Ex-Beobachtete gegen aktuell Beobachtete

Die Wochenzeitung Junge Freiheit sieht sich selber als Auslöser der Kampagne gegen die neue Juso-Vorsitzende

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Die vor knapp einer Woche gewählte Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel ist aus der Rechtsschutzorganisation "Rote Hilfe" ausgetreten. Damit gab sie wachsendem Druck nach. Nicht nur die Junge Union und die CDU/CSU forderten Drohsels Austritt - auch bei den Jusos und in der SPD hatte es vermehrt Stimmen gegeben, die der gerade erst gewählten Juso-Vorsitzenden einen Austritt aus der "RH" oder zumindest eine ruhende Mitgliedschaft nahe legten.

Auch die SPD-nahe Frankfurter Rundschau hatte am Samstag deutliche Worte für Drohsel gefunden. „Raus aus dem Verein“, war ein Kommentar überschrieben, in dem die "RH" als Unterstützerorganisation der RAF bezeichnet wurde.

Der Pressesprecher der "Roten Hilfe" Matthias Krause wies diese Vorwürfe zurück und betonte dabei:

Die Solidarität der Roten Hilfe gilt strömungsübergreifend allen Menschen, die wegen ihres linken politischen Engagements von der Justiz verfolgt und mit Verfahren überzogen werden.

Dazu gehöre, so Krause, auch die Forderung nach der Freilassung der verbliebenen Strafgefangenen aus der RAF. Die "Rote Hilfe" sei aber weder einer Partei noch einer politischen Strömung verbunden, betonte der "RH"-Sprecher. Auch der Historiker und Journalist Nick Brauns weist in seiner Studie über die Geschichte des Vereins darauf hin, dass er bereits in den 1920er Jahren von Kommunisten, linken Sozialdemokraten und parteilosen Intellektuellen gegründet und in den 1970er Jahren von maoistischen Gruppen wiederbelebt wurde, die so einiges an bizarren Vorstellungen im Kopf hatten, aber nicht mit der RAF sympathisierten. Mit dem Niedergang der Maoisten Ende der 1970er Jahre wurde die "RH", so Brauns, wieder zu einem überparteilichen Hilfsverein.

"RH"-Sprecher Krause bezeichnet die Aufregung über Drohsels Mitgliedschaft als gelungenes Zusammenspiel zwischen Konservativen und der Zeitung "Junge Freiheit", die sich erst vor einiger Zeit das Recht erklagte, nicht im Verfassungsschutzbericht aufgeführt zu werden. Tatsächlich skandalisierte die Wochenzeitung die Vereinsmitgliedschaft von Drohsel, aus der diese nie ein Geheimnis gemacht hatte, als erstes Medium. Im Anschluss berichtete die "JF" auf ihrer Internetseite täglich über den ständig wachsenden Druck auf die Juso-Vorsitzende und reihte die Politiker auf, die sich zu Wort meldeten.

Dabei ließ die "JF" keineswegs unerwähnt, dass sie selber federführend daran beteiligt war, die Kampagne zu entfachen. In ihrer jüngsten Ausgabe vermeldete die Zeitung, die aus ihrer eigenen Geschichte sehr umfassende Erfahrung mit solchen Vorwürfen hat, Drohsels Mitgliedschaft in der "RH" beweise ihre Verbundenheit mit dem linksextremen Spektrum.

In den Mainstream-Medien wurde die Rolle der "JF" in der Kampagne dagegen selten erwähnt. Möglicherweise hat man dort Angst, dass die Tatsache, dass man die Kampagne so reibungslos übernahm, vielleicht darauf hinweisen würde, dass eine Verbundenheit mit einem Spektrum besteht, das bis vor kurzem vom Verfassungsschutz beobachtet wurde?