeure, das den Titel zu Redfords Film inspirierte. Denkt man es allerdings zu Ende, kommt man bereits auf erste Probleme. Verstanden als indirekte Aussage des Filmemachers müsste man ja zurückfragen: Wäre es besser, wenn die Soldaten auch Lämmer wären? Wohl kaum - der Film argumentiert in die entgegen gesetzte Richtung. Sollen also die Kommandeure Löwen sein? Liegt das Problem des War against Terror also nur in der Feigheit der Führung?

Szene aus "Von Löwen und Lämmern". Bild: United Artists

Wenn im Film die Journalistin gegenüber Senator Irving räsonniert, dieser habe keine Kampfeinsätze hinter sich, sondern agiere vom "air-conditioned room" aus, wenn US-Linke Präsident Bush und Vizepräsident Cheney die Tricks vorwerfen, mit denen sie sich während des Vietnamkriegs dem Militärdienst entzogen haben, dann taugt das womöglich noch als Wahlkampfmunition. Aber offenbar auch dafür nicht genug. Letztendlich reproduziert man damit aber nur den Vorwurf der Rechten gegen alle "Drückeberger" und erinnert verdächtig an das Ressentiment der bundesdeutschen Großvätergeneration gegen alle, die früher "nich jedient" haben. Wäre denn wirklich viel gewonnen, wenn Bush und Cheney Fronterfahrung hätten?

Das kann nur glauben, wer denkt, dass jedes Kriegserlebnis per se zum Pazifismus erzieht. Stattdessen entwickelt der Titel latent eine neue Dolchstoßlegende, nach der die Amerikaner, wären sie nur von Löwen in die Schlacht geführt worden, irgendetwas hätten besser machen können - als ob nicht der Krieg selbst, so wie er begründet wurde, bereits unverzeihlich war.

Arme sterben und Schwarze

Nein: Es wäre wunderbar, wenn es tatsächlich Redford einzige Sünde wäre, dass seine Fragen "stets um das Naheliegende" kreisen, wie Katja Nicodemus in der Zeit kritisiert. Tatsächlich aber entwickelt der Film Lösungsvorschläge, ergreift Partei für Werte, die man nur mit sehr viel Mühe und Toleranz noch akzeptieren kann. Man hat "Von Löwen und Lämmern" vorgeworfen, der Film sei zu trocken, zu akademisch, zu didaktisch. Ist er auch. Aber das ist nicht das Problem, denn wenn er etwas Spannendes, Herausforderndes oder wenigstens Überraschendes zu sagen hätte, würde man dies ebenso gern sehen, wie eine gute Dokumentation. Das Problem ist, dass er das alles nicht hat.

Redford macht ein paar gute Punkte: Er erinnert seine eigene Gesellschaft an ihre Bildungsdefizite: 77% aller Studenten kennen ihren Senator nicht. 75% kennen das Land nicht, an das Minnesota grenzt. Er argumentiert gegen eine Politik, die ihr Gedächtnis und damit ihren Sinn für die Vergangenheit verloren hat. Die damit immer kurzatmiger wird. Man müsse auf die Vergangenheit schauen, um die Gegenwart zu verstehen, um aus Fehlern zu lernen. Er weist auf Klassenprobleme hin. Die Wehrpflicht ist weiterhin ein Raum der Gleichheit und des sozialen Aufstiegs für Unterprivilegierte, der Militäreinsatz aber auch eine Weise, den Klassengegensatz wieder zu verschärfen. Arme sterben hier und Schwarze. Und er benennt das Versagen der Medien, auch der seriösen, bei denen Kommerzinteressen die Verantwortung abgelöst haben, Feigheit und Bullshit-Nachrichten dominieren.

Meryl Streep in "Von Löwen und Lämmern". Bild: United Artists

Aber Redfords Film zieht aus alldem keine gedanklichen und politischen Konsequenzen. Die Afghanistan-Episode mündet ins sinnlose Selbstopfer. Die Washington-Episode ins politische Patt und in die Resignation der Medien. Und in der Kalifornien-Episode bleibt nur das hohle 08/15-Pathos des "We can change things". Doch dieses Pathos ist die Ursache der gesellschaftlichen Apathie und Ignoranz, die der Film anklagen möchte.

