Neuer Deutscher Kriegsfilm in harten Zeiten?

Rudolf Schweigers Kosovo-Parabel "Mörderischer Frieden"

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Seit 1999, dem Beginn des bis heute andauernden Einsatzes im Kosovo, entwickelt sich die Bundeswehr von einer Armee zur Verteidigung der Republik und Europas im Rahmen des NATO-Bündnisses zu einem flexiblen Instrument globaler und international koordinierter Missionen. Was mit heftigen parlamentarischen Debatten begann, ist derzeit schon beinahe ministerielle Routine, trotz der bisher 68 durch Anschläge oder Unfälle getöteten Bundeswehrsoldaten im Ausland. Der erste Kinofilm „Mörderischer Frieden“ („Snipers Valley“) des Münchener Regisseurs Rudolf Schweiger über den Kosovo Einsatz der Bundeswehr daher ist von brennender Aktualität. Gerade mit allen seinen Schwächen.

Immer häufiger, komplexer und arbeitsteiliger wird die Bundeswehr in internationale Operationen eingebunden - nicht nur in UN-Beobachter-Präsenzen, sondern in der ganzen Palette militärischer Strategien im Zeichen der Erhaltung, Durchsetzung und Schaffung von „Frieden“ bis hin zur logistischen und aufklärerischen Flankierung militärischer Angriffe bzw. Gegenschläge wie in Afghanistan. Der Aufklärungs-Einsatz der Tornados in Afghanistan und der tödliche Anschlag im Mai 2007 in Kunduz, bei dem drei deutsche Soldaten der ISAF (International Security Assistance Force) ums Leben kamen, mittlerweile insgesamt 21 bei gegenwärtig mehr als 3150 meist im Norden stationierten deutschen Soldaten, sprechen für sich.

Alle Bilder: Movienet

Rudolf Schweiger hat nach einer Reihe von Kurz- und Dokumentarfilmen seinen ersten Kinospielfilm über den Kosovo, „im Ausland“, in Sarajevo und der bosnischen Umgebung gedreht. Er kämpfte mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten vor Ort, erhielt aber anscheinend starkes Feedback in der Truppe, bei deutlich nachlassender Unterstützung des Verteidigungsministeriums nach dem Regierungswechsel 2005.

Allein diese Geschichte lohnt bereits ein Stück Aufmerksamkeit, auch im Vergleich zum entsprechenden jahrzehntelangen freundschaftlichen Umgang zwischen dem Pentagon und dem politischen rechten bzw. auf patriotische Unterhaltung und forcierte Action getrimmten Hollywood.

Neues Paradigma: Militärische Zivilität statt Zivilmilitarismus

Mit „Mörderischer Frieden“ zeichnet sich durchaus die Premiere eines neuen Prototyps von Kinofilm Made in Germany ab, freilich in einer etwas groben Holzschnitt-Ausgabe: der Neue Deutsche Kriegsspielfilm zum Thema „Unsere Jungs im Krisengebiet X“. Dabei sollte die Betonung auf die mehrdeutige Terminologie „Friedens-Kriegs-Spiel-Film“ gelegt werden. In diesem Genre geht es um

  1. den zivilmoralischen Umgang mit der Option Kriegseinsatz angesichts von einzudämmenden Konflikten
  2. oder um die Auseinandersetzung mit dem zynischen Spiel mit dem Risiko der Eskalation,
  3. um dem Zwiespalt zwischen dem ideologischen Auftrag einer Friedensmission und der mühevollen Gewalteindämmung durch „neutrale“ und minimalistisch verfahrende Kontroll-Präsenz,
  4. um das Risiko der zunehmenden Konfrontation mit unreglementierter kriegerischer Gewalt vor Ort,
  5. um die Wahrung der Neutralität und die Erhaltung der technologischen und militärischen Überlegenheit auch im „asymmetrischen“ Nahbereich,
  6. oder um die Prävention bzw. das Krisenmanagement bei gleitendem Übergang in lokale blutige Verwicklungen.

Insofern wird hier gerade nicht das zivil-militärische Action-Schema des Hollywood-Kinos vor und nach dem 11. September bedient, eine Form von unterhaltungsreifen Total-Militarismus, der alles zivile Verhalten in Kampfbereitschaft aufsaugt und der nachweislich schon vor den Anschlägen von New York und Washington als kinematographisches Wahrnehmungs- und Konsumschema ausgebildet war.

