Die Welt zu Gast in Annapolis

Trotz vieler Teilnehmer ist nicht damit zu rechnen, dass der Nahost-Gipfel in den USA Ergebnisse bringen wird

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Der Sudan, Libyen, China, die Europäische Union, die Weltbank – dies sind nur einige der 49 Staaten, Organisationen und Personen, die das Außenministerium der Vereinigten Staaten Mitte dieser Woche zum Nahost-Gipfel (Nahostgipfel: "Niemand weiß, worüber geredet werden soll") eingeladen hat, der am kommenden Dienstag in Annapolis außerhalb von Washington beginnen soll. Wer tatsächlich kommen wird ist unklar, und das liegt vor allem daran, dass immer noch niemand weiß, worüber während des dreitägigen Treffens gesprochen werden wird:

US-Außenministerin Condoleeza Rice hat versprochen, dass im Mittelpunkt der israelisch-palästinensische Konflikt stehen wird, was zum Beispiel die Regierungen Syriens und des Irak verschreckt, denn dort hat man eigene Probleme und Interessen, über die man gerne sprechen würde. Aber auch in Israel und den Palästinensischen Autonomiegebieten ist die Skepsis groß: Mittlerweile macht dort die Opposition mobil und schießt kräftig gegen den Gipfel. Die Verhandlungspartner, die in den vergangenen Wochen versucht hatten, ein Rumpfabkommen auszuhandeln, reagieren darauf mit neuen Forderungen und weniger Kompromissbereitschaft. Dass der Gipfel Ergebnisse bringen wird, ist aus diesen Gründen unwahrscheinlich; dass er dennoch stattfindet, ist ein gefährliches Spiel: Denn während Washington darauf hofft, dass er die psychologischen Grundlage für Verhandlungen über die palästinensische Unabhängigkeit bis Ende 2008 schaffen wird, ist es wahrscheinlicher, dass er den Falken auf allen Seiten das Signal sendet, dass die Diplomatie gescheitert ist.

Felsendom: So nah, und doch unerreichbar: Der Tempelberg, von Muslimen Haram al Scharif genannt, wird vom Westjordanland durch die Mauer abgetrennt, die Israel vor einigen Jahren zwischen Jerusalem und den Palästinensischen Gebieten gebaut wurde.

Es ist eine dieser Phasen, in denen man die Nachrichten liest, mit Leuten telefoniert, sich die endlosen Ergüsse von Fernsehanalysten anhört und am Ende nicht sehr viel schlauer ist als vorher: Es gebe Fortschritte, heißt es morgens, Israelis und Palästinenser würden innerhalb von sechs Monaten ein Friedensabkommen unterzeichnen; alles sei festgefahren, man habe in keinem einzigen Punkt Einigkeit erzielt, wird abends erklärt und hinzugefügt, man solle sich am Besten keine Hoffnungen machen, dass das alles bald vorbei sein wird.

Hoffnung. Die haben die Menschen, die zu Avi Ochajon ins Taxi steigen, schon lange nicht mehr. „Arm, reich, Sepharden, Aschkenasen, Russen, Äthiopier – ich kutschier' jeden Tag Hunderte durch die Gegend“, sagt der 42jährige Jerusalemer, während er in halsbrecherischer Weise jede Lücke im Jerusalemer Dauerstau ausnutzt:

Bei dem Verkehr habe ich viel Zeit, um mit meinen Fahrgästen zu sprechen – und glaub' mir, Bruder, hier hat seit Wochen schon niemand mehr gesessen, der glaubt, dass der Gipfel irgendwas bringt. Am Ende ist doch immer alles schlimmer als vorher. Wenn wir Pech haben, haben wir danach die Dritte Intifada.

Und im Jerusalemer Westen, jener Hälfte, in der die Juden leben, sind diese Worte noch etwas angstbehafteter als anderswo: Es gab Zeiten, vor nicht allzu vielen Jahren, in denen Bombenanschläge das öffentliche Leben so gut wie zum Erliegen gebracht hatten: „Das war eine harte Zeit für uns alle hier – niemand ist mehr auf die Straße gegangen, aber das Schlimmste war das Misstrauen.