Schlimmer noch: Resignation und Pathos sind unehrlich. Denn sie sind nicht zu Ende gedacht, sie sind vermeidbar wie der Heldentod am Hindukusch. Der ist nur möglich, weil sich immer noch genug Idealisten/Verzweifelte/Deppen (genau ist das nicht zu unterscheiden) zum freiwilligen Truppeneinsatz melden - was Redford ja aller Kritik zum Trotz auch prinzipiell in Ordnung findet. Täten sie das nicht, müsste jede Regierung auf eine Wehrpflicht zurückgreifen - das würde Kriegseinsätze wie den jetzigen gleich schwerer machen.

"People shouldn't be afraid of their governments, governments should be afraid of their people."

Auch in seiner theoretischen und politischen Reflexion bleibt "Von Löwen und Lämmern" auf halber Strecke stehen. Der Film zeigt Ratlosigkeit, aber auch zu viel Subtilität in der Problembehandlung, er rechtfertigt das Bestehende viel zu sehr, gibt zu viel Kredit. Vom Guantanamo und Abu Ghraib kann man heute nicht mehr schweigen, wenn man vom Krieg gegen den Terror reden will. Diese Stichworte aber fallen nicht.

Wenn es um Bürgersinn und Engagement geht, werden im Film alle möglichen konträren Optionen erörtert - aber die einzige Option, die nicht erwähnt wird, ist die wichtigste: "Changing Policy at home".

Mit anderen Worten: Aufstand, Rebellion, Revolution. Andere Filme waren da schon weniger feige. Etwa der in seiner Subversivität unterschätzte Unterhaltungsfilm "V for Vendetta" (vgl. Krieg den Palästen). Dort heißt es: "People shouldn't be afraid of their governments, governments should be afraid of their people." Das ist, leider, die einzige wirkliche Lösung.

Jeder soll sich engagieren, meint Redford. Aber noch immer gibt es in den USA keine breite Antikriegsbewegung, die mit der gegen Vietnam vergleichbar wäre. Hier hätte jedes Engagement anzusetzen. Die Ursache der Probleme, die Redford in "Von Löwen und Lämmern" anspricht, ist nicht allein der amtierende Präsident und seine Regierung. Es ist ein Volk, das mehrheitlich nicht gegen Folter, Konzentrationslager und Angriffskriege eintritt, das den Sinn für die Rechtsbrüche und moralischen Tabuverletzungen verloren hat, die auf sein eigenes Konto gehen, das die 9/11-Terroranschläge immer noch primär als narzisstische Kränkung begreift, die jede Reaktion rechtfertigt.

So ist "Von Löwen und Lämmern" am Ende doch nur eines jener typischen halbgaren Statements der sogenannten "Hollywood-Linken" - die hierzulande gut als Unionspolitiker durchgehen würden -, das als Kritik daher kommt und trotzdem doch ganz affirmativ ist. Und Redford ist eigentlich nur ein Wimp, der sich auch im siebten Jahr der Regierung Bush einschüchtern lässt von der Angst, nicht patriotisch genug zu sein. So repräsentiert "Von Löwen und Lämmern" recht gut die Skrupel und das Versagen der Demokraten als Bush-Opposition: Man will kritisieren, aber traut sich nicht. Dann zitiert man Sokrates, feiert Selbstopfer und redet von Engagement. Was bleibt sind nur schöne Worte. Doch sie schmecken längst bitter und sind im Ergebnis fast schon wieder reaktionär.

Das FBI-Team Jennifer Garner, Jamie Foxx, Ashraf Barhoum und Ali Suliman in "Operation: Kingdom". Bild: Universal Pictures

"Operation: Kingdom": Kulturkonflikt überraschend vielschichtig aufgefächert

Wer mehr Action und Geballer haben will, kommt in "Operation: Kingdom" unbedingt auf seine Kosten. Auf den ersten Blick ist Peter Bergs Film wirklich nur ein recht gewöhnliches Post-9/11-Unterhaltungsmärchen aus Hollywood: Ein tödliches Attentat gegen Amerikaner in Saudi-Arabien, ein schurkisches Terrornetzwerk, dazu als Kulisse der Nahost-Konflikt. Das ist McGuffin genug, um ein vierköpfiges heldenhaftes FBI-Team, das naturgemäß im Gegensatz zu den restlichen Figuren von bekannten Kinostars - Jamie Foxx, Jennifer Garner, Chris Cooper - verkörpert wird, in die Wüste zu schicken. Dort sollen sie den Bombenanschlag aufklären, die Täter fangen, zur Strecke bringen, sich rächen - irgendwie etwas von alldem.

