Film und Internet

Entwickelt sich eine neue Filmkultur und ändert sich das Nutzungsverhalten von Filmcontent?

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Vor nicht allzu langer Zeit brachte man, wenn von Filmen und Internet die Rede war, diese Medienkonvergenz gerne in Zusammenhang mit Raubkopierern, die das Medium Internet natürlich sofort als perfekte Plattform für den Austausch von Filmen sahen – und auch nutzten. Dabei birgt das Thema weitaus vielfältigere Facetten, als auf den ersten Blick offensichtlich erscheint.

Sicherlich geht es in dieser Auseinandersetzung in erster Linie um die Verbreitung von Filminhalten mithilfe der Internettechnologie, egal ob über die zahlreichen illegalen Kanäle der gut vernetzten und organisierten Raubkopierergemeinde oder über die immer stärker zunehmenden legalen Video-On-Demand- oder Video-On-Sales-Portale wie Videoload oder Maxdome. Auch der Werbeschlachtruf „IPTV“ wird immer lauter, obgleich selbst den Anbietern heute noch gar nicht so klar ist, in welche Richtung sich derartige Angebote entwickeln werden und wie diese Angebote von den Konsumenten künftig überhaupt genutzt werden.

Eines ist sicher: Das Internet hat gerade der Independent-Filmszene viele neue Distributionsmöglichkeiten eröffnet, um ihre Filme einem breiteren bzw. dem interessierten Publikum zugänglich zu machen. Es sind vor allem die Nachwuchsfilmer, die aufgrund begrenzter Finanzmittel Kurzfilme drehen, die noch vor ein paar Jahren nur wenige Chancen hatten, ihre Produktionskosten wieder einzuspielen. Mit der Marktetablierung der DVD wurde bereits ein bedeutsames Medium für Arthausfilme und den Sektor Kurzfilm geschaffen, obgleich der Handel anfangs etwas skeptisch hinsichtlich der Markttauglichkeit von Kurzfilmen eingestellt war. Dennoch ließen sich etliche Labels nicht beirren und brachten Kurzfilm-Compilations wie „Shocking Shorts“ (13th Street), „Feine Deutsche Kurzwaren“ (Bitfilm) „Kurts Filme“ (Hamburg Media School), oder „Independent Days“ (BohemiaFilmkunst) auf den Markt.

Aus: Route 66 - ein amerikanischer albTraum

Indes verfehlen Independent- und Arthaus-Produktionen in den Sammelbecken der Mediamärkte und Konsorten oft ihre Zielgruppe, da diese DVDs im Gesamtangebot untergehen und mit den Billigramschangeboten der großen Major-Vertriebe preislich oftmals nicht mithalten können. Da bietet das Internet ganz neue Möglichkeiten, die eigenen Produktionen zu bewerben und publik zu machen. So gab es mit fortwährend verbesserter Komprimierungstechnologien und Internetzugänge mit Flatrate auch immer mehr Filmproduzenten, die ihre Produktionen online stellten und von den Konsumenten via Stream angesehen oder auf die heimische Festplatte kopiert werden konnten. Erfolgreiche Beispiele hierbei sind Filme wie Something That Sticks oder Route 66 - ein amerikanischer albTraum, die äußerst erfolgreich im Internet liefen. Entsprechende Plattformen wie die noch sehr junge Indie-stars.de sind bestrebt, gerade unabhängige Kurzfilme einem noch breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Wie in vielen anderen Themenbereichen auch werden die Internetmöglichkeiten bei Filmen nicht nur von professionellen Anbietern genutzt. Gerade Tools wie Youtube.de und Myspace.com ermöglichen es Semiprofis und Amateuren, ihre Filmwerke, häufig No Budget, also mit einem nur minimalen Budget gedreht, zur Schau zu stellen. Qualitativ reichen die Werke von „sehr professionell“ bis hin zu „absoluter Schrott“, wobei im Internet gerade Filme der letzteren Kategorie eine große Anhängerschaft genießen. Vielleicht ist es ein Phänomen der Postmoderne, in welcher sich die Menschen immer stärker individualisieren möchten, auf der anderen Seite aber auch danach drängen, am Leben ihrer Mitmenschen virtuell teilhaben zu können, die den Drang nach der Produktion und Konsumtion solcher Inhalte erklärt.

Auch bietet diese vermeintlich freie Zugänglichkeit von Informationen in Form von Texten, Fotos, Filmen, Audiofiles zahlreiche Möglichkeiten, mithilfe dieser Materialien quasi-neue Produktionen zu schaffen. Ein bemerkenswertes Beispiel dieser Sparte ist der Film Loose Change, in dem versucht wird, mit einer Neubewertung der verfügbaren Fakten und Argumente zu den Ereignissen vor und nach dem 11.9. 2001 eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen und dies mit nicht unerheblichem Erfolg beim Publikum. Die Frage nach den Urheber- und Persönlichkeitsrechten des Footage-Materials sei an dieser Stelle einmal hinten angestellt.

Die legale und illegale Verfügbarkeit von Filminhalten über die Internettechnologie birgt allerdings noch eine weitere Gefahr: Aufgrund eben jener Zugänglichkeit ist es auch gerade für Kinder und Jugendliche bedeutend einfacher geworden, an gewaltverherrlichende und pornografische Stoffe zu gelangen. Hierdurch ist die Arbeit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) nicht gerade einfacher geworden. Während die Fans entsprechender Stoffe argumentieren, dass diese Filme in Deutschland aufgrund der deutschen Gesetze hierzulande nicht publiziert würden und sie daher ohne das Internet nicht verfügbar wären, ist dies auf der anderen Seite natürlich auch der Knackpunkt für den hierbei überforderten Jugendschutz.

Schließlich bleibt noch die Frage nach der Nutzergruppe von Filmcontent im Web 2.0. Ist hier eine spezielle Struktur zu erkennen, sind es die zukunftsvisionären Technikaffinen, sind es eher die Subculturer, die Filme derartig konsumieren, oder finden sich Zuschauer aus allen Bevölkerungsschichten, die ihr Nutzungsverhalten auch immer mehr ins Internet verlagern? Und was ist mit den Silver Surfern, der Generation 50+, die ja auch im Allgemeinen nach der aktuellen ARD/ZDF-Online-Studie eher zaghaft die Internettechnologie nutzen? Und wie wird sich generell das Nutzungsverhalten von Filmen im Web entwickeln?

Die Tagung Film und Internet. Die Nutzung von Filmcontent im Web 2.0, die am Samstag, 24.11., und Sonntag, 25.11. 2007, an der Universität Karlsruhe (TH) stattfindet, wird einen Versuch unternehmen, diese Fragestellungen zu erörtern und ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Einen Lifestream von der Veranstaltung wird es hier geben.