Das Action-Schema sensationeller Gewalt und gewaltsamer Sensationen hat seit den 80er Jahren die gesamte US-Filmproduktion dominiert und verbunden mit der Digitalisierung des Kinos in den 90ern fast alle Genres erfasst und die Kategorien von Krieg und Terror, Zivilem und Militärischem längst vor den Anschlägen in Washington und New York systematisch durcheinander geschüttelt.

Brinkemper, 2003

Das entscheidende war und ist nicht, dass der Anschlag des 11. September 2001 wie ein Action-Film aussah, sondern dass die Medien ihn als solchen wirksam verkauften, weil die Ereignisse durch das historisch dominante Wahrnehmungs- und Konsumschema entsprechend zugerüstet wurden.

Es ist daher ein naturalistischer Fehlschluss anzunehmen, Hollywood würde unmittelbar die Intentionen des bösen Pentagon vollstrecken, so wie dies Peter Bürger irrtümlicherweise wiederholt behauptet (siehe Universal Soldier). Hollywood und das Pentagon liefern kontingente Wahrnehmungsschemata, innerhalb und jenseits des politischen Diskurses, um die immer wieder neu anzufachende Kriegsbereitschaft für jeweils ihre Zwecke auszubeuten, für den Kommerz der Unterhaltung und für die Loyalität der Bürger und die Motivation der Soldaten. Die Koalition zwischen dem „totalen Vergnügen“ und dem „totalen Krieg“ ist dabei nur eines von vielen Szenarios und von vorübergehender Dauer.

Längst überfällige Form militärischer Zivilität

Bei Schweigers Kinoerstling handelt es sich eher um ein neues Subgenre des (älteren) Anti-Kriegsfilms oder des reflektierten Kriegsfilms, der entweder aus zivilmoralischer Perspektive oder in satirischer Kritik die rein militärische Sicht auf die Ereignisse anprangert oder in einen weiteren Kontext stellt und aus der Distanz reflektiert.

Da in „Mörderischer Frieden“ die deutschen Soldaten selbst die offiziellen Träger und Botschafter eines ungewollten Friedens sind, kehrt sich das Schema von Zivilität und Militanz sogar um: Hier wird eine längst überfällige Form militärischer Zivilität inszeniert, die sich nicht in die Präsenz eines vermeintlichen oder wirklichen Konfliktes einbuddelt, um loszuballern, sondern auch mit dem anderen Subjekt wenigstens zu sprechen versucht.

Kriterien des Antikriegsfilms

Wenn man die Kriterien für den genuinen Antikriegsfilm1 auch nur zum Teil ernst nimmt, sieht es freilich so aus, als habe Rudolf Schweiger diese Verantwortung in seinem Erstlingsfilm nur unter Einschränkungen und Schwierigkeiten schultern können. Vieles an diesem Film ist Fragment, Thesendrama und Sozialklischee, und manches erscheint im Vergleich zu der etablierten Geradlinigkeit des totalmilitaristischen US-Action-Streifens geradezu als fauler Kompromiss.

Was in der Idee und in der anfänglichen Recherche und Produktion noch verheißungsvoll und kritisch klingen mag, gerät in der Konzeption des Drehbuchs und in der filmischen Umsetzung zum groben Schnittmuster, das erst noch ein wegweisendes Paradigma werden will. Es gibt gute Einfälle und berührende Stellen in diesem Film. Viele Wege führen in die Berge und Täler des Kosovo und ins finstere Herz dieses multiethnischen Konfliktes. Aber immer wieder fallen Türen im falschen Moment um, ohne dass dahinter immer ein stabiles Haus stünde.

Es bleibt bei einer Inszenierung, die von Station zu Station öfters stolpert und die relevanten Pointen und Aussagen manchmal einfach abhakt. Die Regie führt die Schauspieler nicht konsequent genug, in wichtigen Momenten verharrt die Kamera unfilmisch und spannungsarm in der Theatertotalen, damit jede/r seinen Text aufsagen kann. Allenfalls mit viel Wohlwollen wäre dies eine reflektierte Darstellung der Unbeholfenheit am Beginn des ersten Auslandseinsatzes.

Zulässige und unzulässige Vereinfachungen

Der Film presst das Konfliktszenario des Kosovo in eine eher unpolitische, im einfachen soldatischen Leben und in den zivilen Ruinen am Straßenrand liegende Geschichte. Damit weicht er aber deutlich ab von vielen funktionalistischen US-Militärdramen, vom hochfinanzierten „Top Gun“ (Tony Scott) bis hin zu „Black Hawk Down“ (Ridley Scott), welche die Welt nur aus der Perspektive des aggressiven soldatischen Innenlebens auf Flugzeugträgern, in Jets und Helikoptern und in verdeckten Häuserkriegen zeigen.