Er tritt aufs Gas, fegt über eine gelbe Ampel hinweg, biegt auf die Staatsstraße Eins ab. Hotelburgen, die in den vergangenen Jahren nie voll waren, Altbauten aus dem späten 19. Jahrhundert säumen die eine Seite der vierspurigen Straße, graue Wohnhäuser, die Fenster nicht mehr als enge Schlitze, die andere. Was man nicht sieht, ist die Grüne Linie, wie die Waffenstillstandslinie von 1949 heute genannt wird, die genau in der Mitte dieser Straße verläuft, und die vor 1967 ein Niemandsland aus Stacheldraht, Minen und ständigen Feuergefechten zwischen israelischen und jordanischen Soldaten war. Heute haben Straßen, Parks und ein nobles Einkaufszentrum direkt neben der Altstadt die Spuren des Krieges getilgt. Aber geteilt ist die Stadt noch immer, und das liegt längst nicht mehr nur an den verschiedenen Lebensstilen von Ost- und West-Jerusalemern und der unterirdischen Infrastruktur im arabischen Teil der Stadt, sondern zunehmend auch an der subtilen Grenze, die Israels Regierung im Laufe der vergangenen Jahre geschaffen hat: Wer sich von Ost nach West oder umgekehrt bewegt, tut dies unter den mehr oder weniger wachsamen Augen von Polizisten, die an nahezu jeder Verbindung zwischen den beiden Teilen der Stadt postiert sind und jeden kontrollieren, der im Verdacht steht, verdächtig zu sein.

Es wird immer so viel geredet

Avi bringt das Taxi in einer Geschäftsstraße zu stehen, eine Ansammlung von zwei- und dreistöckigen Gebäuden, deren Pläne nie ein Architekt zu sehen bekommen hat und in deren Erdgeschossen sich Kleidungsgeschäfte, Blumenläden und Drogerien eingemietet haben, die rätselhafterweise Berge von Schampoo aber weder Seife noch Duschgel verkaufen: Das ist Salah E-Din, das geschäftliche Herz des arabischen Ost-Jerusalems. „Wozu die Leute das viele Schampoo brauchen, habe ich auch nie verstanden“, sagt Heitam, während er in seinem kleinen Friseurladen Rasierschaum auf dem Kopf seines Kunden verteilt und eine neue Rasierklinge in sein Messer einlegt: „Manche Dinge waren eben immer schon so, und werden sich wohl auch nie ändern.“

Anlässlich des alljährlichen Jerusalem-Tages ziehen jüdische Israelis durch die arabische Altstadt in Jerusalem

Ob er glaubt, dass sich politisch bald was ändern wird? „Wer weiß“, antwortet er: „Es wird immer so viele geredet, dass man sich nie sicher sein kann, ob die Politiker es ernst meinen. Und viele meiner Kunden sind sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt in Palästina leben wollen - unsere Lage ist nicht toll, aber es gibt Krankenversicherung und Arbeitslosengeld. Jerusalem war für uns immer ein Symbol, aber jetzt, wo es ernst werden könnte, stellen sich viele die Frage, ob sie das wirklich wollen.“

Die neue Situation schlägt sich auch in Zahlen nieder: Nach 1967 hatten sich die meisten Bewohner Ost-Jerusalems geweigert, die israelische Staatsbürgerschaft anzunehmen und stattdessen mit einer Aufenthaltsgenehmigung vorlieb genommen. Seit selbst Israels Premierminister Ehud Olmert offen davon spricht, einige Stadtteile Ost-Jerusalems unter die Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde stellen zu wollen, und es in der Gerüchteküche gar heißt, Israelis und Palästinenser hätten sich längst auf eine Übergabe von fast ganz Ost-Jerusalem geeinigt, hat sich das geändert: Nach Angaben des israelischen Innenministeriums haben im Laufe der vergangenen Monate 9000 arabische Jerusalemer einen Antrag auf die Staatsbürgerschaft gestellt, und es werden wohl noch mehr werden, denn bis nächstes Jahr im April gibt es keinen einzigen Termin bei einem Sachbearbeiter mehr. „Und das obwohl Sonderschichten gefahren werden“, heißt es im Ministerium, das nach eigenen Angaben von der Antragswelle „völlig überrascht“ wurde.

