Die US-Mittelklasse erodiert

Wirtschaftswachstum führte nicht zur Vermehrung der "guten" Jobs

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Ökonomen gehen für gewöhnlich davon aus, dass die Qualität der Arbeitsplätze zunimmt wenn die Wirtschaft wächst. Eine neue Studie erschüttert diese Ökonomenweisheit, denn während die US-Wirtschaft in den letzten 30 Jahren um 70 Prozent gewachsen ist, stagnierte der Anteil der „good jobs“ an der Gesamtbeschäftigung.

Das in den letzten Jahrzehnten sehr starke Wirtschaftswachstum der USA dürfte nicht nur den untersten Einkommensschichten nichts gebracht haben, sondern ist laut einer aktuellen Studie des Center for Economic and Policy Research auch an der Mittelschicht spurlos vorübergegangen.

So hat das CEPR die Entwicklung der „good jobs“ über die letzten drei Wirtschaftszyklen (1979-85, 1989-95, 2000-2006) untersucht, wobei sie darunter nicht nur Spitzenverdiener versteht, sondern auch Facharbeiter etc. umfasst werden. Ein guter Job wird vom CEPR dabei aufgrund der darüber hinaus mangelnden Datenverfügbarkeit nur an drei Bedingungen geknüpft: Ein Bruttoeinkommen von 34.000 Dollar im Jahr, was dem inflationsbereinigten männlichen Medianeinkommen von 1979 entspricht; eine wenigstens teilweise vom Arbeitgeber finanzierte Renten-, sowie eine Krankenversicherung.

Dabei stellt Studienautor John Schmitt für den laufenden, noch nicht abgeschlossenen Zyklus mit minus 2,6 Prozent den mit Abstand stärksten Rückgang des Anteils der guten Jobs an der Gesamtbeschäftigung fest (1980: -0,5 %, 1990: -0,1%). Besonders stark davon betroffen waren Männer (-4,4%), während der Anteil der guten Jobs an der Frauenbeschäftigung nur um 0,5 Prozent zurückging. Allerdings war dieser Anteil in 1980ern noch um 3,3 Prozent und in den 1990ern um 2,0 Prozent gestiegen – ein Trend zur qualitativen Aufwertung der Arbeit von Frauen, der inzwischen offenbar zu Ende gegangen ist. Das lässt Übles befürchten, denn der Grund, warum der Anteil guter Jobs seit 1979 nur geringfügig angestiegen ist, liegt an der Aufwertung der Frauenbeschäftigung, die den starken Rückgang bei den Männern weitgehend kompensieren konnte.

Mit den Ergebnissen der Studie lässt sich auch die seit einiger Zeit zu beobachtende Diskrepanz zwischen der sinkenden Zufriedenheit der US-Amerikaner mit ihren Jobs und den laut Statistik durchaus gestiegenen Einkommen erklären. Denn der Anteil an laut Definition gut bezahlten Löhnen hat von 2000 bis 2006 sogar um 0,5 Prozent zugenommen, wofür aber ebenfalls vor allem der Aufholprozess der Frauen verantwortlich war. Nachdem sich aber der Anteil der guten Jobs bei Frauen von 1979 bis Anfang 2000 von unter 20 Prozent auf knapp 35 Prozent erhöht hatte, geht es seit ein paar Jahren auch hier wieder abwärts.

Dass es in den USA heute weniger gute Jobs gibt als 1979, liegt also nicht so sehr an den stagnierenden Einkommen, sondern an den Sozialleistungen, die bei beiden Geschlechtern drastisch zurückgegangen sind. So sank der Anteil der Beschäftigten mit Pensionsversicherung zuletzt um -4,9 Prozent, jener mit Gesundheitsversorgung um -3,1 Prozent, was insgesamt für die negative Entwicklung verantwortlich ist.