"Digitale Handarbeit"

Ein Dokumentarfilm kratzt am Image der Computerindustrie

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"Die Konsumenten hier müssen viel mehr über die Arbeitsbedingungen der Computer erfahren", fordert die chinesische Soziologin Jenny Chan anlässlich der Premiere des Films "Digitale Handarbeit" am 21.11.2007 in Köln. "Die meisten der chinesischen Arbeiter in den Kontaktfirmen für die multinationalen Konzerne leiden unter extremen Arbeitsbedingungen und Belastungen durch giftige Stoffe", so die Aktivistin von SACOM (Students and Scholars against Corporate Misbehaviour), die bei der Produktion des Films mitwirkte.

Das einjährige Filmprojekt, das von der Berliner Filmemacherin Alexandra Weltz umgesetzt wurde, ist Bestandteil der bundesweiten Kampagne PC Global. Mit der Kampagne versucht die Organisation WEED (Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung) seit 2006, bei Verbrauchern Problembewusstsein für die Arbeitsbedingungen in der Computerindustrie und deren Auswirkungen auf die Umwelt zu wecken.

Vor allem in China, dem weltgrößten Exporteur für Computertechnik, sind die Zustände katastrophal. So etwa im südchinesischen Shenzen, das als Freihandelszone für ausländische Unternehmen innerhalb von 20 Jahren vom verschlafenen Nest zu einer Goldgräberstadt mit 20 Millionen Einwohnern explodierte. Hier lassen nahezu alle großen Computerfirmen der Welt die Bestandteile ihrer Geräte von so genannten Kontraktfirmen produzieren. Allein beim Konzern Foxconn, wo u.a. Apple produzieren lässt, schuften rund 200.000 Menschen unter unmenschlichen Bedingungen, wie Medienberichte im Jahr 2006 aufdeckten.

Doch nicht nur bei Foxconn sind die Zustände verheerend: In den meisten Elektronikfirmen werden nicht einmal die einheimischen Standards des Arbeitsrechts eingehalten. Arbeitstage von 12-15 Stunden; 7-Tage-Woche; Schlafsäle für bis zu 100 Personen, Mindestlöhne, die nur durch Überstunden erreicht werden können – so sieht der Alltag für die jungen Wanderarbeiterinnen vom Land aus.

Hier setzt der 30minütige Dokumentarfilm "Digitale Handarbeit" an, der vor allem für den Einsatz im Unterricht und bei Bildungsveranstaltungen konzipiert ist. Anschaulich erklärt er die globale Wertschöpfungskette um das Produkt Computer und stellt vor allem eines klar: "Einen sozialen, fair produzierten oder ökologischen Computer gibt es bis heute nicht", so Sarah Bohrmann von WEED, die gemeinsam mit Alexandra Weltz das Konzept zum Film erarbeitet hat. Vielmehr, so Pun Ngai vom Chinas Working Women Network, herrschen fast überall Verhältnisse "wie in den Anfängen des Kapitalismus". Auch wenn die Hightech-Firmen äußerlich kaum an die Sweatshops des 19. und 20. Jahrhunderts erinnern – ihre Strukturen, mit denen sie auch das Privatleben der Arbeiter reglementieren, dafür umso mehr. So graut es Jenny Chan, die selbst dort arbeitete, noch heute: "Wegen der Kakerlaken und der Ratten haben wir unsere Betten mit Stoff und Plastik abgeschirmt – es war wie ein Leben im Container".

Der Film beeindruckt neben seiner verständlich aufbereiteten Sachkenntnis vor allem durch die Aufnahmen vor Ort und die Interviews mit Betroffenen. Eine Erfahrung, die Sarah Bohrmann auch bereits von ersten Einsätzen des Films an Schulen, bestätigen kann: "Die Schüler sind sehr betroffen von dem Leben, das die Arbeiterinnen führen – aber sie haben auch keine Probleme, die Hintergründe zu erfassen."

Neben dem Bereich der Produktion nimmt sich der Film auch des Problems Elektroschrott an. Denn trotz offiziellen Verbots wird dieser immer noch massenhaft in die Länder Asiens und Afrikas verschifft. Wie die "Entsorgung" aussieht, zeigen eindrucksvolle Bilder: Da schleppen Arbeiter Elektroteile mit Körben heran, während andere auf einem Müllberg hocken und die Kabel aus alten PCs herauszerren. Was davon übrig bleibt, ist keineswegs harmlos: Schwermetalle wie polyzyklische Kohlenwasserstoffe, Quecksilber und Barium verpesten die Luft und verseuchen das Grundwasser.

"Ganz klar vom Großhändler" konstatiert ein Mitarbeiter der Hamburger Wasserschutzpolizei in einer folgenden Szene. Ort des Geschehens: Ein Container im Hamburger Hafen, in dem angeblich funktionstüchtige Monitore auf ihre Verschiffung nach Asien warten. Mit zerschnittenen Kabeln und demolierten Gehäusen sehen diese zwar nach Ansicht des Beamten ganz sicher keiner Zweitnutzung entgegen – dennoch erlauben die Behörden wenig später die Ausfuhr…

Trotz des beschriebenen Ist-Zustands ist es der Verdienst des Films, die Zuschauer nicht in frustrierter Ohnmacht zurückzulassen. Sarah Bormann und Alexandra Weltz machen deutlich, dass gemeinsames Handeln von Konsumenten und Arbeitern möglich ist. Oder wie Anita Chan, vom Asia Monitor Ressource Center feststellt: "Wer hier einen menschenwürdigen Arbeitsplatz behalten will, muss mit dafür sorgen, dass die Menschen in den Entwicklungsländern auch einen bekommen".

"Digitale Handarbeit" kann für 10,- Euro (plus Versand) bei PC Global bestellt werden.