Nicht überraschend findet derweil Friseur Heitam den neuen Trend:

Es ist doch völlig logisch: Wir sind hier zwar benachteiligt, leben aber immer noch besser als die Leute in Nablus oder Hebron. Wenn wir Ärger haben, können wir vor Gericht gehen, und wir haben die Möglichkeit zu tun, was wir wollen. Außerdem haben die Leute Angst, dass sie ihre Sozialleistungen verlieren. Die palästinensische Regierung auf der anderen Seite ist eine Diktatur. Aber ob ich deshalb gleich die israelische Staatsbürgerschaft annehmen würde, da bin ich mir nicht so sicher. Es ist doch nicht mal sicher, ob sich so schnell wirklich was ändert – es wurde doch schon so viel verhandelt, und es ist nie was dabei raus gekommen. Warum sollte es dieses Mal anders sein?

Zeitpläne und verhärtete Fronten

Eine Frage, die sich auch viele Analysten stellen. „Sicher hat sich die Haltung der israelischen Öffentlichkeit zu Jerusalem verändert; dass Jerusalem eine geeinte Stadt ist, dass die arabischen Stadtteile wichtig für den jüdischen Staat sind, ist keine Mehrheitsmeinung mehr“, sagt der Fernsehjournalist Ariel Pines: „Aber für eine Lösung des Konflikts reicht das nicht – das Umdenken muss in ein Abkommen übersetzt werden, dass allerdings eine positive Stimmung auf beiden Seiten braucht, weil Friedensverträge nur erfolgreich sein können, wenn die Menschen auf der Straße sie mittragen. Doch statt diese Stimmung während der Verhandlungen der vergangenen Wochen zu erzeugen, hat man den Anschein des Vor und Zurück, der Planlosigkeit erweckt.

Das war allerdings nicht immer so – ganz im Gegenteil: Man ist in den vergangenen Monaten weit gekommen, sehr weit sogar. Die Flüchtlingsfrage sei so gut wie in trockenen Tüchern gewesen; die Grenzen habe man in den Statusverhandlungen nach dem Gipfel zeichnen wollen, heißt es aus dem Umfeld der Verhandlungsteams (Die drei Fragezeichen). Zudem wurde bekannt, dass die Bauarbeiten an den Sperranlagen im Westjordanland schon seit Juni eingestellt sind. Angeblich hat das finanzielle Gründe, doch Quellen aus dem Umfeld der Regierung sprechen offen davon, dass alles Andere reine Geldverschwendung sei: „Es ist hier jedem klar, dass dies nicht die Grenze sein wird.“ Dem Vernehmen nach sollen sich Verhandlungsteams lange Zeit ausschließlich mit der Frage befasst haben, was zum Beispiel aus den Sozialleistungen für die arabischen Einwohner Jerusalems nach einer Übergabe an die Palästinenser wird. Darüber hinaus ließ Israels Regierung mehrmals palästinensische Gefangene freilassen und Straßensperren im Westjordanland abbauen; in Nablus, eine Hochburg der Radikalen, die bisher unter israelischer Kontrolle stand, wurden zudem mehrere hundert palästinensische Polizisten stationiert,die die Stadt auf die Übernahme der Sicherheitskontrolle durch die Palästinensische Autonomiebehörde vorbereiten sollen.

Der Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt ist einer der umstrittensten Punkte in den Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern.

Strittig war eigentlich nur der Zeitplan für alles Weitere: Um das Ganze durchsetzen zu können, wollte Premierminister Ehud Olmert die Umsetzung einer Übereinkunft daran knüpfen, dass die Autonomiebehörde weiterhin aktiv gegen die Radikalen vorgeht. Präsident Mahmud Abbas hingegen forderte einen starren Plan mit festem Zeitpunkt für die palästinensische Unabhängigkeit, weil seine Öffentlichkeit seit dem Scheitern von Oslo Zeitplänen mit Bedingungen sehr kritisch gegenüber steht (Berliner Polizeigesetz in der Kritik).

Der Fehler wurde wahrscheinlich an diesem Punkt gemacht. Dieses Problem wäre nicht entstanden, wenn von Anfang gesagt worden wäre: ,Wir fangen an, über die Unabhängigkeit zu verhandeln, setzen einen Zeitpunkt fest, bis zu dem wir fertig sein wollen, und schauen gleichzeitig, nicht danach, ob Sicherheit für Israel und der Stopp des Siedlungsbaus in den Palästinensischen Gebieten eingehalten wurden, so wie es die Straßenkarte zum Frieden vorsieht.