Die Behörden des Königreichs unterstützen sie nur halbherzig, zum Teil sind sie schlicht inkompetent, zum Teil stecken sie mit den Terroristen unter einer Decke, so dass die Amerikaner ähnlich auf sich allein gestellt sind, wie die von Indianern umzingelten "good guys" in einem anständigen Western. Trotzdem gelingt am Ende eine Art Erfolg, nach viel Geballer, Explosion, zahlreichen Kollateralschäden und auch nicht völlig ohne eigene Opfer. Wer alte Filme kennt, weiß: Auch Hollywood war schon mal differenzierter.

Doch diese platte Oberfläche ist nur das eine. Filmisch ist "Operation: Kingdom" ein nicht nur effizient, sondern mitunter hervorragend gemachter Film, geprägt von einer körperlichen, fließenden, rasanten Kamera, die fast zu atmen scheint und von der ersten Minute an bezwingende Intensität erzeugt - stilvolles, oft sehr schön anzusehendes Kino.

Jamie Foxx, Ashraf Barhoum und Ali Suliman in "Operation: Kingdom". Bild: Universal Pictures

Doch auch inhaltlich ist der Film des eher unbekannten Peter Berg vielschichtiger, als es der erste Anschein suggeriert, und bietet, eingebettet in Mainstreamaction, Erstaunliches: Da ist zum einen die interessanteste Figur des Films, der den Ermittlern beigegebene Saudi-Colonel Al Ghazi. Ashraf Barhoum, der in "Paradise Now" einen Selbstmordattentäter spielte. Hier verkörpert er alle "guten Seiten" Arabiens, und man muss es Berg hoch anrechnen, dass er sich viel Zeit nimmt, um den Kulturkonflikt für einen Hollywood-Film überraschend vielschichtig aufzufächern und ein Bild moslemischen Lebens zu präsentieren, dass den Stereotypen fundamentalistischer Horden deutlich entgegengesetzt ist.

Härter und pessimistischer als Redford

Zugleich kratzt der Film am immer noch viel zu sauberen Image Saudi-Arabiens, des Lieblingsverbündeten der Amerikaner im Nahen Osten. Gezeigt wird das dekadente, von Korruption bestimmte Leben der Petro-Dollar-Elite, als ein Reich auf tönernen Füssen: Mit immensem Sicherheitsaufwand schützt man sich hier vor dem eigenen Volk, nur noch die Medien zaubern das Bild stabiler Souveränität - tatsächlich sind die Mitglieder der Königfamilie in Riad Gefangene der eigenen Macht.

Und auch das Bild der Amerikaner ist keineswegs schmeichelhaft: Arrogant, selbstgerecht und in der Praxis überfordert erscheinen sie. Der Film scheut sich nicht davor, den Zweifeln Wort und Gestalt zu geben, welche die westlichen Gesellschaften plagen: Stehen wir auf der richtigen Seite? Wird sich die demokratische Moderne als Lebensmodell durchsetze, oder wird sie auch im Westen allmählich durch eine autoritäre Postmoderne und durch archaische Fundamentalismen abgelöst?

Bagdad ist überall. "Operation: Kingdom" ist einer der wenigen US-Filme, die - härter, pessimistischer als Redford - grundsätzlich und offen am "american way of life" zweifeln und zeigen, dass die USA im Nahen Osten längst gescheitert sind. Wenn im letzten Viertel des Films dieses triste Szenario sich in Lärm und Schießerei verwandelt, und ein sehr prekäres Happy End am Ende steht, kann man das nur als revisionistische Fantasie interpretieren, als Ignorieren des zuvor einleuchtend präsentierten Befunds.

