Die Venus als Schwester der Erde

Venus und Erde sind offenbar mit menschlichen Zwillingen vergleichbar: Von ihrer Mutter mit weitgehend ähnlichen Erbanlagen ausgestattet, haben sie sich doch sehr verschieden entwickelt. Daten der ESA-Sonde Venus Express helfen nun, den Gründen dafür nachzuspüren

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Wie es sich für Zwillinge gehört, wurden die erdähnlichen Planeten des Sonnensystems ungefähr zur selben Zeit geboren - jedenfalls in kosmischen Maßstäben betrachtet. Auch ihr Geburtsgewicht war ähnlich, ebenfalls die genetische Ausstattung mit einer kohlendioxidreichen Atmosphäre und flüssigen Ozeanen. Trotzdem könnten heute vor allem Venus und Erde, mittlerweile der Jugend entwachsen, kaum unterschiedlicher sein.

Vor allem ist das Kohlendioxid auf der Erde großteils in ihrer Kruste gebunden - auf der Venus steckt es in der Atmosphäre. Das hat die üblichen Auswirkungen, vor denen uns Klimaforscher immer warnen: Der Treibhauseffekt beschert der Oberfläche unseres Schwesterplaneten lebensfeindliche Temperaturen.

Der von Venus Express beobachtete südpolare Vortex. Bild: ESA/VIRTIS-VenusX/INAF-IASF/Obs. de Paris-LESIA; G.Piccioni, IASF-INAF

Wie es in der Gashülle der Venus aussieht, weiß die Wissenschaft spätestens, seit die russischen und amerikanischen Sonden ihre Daten zur Erde gefunkt haben. Der vor zwei Jahren gestartete Venus-Express der Europäischen Raumfahrtagentur ESA sollte nun auch die Funktionsweise der Venus-Atmosphäre genauer unter die Lupe nehmen. Im Wissenschaftsmagazin Nature berichten die beteiligten Forscher nun von den ersten Ergebnissen. Die Sonde, die in einer extrem elliptischen Bahn den Planeten umkreist, beobachtet jede Schicht der Gashülle bis hinunter zum Boden in drei Dimensionen.

Die Daten zeigen eine recht komplizierte Struktur, die sich je nach geografischer Breite und Höhe über der Oberfläche ändert. In der unteren und mittleren Atmosphäre dominieren starke Strömungen, die vom Äquator aus heiße Luft nordwärts transportieren. Um die Pole herum jedoch zeigt sich im Umkreis von rund 30 Grad eine Art Auge, das von anderen Strömungsverhältnissen beherrscht wird.

In der oberen Lufthülle ändern sich diese Verhältnisse jedoch komplett. Auf der Tagseite zerlegt die starke Sonneneinstrahlung Kohlendioxid-Moleküle zu Kohlenmonoxid und Sauerstoff - auf der Nachtseite rekombinieren die Sauerstoffatome wieder zu O2. Zudem wirkt auf der Tagseite auch der Sonnenwind auf die Atmosphäre ein - dass das so möglich ist, liegt vor allem am fehlenden Magnetfeld der Venus. Er bewirkt, dass unser Nachbarplanet über die lange Zeit einen Großteil seines Wassers verloren haben muss. Das konnte man bisher vor allem am ungewöhnlich hohen Verhältnis von Deuterium- zu Wasserstoffatomen in der unteren Atmosphäre feststellen, das 150-mal höher als auf der Erde ist. Deuteriumkerne sind schwerer als normale Wasserstoffkerne und deshalb nicht so flüchtig.

Allerdings scheint der Einfluss des Sonnenwinds doch deutlich niedriger zu sein, als bisher vermutet - die neuen Daten zeigen, dass ein Großteil davon deflektiert wird. Leider hat die Venus wohl das Pech, anders als der Mars vor allem Wasserstoff und Sauerstoff zu verlieren - ausgerechnet das eh schon im Überfluss vorhandene Kohlendioxid wird wohl durch die Gravitation zurückgehalten.

Einen ersten Beweis konnte Venus Express offenbar auch für das Erscheinen von Blitzen in der Venus-Atmosphäre erbringen. Demnach blitzt es dort ungefähr halb so oft wie auf der Erde. Blitze sind eine wichtige Energiequelle für die Chemie der mittleren und unteren Erdatmosphäre - ähnliches scheint auch für unseren Nachbarplaneten zu gelten.

Fluoreszenz-Emissionen von CO2 aus der Tagseite der oberen Venusatmosphäre. Bild: ESA/VIRTIS-VenusX/INAF-IASF/Obs. de Paris-LESIA; P. Drossart, Obs. de Paris-LESIA