Ariel Pines

Doch diesen Vorschlag brachte Olmert erst in der vergangenen Woche, nachdem längst das gestorben war, worauf beide Seiten, aus Sorge, bei dem Massen-Treffen in Annapolis unterzugehen, aber auch um einen „zündenden Moment“ zu schaffen, hin gearbeitet hatten: Das Rumpfabkommen, das die Euphorie-Welle erzeugen sollte, auf der man zum gemeinsamen Friedensvertrag hin surfen wollte. An seiner Stelle werden Israelis und Palästinenser im Laufe des dreitägigen Gipfels getrennte Erklärungen präsentieren, aus denen wohl nur Eines erkennbar werden wird, nämlich dass man sich nicht einig ist, denn mit der Dauer der Verhandlungen, bekamen auch die Gegner von Siedlungsräumungen und Gewaltverzicht Gelegenheit, sich zu sammeln, und die zunehmende Skepsis in der Öffentlichkeit zu nutzen, um gegen die ohnehin schon angeschlagenen Regierungen auf beiden Seiten mobil zu machen. Das wiederum resultierte in verhärteten Fronten, weil die Verhandlungsparteien auf die Vorwürfe der Opposition, zu viel für zu wenig geben zu wollen, mit immer neuen Forderungen reagieren.

Bei einem Scheitern könnten die Hardliner auf beiden Seiten Aufwind erfahren

So antwortete Olmert auf den Widerstand seines rechts-populistischen Koalitionspartners Jisrael Beitenu mit der Forderung, die Palästinenser sollten Israel als jüdischen Staat anerkennen, während Abbas als Antwort auf die Kritik der Hamas am Gipfeltreffen Mitglieder seines Verhandlungsteams öffentlich erklären ließ, es habe in kaum einem Punkt eine Einigung gegeben.

Mehr als 500 Kontrollpunkte und unbemannte Straßensperren gibt es im Westjordanland. In den vergangenen Wochen wurden einige davon abgebaut.

Auf diese Weise hat die Phase des Vor und Zurück begonnen, in der niemand, und vor allem nicht die Menschen auf der Straße, wissen, was sie von dem Ganzen halten sollen. "Die Chancen auf Ergebnisse sind in dieser Situation äußerst gering“, heißt es in Israel. „Wir sind uns nicht sicher, ob der Gipfel zur Zeit wirklich die beste Idee ist“, sagen Vertreter der palästinensischen Regierung im Westjordanland. Denn dort ist Erfolg nicht allein Hoffnung, sondern zwingendes Ziel. „Die Regierungen auf beiden Seiten sind zu schwach, um sich ein Scheitern des Gipfels leisten zu können“, erläutert die Journalistin Barak Ben-Zwi vom staatlichen israelischen Rundfunk: „Wenn der Gipfel ohne Ergebnis endet, ist das ein Signal an die Öffentlichkeit, dass die Diplomatie gescheitert ist. Die Hardliner würden Auftrieb bekommen. Anschläge und Militäroperationen könnten die Folge sein.“

Wie verhärtet die Fronten auch innerhalb der beiden Seiten mittlerweile sind, zeigte sich erst Anfang der Woche wieder: Nur mit Mühe schaffte es Olmert die Freilassung von 441 weiteren palästinensischen Gefangenen durchs Kabinett zu bringen. Die Hamas auf der anderen Seite, kritisierte derweil erneut den für den 26. November geplanten Nahost-Gipfel in der Nähe der US-Hauptstadt Washington: Man sehe den bewaffneten Kampf als den einzigen Weg zu einem unabhängigen Staat, sagte ein Sprecher des politischen Flügels der radikalislamischen Organisation und konnte dabei auf offene Ohren bei vielen Palästinensern auch im Westjordanland bauen.

