Taser, Tote, Folter und das Geschäft

Der französische Taser-Chef hat sich angeblich 50 Mal mit der Elektroschockwaffe beschießen lassen, deren Harmlosigkeit das Unternehmen trotz neuer Todesfälle weiterhin propagiert

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Diskussion um die nichttödlichen Elektroschockwaffen wurde in letzter Zeit durch neue Todesfälle wieder angeheizt, die sich im Zusammenhang mit dem Einsatz der Waffen ereignet haben. Neben den möglichen körperlichen Folgen steht vor allem das Absenken der Gewaltschwelle durch die angeblich harmlosen Waffen und deren Benutzung zum Quälen, Strafen oder Demütigen zur Debatte (Elektroschockwaffen zur Disziplinierung). Letzte Woche hat der UN-Ausschuss gegen Folter in dem Bericht über Portugal die Verwendung von Taser-Waffen, die "heftige Schmerzen verursachen", als eine Form der Folter verurteilt. In manchen Fällen könne ihr Einsatz auch den Tod verursachen oder ihn als Folge nach sich ziehen. Der Ausschuss empfiehlt Portugal, die Verwendung von Taser-Waffen einzustellen.

Taser-Werbung für das Weihnachtsgeschäft

Aufsehen erregte ein Vorfall, bei dem vier kanadische Polizisten am 14. Oktober unnötig einen Mann im Flughafen von Vancouver zu Boden geworfen, festgehalten und dann mit der Elektroschockwaffe traktiert haben. Wenige Minuten später starb der Mann. Alles hatte ein junger Mann auf einem Video festgehalten, das die Polizei erst nach einem Monat unter Zögern wieder herausgegeben hatte (Der Tod aus der nichttödlichen Taser-Waffe). In kurzer Zeit sind alleine in Kanada noch zwei weitere Menschen gestorben, nachdem sie Opfer von Taserwaffen wurden.

Mittlerweile hat sich der Hersteller Taser, der die Harmlosigkeit der Waffen anpreist und sie auch an Privatkunden verkauft, wo dies legal ist, in einer Stellungnahme mit erwartbarer Argumentation zu dem weltweit aufgrund des Videos bekannt gewordenen Todesfalls geäußert. Das trete häufig in Zusammenhang mit Polizeieinsätzen bei Festnahmen oder in der Haft ein. Untersuchungen und Experten hätten aber gezeigt, dass dies nicht ursächlich mit den schwachen Stromschlägen der Waffen zusammenhänge.

Auch das Video von Vancouver zeige, dass das elektrogeschockte Opfer weiter gekämpft habe. Wäre der Taser für den Tod verantwortlich gewesen, dann hätte das Opfer durch den Stromschlag sofort an einem Herzversagen sterben müssen. Man habe deutlich sehen können, dass der Mann Symptome eines Deliriums aufgrund von Erschöpfung und Aufregung gezeigt habe (heftiges Atmen, Schweiß, Verwirrung, Gewalt gegen unbelebte Dinge). Das macht Taser dafür verantwortlich und geht dabei auch mit keinem Wort auf die Umstände ein, wie die Waffe eingesetzt wurde. Berichte, die die Elektroschockwaffe für den Tod verantwortlich machten, werden als "sensationalistisch" bezeichnet. Man habe 60 Briefe an Medien verschickt, um eine "Richtigstellung" zu verlangen.

Taser drängt massiv auf neue Märkte. Dafür organisiert man auch einige "Stunts", zumal auch immer wieder Sicherheitspolitiker gefunden werden, die überzeugt sind, unbedingt "nichttödliche" Waffen einführen zu müssen. Möglicherweise sind sie tatsächlich der Meinung, dass mit den Elektroschockwaffen besser Gewalt bekämpft und Sicherheitskräfte geschützt werden können. Dass das Absenken der Gewaltschwelle aber zu neuer Gewalt führt und die Spirale hochschraubt, zumal wenn sich die Waffen verbreiten und schließlich auch gegen die Sicherheitskräfte oder zu kriminellen Zwecken eingesetzt werden, scheint bei den Befürwortern nicht bedacht zu werden (Schutzkleidung für Taser-Waffen). Das dürfte noch brisanter werden, wenn Taser die Elektroschock-Projektile einführt, so dass ohne die Beschränkung durch Drähte über größere Entfernungen geschossen und geschockt werden kann.

In der Schweiz werden Taser schon länger von Spezialkommandos der Polizei eingesetzt. Justizminister Christoph Blocher, der mit seiner rechten und ausländerfeindlichen SVP bei den Wahlen im Oktober weiter zulegen konnte, hat sich für die Verwendung von Taser-Waffen auch bei Abschiebungen, also gegen unerwünschte Ausländer, eingesetzt. Der Nationalrat hat Anfang Oktober das Zwangsanwendungsgesetz beschlossen, nach dem Hunde und Taser im Rahmen des Ausländer- und Asylgesetzes angewendet werden dürfen. Angeblich wollte Blocher selbst die umstrittene Waffe ausprobieren und hat sie an sich selbst testen lassen, um zu zeigen, dass sie ungefährlich ist. Ob das stimmt oder nur eine Kampagne ist, bleibt unklar.

In Frankreich gibt es bei der Polizei derzeit etwa 3.000 Elektroschockwaffen von Taser. Das könnte mehr sein. Also macht der französische Taser-Chef Antoine di Zazzo Werbung, schließlich könnten allein in Frankreich 300.000 Waffen an die Sicherheitskräfte verkauft werden. Er habe, so verkündet er, sich bereits 50 Mal tasern lassen. Als richtigen Schmerz könne man das nicht bezeichnen, meint er beruhigend, und hat sich auch aufgemacht, die Politiker von der Harmlosigkeit der Waffe zu überzeugen. Bei dem rechtsradikalen, 79-jährigen Le Pen soll er letztes Jahr erfolgreich gewesen sein, Sarkozy wollte sich angeblich aber nicht zum Testen zur Verfügung stellen, obwohl er vor den Wahlen gesagt haben soll, dass er für jeden Polizisten und Gendarmen eine Taser-Waffe kaufen wolle. Innenministerin Michèle Alliot-Marie hatte im Oktober 2007 angekündigt, dass jeder der 17.000 Polizisten ab 2009 eine Taser-Waffe erhalten wird.