Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken

Was Sie schon immer über Sex-Komödien wissen wollten (und jetzt endlich aus einem Presseheft erfahren)

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Jan (Benno Fürmann) wird bei der Geschlechtsverkehrsanbahnung mit Melanie (Annika Kuhl) durch das schlechte Einparken von Katrin (Jessica Schwarz) gestört, wodurch ersterer und letztere alsbald ein Paar werden. Bei Melanie wiederum schnackelt’s noch am gleichen Abend mit Jans Mitbewohner Rüdiger (Matthias Matschke). Ein paar Schnitte später muss sich Katrin jedoch, weil Jan nicht zuhören kann, scheinbar unweigerlich mit dem Dschungelreisenden und Autor Jonathan (Uwe Ochsenknecht) einlassen, weshalb Jan seinerseits etwas mit seiner Sekretärin anbahnen muss. Klappt aber alles nicht, und so sind Jan und Katrin am Ende wieder ein Paar. Regie führte Leander Haußmann (Sonnenallee, Herr Lehmann, NVA), die Musik ist von James Last.

Aus dem Presseheft:

„Diese Art von Filmen hat in Deutschland seit den zwanziger Jahren eine lange Tradition, ist aber Mitte der Siebziger fast ausgestorben.“

(Leander Haussmann)

„Es kristallisierte sich bei der Arbeit heraus, dass wir uns von den Spielarten des reinen Unterhaltungsfilms verneigen wollten, die meiner Meinung nach unbedingt in eine reichhaltige Filmlandschaft gehören. Dazu zählen neben dem Schulmädchenreport und den Aufklärungsfilmen von Oswalt Kolle auch die Verhohnepiepelungen von Mel Brooks und andererseits Filme wie Der Mann, der Sherlock Holmes war oder Die Drei von der Tankstelle, die Fünfziger-Jahre-Komödien mit Heinz Erhardt und die Werke des deutschen Großmeisters des Humors, Loriot, aber auch Filme wie Morgens um Sieben ist die Welt noch in Ordnung.“

(Leander Haußmann)

Muss man da noch mehr sagen? Eigentlich doch nur: Super! Endlich hat das Deutschland von heute den Komödienmeisterregisseur, auf den es mindestens seit Peter Weck, wenn nicht seit Gustaf Gründgens gewartet hat. Also, erst mal schon: Er kommt vom Theater! Nicht irgend so ein Gewaltvideot aus der Schmuddelbude – sondern Intendant am Bochumer Schauspielhaus! Der hat nicht nur sein Lebtag lang Clowns gefrühstückt, der hat Bernhards gebruncht! Marivaux gemampft! Shakespeares geshlemmt!

Hätte Hitler auch sie in den Führerbunker mitgenommen?

Dennoch – oder gerade deshalb - versteht es sich von selbst, dass Haußmann natürlich auch bei einem scheinbar leichten Genre wie der „romantischen Komödie“ das mitbringt, was man von so einem kulturellen Schwergewicht erwartet: Eine profunde Kenntnis der und eine tief empfundene Liebe für die Komödientradition, die Deutschland ja all die Jahre hindurch bis in die Mitt-1970er – wo uns piefige Autorenfilmer dann alles kaputt gemacht haben – so exzellente Unterhaltung beschert hat. Den Albers/Rühmann-Knaller Der Mann, der Sherlock Holmes war, um nur ein Beispiel zu nennen, hat ja sogar Hitler mitgenommen, um sich die dunklen Stunden im Führerbunker zu vertreiben!

Und im Schulmädchenreport sind nicht nur sämtliche Buchstaben enthalten, die im Wort „Humor“ vorkommen, sondern auch eine Garde von hochprofilierten Schauspielern, die Deutschland aus dem 70er-Tal der Trantüten wieder auf den Olymp der guten Laune geführt haben: Ingrid Steeger (Klimbim), Heiner Lauterbach (Männer), Sascha Hehn (Schwarzwaldklinik), Annemarie Wendl (Lindenstraße) – das sind, ja, Traditionslinien! Keine Widerrede: Haußmann ist ein Kenner. Aber ist er auch ein Könner?

Aus dem Presseheft:

„Dieser Film wäre undenkbar gewesen, wenn Leander Haußmann ihn nicht gemacht hätte. Niemand anders hätte ihn auch nur annähernd in diese Form bringen können.“

(Produzent Oliver Berben über Leander Haußmann)

„Wichtig bei solchen Geschichten ist die Weglassung von sozialen, politischen und gesellschaftlichen Problematiken. Das ist die Voraussetzung dessen, was man heute noch – oft auch fälschlicherweise – ‚screwball comedy’ nennt: die sportliche Auseinandersetzung von Figuren, die sich Probleme schaffen und verbal, aber auch situativ versuchen, aus diesen Situationen herauszukommen.“

(Leander Haußmann)

Ja, muss man sagen, Warum Männer … ist wieder ein echter Haußmann – wie man überhaupt sagen muss, dass der Auteur sich - bis auf den wohl aufgrund der Beteiligung störrischer Kauze wie Christian Ulmen, Christoph Waltz oder des Drehbuchschreibers Sven Regener irritierend phlegmatischen Herr Lehmann – in seinem Schaffen bewundernswert treu bleiben konnte, ohne sich dabei zu wiederholen.