Wer letztlich Schuld an dieser Situation hat, ist eine ebenso theoretische wie strittige Frage: Vertreter von Israelis und Palästinensern schieben den Schwarzen Peter US-Außenministerin Condoleeza Rice zu: Zu unklar seien die Ziele, die Teilnehmer des Gipfels und zu umfassend die Erwartungen der Amerikaner für zu lange gewesen, heißt es. „Rice wollte, dass der Gipfel dem Nahost-Konflikt ein dramatisches Ende setzt; das war eine Illusion – dass sehr viel Feinarbeit notwendig sein würde, die man nicht innerhalb von Wochen erledigen kann, war uns allen vorher klar“, sagt ein Mitarbeiter der israelischen Verhandlungsdelegation: „Wir hätten mit Übereinkünften in Kernfragen nach Annapolis fahren können, ohne dass Olmert und Abbas dort eine gemeinsame Erklärung abgeben. Statt genau dies zu fordern, hätte Rice besser darauf hin gearbeitet, dass beide Seite am Ende des Gipfels die Aufnahme von Verhandlungen über den endgültigen Status bekannt geben.“

Selbst jetzt, während in Jerusalem, Tel Aviv, Ramallah und anderswo Journalisten die Koffer packen und versuchen auf den letzten Drücker ein Journalistenvisum bei den mit dem Ansturm völlig überforderten amerikanischen Konsulaten zu bekommen, sind aller Orten Politiker und deren Berater damit beschäftigt, über die Tagesordnung des Gipfels zu rätseln, und darüber, ob Syrien kommen wird, mit dem Jerusalem gerne verhandeln würde, aber von den Amerikanern zurück gehalten wird, weil diese eine Destabilisierung des Landes vor den Präsidentschaftswahlen fürchten.

Nahansicht des Tempelbergs

Sicher ist bis jetzt nur, dass am Dienstag und Mittwoch, also erst ziemlich genau eine Woche vor dem geplanten Termin, 49 Staaten, darunter der Sudan, Libyen und China, aber auch Syrien und Saudi-Arabien, Organisationen wie die Europäische Union und die Weltbank, sowie Privatpersonen wie der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter, eingeladen wurden – eine Zahl, die bei weitem die Teilnehmer an vorherigen Nahost-Gipfeln überschreitet und in der Region die Angst verstärkt hat, dass, worüber immer auch gesprochen werden wird, einzelne wichtige Themen untergehen könnten

Diese Sorge war in Israel und den Palästinensischen Autonomiegebieten von Anfang an da gewesen, und von US-Außenministerin Condoleeza Rice nur durch die Zusage gedämpft worden, der Fokus werde auf der Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts liegen. Das Ziel sei die palästinensische Unabhängigkeit bis zum Ende der Amtszeit von George W. Bush im Januar 2009, erklärte ein Sprecher des Weißen Hauses am Dienstagabend. Mit dem Gipfel wolle man zum Endspurt, also den Statusverhandlungen, übergehen, die dann in einen palästinensischen Staat übergehen sollen.

Auffällig ist dabei, dass der Sprecher jede Aussage zu den dafür notwendigen Siedlungsräumungen vermeidet. Ob der hohen Kosten und des zu erwartenden Widerstandes werden sie Jahre dauern und außerdem unschöne Bilder liefern, die Washington nach Ansicht von amerikanischen Korrespondenten in Israel am Liebsten erst nach den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr auf den Bildschirmen der Welt sähe, denn zu den Wählern der Republikaner zählt eine große Zahl von christlichen Fundamentalisten, die das Westjordanland als Teil Israels sehen und eine amerikanische Unterstützung von Siedlungsräumungen als Ausverkauf republikanischer Werte betrachten könnten.

Dass die vollmundigen Ankündigungen Realität werden, daran scheint man im amerikanischen Außenministerium indes erste Zweifel zu hegen: Man rate, die Erwartungen nicht zu hoch zu hängen, sagte einer der dortigen Sprecher Mitte der Woche. Annapolis werde der Beginn einer Entwicklung sein, nicht das Ende.

Doch ob dies die Kunden von Avi, dem Taxifahrer in West-Jerusalem, und von Heitam, dem Friseur in Ost-Jerusalem, genauso gesehen werden wird, ist alles andere als sicher: „Wenn ich mir manche der Jugendlichen anschaue, die bei mir vorbei kommen, dann kann ich mir gut vorstellen, dass eine neue Intifada ausbricht, wenn es dieses Mal wieder keine Fortschritte gibt – da ist eine Menge Wut vorhanden. Die träumen noch von Palästina und wollen dafür kämpfen.“