Die Familie als Keimzelle des Terrors

"Machtlos" beschäftigt sich mit dem Folter-Outsourcing der CIA

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Im Original heißt der Film, der am 22. November in die deutschen Kinos kommt, "Rendition". Der Titel bezieht sich auf die Praxis der "extraordinary renditions" - der Überstellung Terrorverdächtiger an Folterstaaten. Die deutsche "Übersetzung" gibt dies nicht wieder - aber das liegt bei einem Verleih wie Warner, wo in den 1950er Jahren aus einer Kommunistenjagd für den HUAC ein Anti-Marihuana-Film synchronisiert wurde, noch im harmlosen Bereich.

Das Ausfliegen in Folterstaaten, durch das sich rechtsstaatliche Beschränkungen (scheinbar) umgehen ließen, ist bereits seit längerer Zeit bekannt. Der ehemalige CIA-Direktor Tenet räumte vor einem Ausschuss ein, dass die CIA vor dem 11.9.2001 mindestens 70 dieser Überstellungen durchführte. Nach dem 11.9. wurde das System um spezielle Lager ergänzt.

2002 gaben die amerikanischen Geheimdienste den Einsatz von Folter offen zu. Das Medienecho hielt sich anfangs in Grenzen. Das änderte sich erst im November 2003, als der Fall des aus Syrien stammenden Kanadiers Maher Arar öffentlich wurde, der beim Rückflug aus Tunesien in die USA auf dem JFK-Flughafen gekidnappt, in den Nahen Osten verbracht und dort nach eigenen Angaben gefoltert wurde.

Sieht besorgt-beleidigt aus: Reese Witherspoon als Isabella El-Ibrahimi. Bild: Warner Bros. Entertainment

Trotzdem erfolgten noch weitere "extraordinary renditions" - unter anderem aus Italien und Schweden. An die Schilderung der letzteren durch einen schwedischen Polizisten, der Augenzeuge des Vorgangs wurde, hält sich auch die Darstellung im Film überwiegend. Die von dem Schweden geschilderte Einführung eines Zäpfchens in den Anus wird allerdings nicht gezeigt.

Zu Beginn von "Machtlos" wird der kulturell relativ amerikanisierte Araber Anwar El-Ibrahimis (gespielt von Omar Metwally) nach seiner Rückkehr von einer Geschäftsreise auf einem amerikanischen Flughafen abgefangen und in ein arabisches Land verschleppt. Der Grund dafür sind Anrufe eines Terroristen auf einem ihm zugeordneten Mobiltelefon. Dabei lässt der Film bis zum Schluss offen, wie das "Missverständnis" mit Mobiltelefonnummer zustande kam – und ob es überhaupt eines war

In dem arabischen Land wird El-Ibrahimi gefoltert. Der Folterpolizist Abasi Fawal wird vom Israeli Igal Naor gespielt und sieht aus wie Kojak. Seine Tochter Fatima (Zineb Oukach) treibt heimlich Unzucht mit dem Islamistenschönling Khalid (Moa Khouas). Beobachtet wird die Folter vom CIA-"Analytiker" Douglas Freeman, gespielt von dem aus Ang Lees schwulen Cowboyfilm "Brokeback Mountain bekannten Jake Gyllenhaal. Freeman ist eigentlich Schreibtischtäter, muss aber für einen toten Kollegen einspringen.

Weil Anwar El-Ibrahimi nicht wie versprochen am Flughafenterminal auftaucht und seinem Sohn etwas mitbringt, sucht ihn seine schwangere Ehefrau Isabella. Gespielt wird sie von Reece Witherspoon, deren Anstrengungen hauptsächlich darin bestehen, ein besorgt-beleidigtes Gesicht zu machen. So etwas unterhält bei Clint Eastwood über eineinhalb Stunden - bei Reese Witherspoon langweilt es sehr bald. In der Pressemappe wird die Schauspielerin mit dem Satz zitiert, sie fühlte sich von der Isabella-Rolle "angesprochen", weil sie "wirklich sehr neugierig darauf war, wie man in Amerika in einer Muslim-Familie lebt." Aha.

Bei ihrer Suche stößt sie auf Meryl Streep, die mit ihrem vogelartigen Gesicht eine gute Besetzung für die böse CIA-Hexe Corinne Whitman ist. Hinzu kommt, dass Streep im Gegensatz zu Reese Witherspoon sogar noch schauspielern kann. Gegen Schluss schafft der nicht ganz kitschfreie Film noch eine überraschende Wendung, indem er als Motiv für die Terroranschläge eher familiäre Bande und Rache als Religion präsentiert.

Sieht aus wie Hillary Clinton: Meryl Streep als böse CIA-Hexe. Bild: Warner Bros. Entertainment

Interessant an "Machtlos" ist, dass nach einer Zeit des medialen Verständnisses für Folter, etwa in Serien wie "24", eine gewisse Rückkehr zur Rechtstaatlichkeit einsetzt. Dieser Anspruch der Rechtsstaatlichkeit war im Kino der 1950er und 60er Jahre, als der Kommunismus als Hauptfeind galt, ein sehr wichtiges pro-amerikanisches Argument. Das änderte sich nicht erst mit 9/11, sondern bereits vorher. Die graduelle Entwicklung erfolgte über die positive Darstellung des Rechtsbruchs (beziehungsweise der Folter) durch das Individuum, das die Behörde (respektive den Staat) gleichzeitig als Vorgesetzen und als Gegner hat - etwa bei "Dirty Harry". Brian Clemens, der Hauptverantwortliche für die "Avengers", ließ in seiner Serie "The Professionals" nicht nur Terroristen zu Beginn vieler Folgen relativ gemeinschädliche Akte vornehmen (z.B. das Einschießen eines Gewehrs auf Passanten), sondern baute auch für die späten 1970er noch relativ ungewöhnlich Dialoge ein, in denen CI5-Chef Cowley ein Vorgehen jenseits der Rechtsstaatlichkeit ausführlich rechtfertigte.

Auch in "24" wird der Rechtsbruch durch Behörden im allgemeinen und Folter im speziellen gerechtfertigt – allerdings auf eine so perfide Weise, dass man die Serie (ebenso wie John Milius' "Rome") durchaus auch als den schärferen Anti-Folter-Kommentar lesen kann. "Machtlos"-Drehbuchautor Kelley Sane gab in einem Interview zu: "als potentieller Zuschauer fand ich es nicht unbedingt interessant zu sehen, wie jemand verhaftet und gefoltert wird." Trotzdem sieht man in "Machtlos" noch ziemlich viel Folter – nur ist sie relativ phantasielos und wirkt deshalb schnell langweilig. Begründet wird der Einsatz von Folter in "Machtlos" damit, dass es um die Vermeidung von Terroranschlägen geht. John Milius dagegen ging in "Rome" genau umgekehrt vor: Phantasievoll in der Ausführung und trivial in der Begründung: Da geht es nicht um Leben und Tod, sondern um eine Standarte oder um Informationen zum Ehebruch – eine vielleicht genau deshalb weit eindrucksvollere Darstellung.

Sieht aus wie Kojak: Igal Naor als Folterpolizist. Bild: Warner Bros. Entertainment