Mit Sonnenallee inszenierte er ja schon spielend-spielerisch die Erneuerung des deutschen Lümmel- und Paukerfilms (z.B. Wir hau'n die Pauker in die Pfanne, 1970), und in NVA erweckte er kraftvoll das altehrwürdige Genre der Militärklamotte (z.B. Wenn Ludwig ins Manöver zieht, 1967) zu neuem Leben. Doch unter diesen Genre-Neuerfindungen ist sein neuester Streich – womöglich der Abschluss einer Trilogie? - in seiner virtuosen Verklammerung von Aufklärungsfilm und Romantischer Komödie womöglich der spektakulärste.

Hier ist dem Regisseur nämlich ein Wurf gelungen, der weit über das hinausführt, was er zu sein vorgibt: Warum Männer … ist eine Komödie, über die man nicht lachen kann. Eine Romanze, die uns erzittern macht. Der Film wirkt über weite Strecken, als hätten sich Luis Buñuel und George A. Romero in düsterer Laune zur Dekonstruktion der deutschen Beziehungskomödie verabredet: Die Figuren, als Geschlechter-Prototypen eines Ratgeberbuchs angelegt, sollen im Rahmen einer Handlung zum Leben erwachen – aber sie können es nicht. Denn die Handlung kann sich leider nicht mit ihnen beschäftigen, sie gehorcht einer anderen Logik – nämlich der, dass unbedingt genretypische Situationen herbeigeführt werden müssen wie „Frau macht vor, wie man Orgasmen vortäuscht“, „Frau dringt in die Sex-Fantasie ihres Mannes ein“, „Nackter Hetero gerät auf der Flucht in die Schwulen-Bar“, „Mann spricht seine Frau versehentlich mit dem Namen der Geliebten an“ usw.usf. Und zwar dürfen diese Situationen– eine zusätzliche formale Erschwernis – nicht nur nichts mit den Figuren, sondern auch mit irgendwelchen „sozialen, politischen und gesellschaftlichen Problematiken“ zu tun haben: Denn das ist wahre Screwball Comedy! Da mögen Kollegen wie Hawks (His Girl Friday), Lubitsch (To Be Or Not To Be) oder Wilder (One, Two, Three) ein bisschen leichtfertig in die Sozial- und Politkomikkiste gegriffen haben – Haußmann ist da viel rigoroser: Figuren sind als bloße “Handlungsträger” und die Handlung selbst als reiner strukturalistischer “Sport” zu begreifen. Was für eine stilisische Strenge!

„Wichtig bei solchen Geschichten ist die Weglassung von sozialen, politischen und gesellschaftlichen Problematiken.“

Na, wird die eine oder der andere sagen, das allein klingt ja nach recht altbackenem Nouveau Roman-Drehbuchkniff – doch die Atmosphäre subtilen bis surrealen Sozialhorrors, der an Meisterwerke wie Buñuels Angel Exterminador oder Romeros Martin gemahnt, erreicht der Film erst dank derjenigen Regiedisziplin, die man gerade bei einem Theatermann (vielleicht zu automatisch?) ohnehin als Kernkompetenz voraussetzt: Die Schauspielerführung.

Aus dem Presseheft:

„Er kann zaubern! Ehrlich. – Sehen Sie, es gibt unterschiedliche Arten des Filmemachens. Die von erfolgreichen (vor allem Komödien-)Regisseuren in der Regel gewählte ist die, dass der Film, wenn das Drehbuch abgeschlossen ist und die Dreharbeiten beginnen, schon bis ins Detail ausgearbeitet ist. Der Unterschied ist nur, dass er dann was ganz anderes macht. […] Diese Arbeitsweise kommt natürlich vom Theater. Das Textbuch eines Stückes gibt einem Theaterregisseur ja nicht vor, was am Ende auf der Bühne zu sehen ist.“

(Produzent Herman Weigel über Leander Haußmann)

„Wenn er sagt: ‚Hmmm… da fehlt noch was’, dann macht er seine kleine mentale Schatulle auf und kommt mit einer neuen, wunderbaren Idee. Diese Schatulle hat uns viele Dinge beschert, und als Schauspieler wird man ständig davon beflügelt, weil man sich ebenso anstrengt wie Leander. Das ist, als würde man ständig Vollgas geben.“

(Jessica Schwarz über Leander Haußmann)

„Ein Blick zu viel, eine Bewegung zu viel, zu extremer Dialekt, und es kann in Alberei ausarten. Aber genau das macht eben den Reiz aus: die richtige Balance auszutüfteln. Und mit Leander Haußmann als Regisseur klappte das ganz hervorragend.“

(Uwe Ochsenknecht)