Szene aus "Operation: Kingdom". Bild: Universal Pictures

"Operation: Kingdom" bleibt ein Zwitter, so interessant wie unentschieden. Ein bisschen "Syriana" für Arme, ein paar "CSI"-Verweise, gewürzt mit zahlreichen Nachrichtenbild-Zitaten von der Enthauptung von Daniel Pearl bis zum Schwarzen September und den Olympiaattentaten und zum Nachtisch gibt es "Black Hawk Down".

Was "Operation: Kingdom" mit "Von Löwen und Lämmern" gemeinsam hat: Die Argumentationslinie, nach der die armen Jungs vor Ort ja nur ausbaden müssen, was ihnen die Chefs weit weg, oben in den wohlklimatisierten Räumen dolchstoßartig eingebrockt haben. Im Felde aber sind sie unbesiegt, nur Washington ist schuld, der Rest Amerikas so intakt wie zu Jeffersons Zeiten. Mit solchen Diskursen hat man nach den beiden Weltkriegen auch in Deutschland Vergangenheitsbewältigung betrieben.

Omar Metwally in "Rendition". Bild: New Line Cinema

Folter outsourcen

Der Original-Titel von "Machtlos", "Rendition", verweist auf die "extraordinary rendition", wörtlich "außerordentliche Überstellung". So wird in den USA die dortige, von der Clinton-Regierung eingeführte gesetzliche Möglichkeit genannt, Folter, pardon: Befragungen zu outsourcen, d.h. einen beliebige Person in Drittländer zu überstellen, ohne das dies administrative oder sonstige Spuren hinterlässt. Unter Bush praktizierte man das oft. In den Drittländern ist dann z.B. Folter möglich.

Gavin Hoods Film zeigt, was einem passieren kann, zeigt, was wirklich passiert und wovon wir alle wissen, dass es so passiert: Einem US-Bürger unter Terrorverdacht wird am Flughafen nach Einreise in die USA blitzschnell eine Kapuze über den Kopf gesteckt und er wird illegal - d.h. ohne Richterbeschluss, ohne Möglichkeit seine Verteidiger zu kontaktieren oder Angehörige, ohne legislative Kontrolle - verhaftet, sein Name aus der Passagierliste gelöscht.

Omar Metwally in "Rendition". Bild: New Line Cinema

"Honey, this is nasty business"

"Rendition" ist ein Hollywood-Mainstream-Film, nicht weniger, als die beiden bereits erwähnten. Aber er hat den beiden anderen Mehreres voraus. Er ist ohne einseitige Weinerlichkeit der US-Amerikaner. Er zeigt auch die andere Seite, die in "Operation: Kingdom" und "Von Löwen und Lämmern" fast nur als gesichtslose Aggressoren vorkommt. Er versucht sogar, für einen Attentäter Verständnis zu entwickeln, zu erklären, wie er wurde, was er ist - ohne falsche Verklärung dabei.

Meryll Streep in "Rendition". Bild: New Line Cinema

Ohne Folter zu verteidigen, zeigt er auch das Selbstverständnis eines Folterers - "We save lives… The work we do is important…" - und seiner CIA-Auftaggeber, von Meryl Streep wieder wunderbar verkörpert: "Honey, this is nasty business. There are upwards of 7,000 people in central London alive tonight, because of information that we elicited just this way. So maybe you can put your head on your pillow and feel proud for saving one man while 7,000 perish, but I got grandkids in London, so I'm glad I'm doing this job..." Und Thema ist auch ihre öffentliche Verteidigung: "This is my first torture." - "Americans don't torture." Was technisch gesehen in diesem Fall sogar zutrifft.

Gavin Hoods ist zumindest ein ehrlicherer Film gelungen als seinen Kollegen. Paradoxerweise unterhält er auch besser. "Rendition" argumentiert schwarz-weiß, denn es gibt keine Entschuldigung für Folter, auch nicht gute Absichten. Aber er guckt genauer hin und versteckt sich nicht hinter schönen Worten. Im Gegenteil, er führt sie treffend ad absurdum: "He is not cooperating." - "That's why he is there."

Alle drei Filme zeigen in unterschiedlicher Form, wie man Figuren zum Reden bringt und was es heißen kann, jemanden zum Reden zu bringen. In "Operation: Kingdom" ist das dezimierte, verwundete FBI-Team wieder in Washington. Geschlagen und siegreich zugleich. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann ballern, foltern und reden sie noch heute.