„Mörderischer Frieden“ liegt eher auf der Linie des Antikriegsfilms „Three Kings“ (David O. Russell), in dem Begegnung und Rettung der unterdrückten Bevölkerung entscheidend werden, so dass die militärischen Golf-Kriegs-Abenteuer aus dem Vordergrund verschwinden wie die auslaufende Milch aus dem bedrohlichen Tanklaster. Dabei erreicht „Mörderischer Frieden“ den Drive und das zynisch-paradoxe Niveau von „Three Kings“ nicht. Es gibt Querbezüge zur interkontinentalen Vernetzung von Gewalt und Kultur in „ Babel“ (Alejandro González Inárritu), obwohl Schweigers Film einfach der große epische Atem und die cinematografische Brillanz fehlt.

Er entspricht eher den sentimentalen Passagen aus dem terroristisch aufgeladenen Bosnien von „Peacemaker“ (Mimi Leder). Zumal, wenn der idealistische deutsche Soldaten-Schutzengel unterwegs zur Liebe zu einer blonden Serbin ist, ein mitmenschliches Level, das vom aufgeblasenen „Peacemaker“-Informationskrieg und seinen Supermacht-Implikationen nichts wissen will.

Wer die subversive Qualität von „Im Westen nichts Neues“ und die jugendliche Verzweifelung in „Die Brücke“ näher kennt, wird sich fragen, ob Schweiger gut daran getan hat, sich nur an seinen empirischen Bundeswehr-Auslandseinsatz-Recherchen und der typischen deutschen Betroffenheitssprache beim Bund mit ihrem Anklang an den alten Landserjargon zu orientieren, ohne an der dramaturgischen Plastizität seiner Figuren gearbeitet zu haben.

An der abstrakten modellhaften Struktur dieser Szenen, einer Parabel, die überall spielen könnte, wäre zunächst nichts auszusetzen. Aber die komplizierte und prekäre Lage der „United Nations Interim Administration Mission“ im Kosovo wird nicht hinreichend deutlich. Sie besteht gerade in der anspruchsvollen Aufgabe, in der Region militärische Kontrolle auszuüben, Abrüstung und Gewaltverzicht der Parteien sowie schmerzliche Trennung und Umsiedelung durchzusetzen und politisch-materielle Wiederaufbauhilfe zu leisten. Dieser Maßnahmenkatalog ist bis heute nur in Teilen durchgesetzt worden.

Der große politische Rahmen, die Einigung Serbiens (als letzter Vertreter Jugoslawiens) mit den Albanern über den endgültig autonomen politischen Status des Kosovo, wurde immer weiter hinausgezögert. Das NATO-Kontingent der KFOR (Kosovo Force) sieht sich deshalb auch derzeit gezwungen, das noch vorhandene Bürgerkriegspotential weiter zu verwalten: den Konfliktherd zwischen der Mehrheit der Kosovo-Albaner (und ihren äußerlich entmilitarisierten lokalen Streitkräften, so der ehemaligen UÇK) und der Minderheit der Serben, die vormals von der gegen jedwede Autonomie-Bestrebungen drakonisch vorgehenden Jugoslawischen Armee massiv „unterstützt“ wurden.

Eine weithin akzeptierte politische Lösung, die einen echten Frieden voranbringen könnte, ist bisher nicht in Sicht. Solche Angelegenheiten lassen sich filmisch oft nur in ausführlicheren Dialogen auf der Chefebene oder in aufwändigen panoramischen Aufnahmen mit vielen Akteuren verdeutlichen.

Wohlversorgte Militär-Touristen

Die KFOR ist in vier multinationale Brigaden aufgeteilt. Das deutsche Kontingent, von anfangs 6000 auf derzeit 3000 Soldaten gesunken, befindet sich in der Multinational Task Force South (MNTF-S), in Südkosovo in Prizren, zusammen mit Soldaten aus Österreich, Aserbaidschan, Bulgarien, Georgien, der Schweiz und der Türkei. Insofern wirkt bereits die Konzentration auf eine deutsche Einheit in Schweigers Film als eine grobe Vereinfachung des internationalen Geflechts.