„Leander hat mich vollgehustet mit Ideen.“

(James Last über Leander Haussmann)

Die Darsteller in Warum Männer … agieren wie Untote, deren Gesichter ihnen eine unendlich schwere Last geworden sind, die durch die Welt und ihre unerklärlichen Wirrungen zu tragen sie verdammt sind. Hinter ihren lächelnden, feixenden, chargierenden Mienen spürt man eine ratlose Lähmung. Man sieht den Schauspielern – allesamt routinierte Kino- und TV-Stars – in vielen Szenen an, dass sie nicht wissen, welche Haltung sie einnehmen sollen oder wie sie überhaupt in diese Szene hineingeraten sind. Das Ergebnis ist auf psychologischer Ebene ein leicht surrealer Schwebezustand, der sich aufs Publikum überträgt.

Doch wie bewerkstelligt ein Regisseur so etwas?

Nun, nach den obigen Zitaten lässt sich erahnen, worin der legendäre Haußmann-Touch besteht: Wie die legendären Gehirnwäscher des KGB (er stammt ja aus dem Osten!) scheint der Regisseur äußerst geschickt darin zu sein, seinen Schauspielern keine Anhaltspunkte über ihre Rollen zu geben bzw. vorhandene Anhaltspunkte auch noch zu entziehen. Pausenlos bombardiert er sie mit neuen Ideen, wie man eine Szene noch witziger spielen, anders ansetzen, mit noch skurrileren Wendungen versehen, auf noch absurdere Gags hinsteuern könnte – um dann, am Höhepunkt des Chargierens, überfallartig das Romantische einzuklagen, die Emotion! „Ja, was jetzt – bin ich jetzt eine Knalltüte, die zum Abschuss freigegeben ist, oder ein ernstzunehmender Mensch, mit dem man mitfühlen soll?“ „Na, beides, Schätzchen!“

Gleich rechts von Uwe Ochsenknecht steht ein Teleskop von Tschibo

Sich als Rollentrottel verhalten, dies aber bitte von Herzen – ist dies nicht tatsächlich auch die Disposition des postmodern-neoliberalen Subjekts, das sich marktgängig-flexibel verhalten und dies auch noch genießen soll? Und das daraufhin gerade nicht mehr „authentisch“, sondern nur noch in starren zitathaften Referenzgesichtsausdrücken reagieren kann („Das charmante Schwein Clark Gable“ bei Benno Fürmann, „Die selbstbewusste Karrierefrau Anne Will“ bei Jessica Schwarz)?

Und liefert der wie eh und je gruselig untote „Happy Sound“ des von Haußmann reaktivierten James Last nicht den teuflisch perfekten Soundtrack zu diesem Spaß, der heute Leben heißt? Kein Zweifel: Die zombige Grinsigkeit von Haußmanns Schauspielern, die wie eine lidschäftige Planke über den Abgrund der inneren Leere ihrer Figuren gelegt ist, transportiert knallharte Gesellschaftskritik. Ja mehr noch: Sie wirkt mit zunehmender Dauer des Films immer bedrohlicher. Diese Anwälte, diese Versicherungsmakler, diese Verlags-PR-Damen – das, bekommt man das Gefühl, sind tickende Zeitbomben. Die Amokläufer von morgen. Doch Haußmann wäre nicht der Meister der Verunsicherung, der er ist, wenn er bei seinen Inszenierungen nicht auch ein paar gröbere Hämmer dazwischen streuen würde – man will ja in der Wahl seiner Waffen nicht berechenbar werden.

So greift er an diversen Stellen auch gern mal zum eher deftigen Mittel der gezielten Fehlbesetzung – und zwar gerade bei den Cameos, die doch eigentlich den Gästen gewöhnlich gerade auf den Leib geschrieben sind. Doch Rockabilly-Schlager-Knuddelwuddel Sasha zum Beispiel ist als Rockertyp halt eben leider so teddybärenäugig, dass sein Auftritt nicht mal ein Brüller ist – sondern nur traurig in sich zusammenfällt.

Oder er unterminiert seine Figuren gleichzeitig auf mehreren Ebenen – namentlich die „Mitte dieses emotionalen Wirbelsturms“ (Produzent Oliver Berben), den von Uwe Ochsenknecht dargestellten Schweizer Weltenbummler Jonathan Armbruster: Nicht nur lässt er Ochsenknecht offensichlich mit Absicht sehr löchrigen Schweizer Akzent sprechen, er stellt dem Mann von Welt – ein wirklich köstliches Detail – als auffallendes Accessoir in seinem exotisch eingerichteten Heim ein Teleskop von Tschibo hin.

Denn so ist die Welt, wie dieser in Wirklichkeit adornitische Flagellant sie uns vorführt: Verlogen, krank machend, schäbig. Wer seinen Film langweilig, sexfeindlich und völlig unlustig nennt, hat zwar einerseits Recht – doch andererseits überhaupt nichts verstanden. Leander Haußmann ist ein Meister aus Deutschland.