„Peacemaker“ ging im James-Bond-Reise-Rhythmus des Zuschauers und der beiden Protagonisten, dargestellt von Clooney und Kidman, zwar brachial, aber deutlich multinationaler vor. Schweigers deutsche Soldaten erscheinen zunächst wie wohlversorgte Militär-Touristen, die so gut wie ahnungslos im südosteuropäischen Entwicklungsgebiet eintreffen und immer noch blind und sorgenfrei um sich selbst kreisen.

Erst allmählich geraten sie zwischen die mehr oder weniger kenntlichen Parteien, die jenseits einer klaren kriegerischen Front ihr Spiel mit Gewalt und Rache auch im offiziell verordneten Frieden mörderisch weiterspielen. Ein zentraler Mangel von Schweigers Kinoerstling ist: Die Schauspieler stellen das politisch-militärische Szenario nicht in der erforderlichen wortkargen und nüchternen Professionalität dar. Immer wieder ist ein geschwätziger Bühnentonfall zu hören.

Das Drehbuch verteilt die historischen Lasten des lokalen Bürgerkriegs sauber und gleichmäßig auf die ethnischen Vertreter: auf der einen Seite etablierte, gut genährte national-militaristische Serben, die von der Armee Restjugoslawiens unterstützt wurden beziehungsweise als deren Handlanger und Experten Karriere machten, und die nun Machtverlust und Vertreibung fürchten. Auf der anderen Seite die unterdrückten, schmalgesichtigen, terroristisch-rachsüchtigen Kosovo-Albaner, die sich in ihrem politischen Begehren nach der Entwaffnung erneut in den Untergrund gedrängt sehen. Beide Parteien werden nach dem Generationenschema Alt-Schuldig und Jung-Unschuldig/Mitschuldig weiter „differenziert“.

Dieses Schema allein macht noch keinen schlechten Film. Problematisch wird das Ganze, weil das Zusammenspiel der Komponenten so hölzern und durchschaubar in den Einzelszenen und im Verlauf realisiert wird, dass die angedrehten Gesten, flachen Figuren und rhetorischen Emotionen bisweilen von unfreiwilliger Komik sind, sogar da, wo ernsthafte Konflikte und menschliche Abgründe das Thema sein sollten. Die Kunst besteht eben doch darin, zwischen den Zeilen zu lesen und zu spielen.

Der Konflikt im Film (Achtung Spoiler)

Bei der Einfahrt in den Kosovo sieht die deutsche Panzertruppe am Rande der Straße trauernde Familienangehörige, eine albanische Mutter und ihren jungen Sohn, am Grab des gefallenen Ehemannes und Vaters. Später wird die melancholische Ruhe durch eine Explosion unterbrochen: Die Mutter ist durch eine Sprengfalle getötet.

Im Panzer sitzen markige Jungs, behelmt im grünen Tarnanzug. Ein Hauch Mannschaftsgeist, Gruppen- und Durchhaltemoral wie in „Das Boot“, zwischen „Abenteuerlust und Ängstlichkeit“ (Schweiger). Doch sobald sie den Mund aufmachen, sondern sie das alte und neue NATO-Bundeswehr-Deutsch ab, eine modernisierte GI-meets-Landser-Sprache, die zunächst noch nicht von der internationalen Auftragslage angesteckt ist, sondern wie ein deftiger deutscher Bier-Export in eine unbekannte Zone wirkt, die der Schauspieler-Vorgesetzte mit seinem angedrehten Befehls- und Kompetenzton solange durchknetet, bis jeder Hauch von Fremdheit aus Bild und Ton verschwunden ist.

Im fiktiven Matlentan treffen die deutschen Recken auf die aufgebrachten Kosovo-Albaner, darunter auch die jugendliche Miliz mit dem Anführer und Anwalt Enver (überdeutlich intrigant Anatole Taubman). Die Milizangehörigen wollen sich den Weisungen der NATO nicht beugen und die angeordnete Entwaffnung durch Waffenschmuggel unterlaufen.

Auf der anderen Seite opponiert Dr. med. Goran Jovovic (bieder Peter Bongartz) national-heroisch gegen den Plan der KFOR, die letzten Serben in eine Schutzzone umzusiedeln, um sie besser verteidigen zu können. Unter den deutschen Soldaten bilden sich schnell verschiedene Reaktionsmuster heraus: Sensibel beobachtet Tom Kapielski (Adrian Topol), beherzt handelt Charly Berger (Max Riemelt) und gewaltsam packt Maik Teske zu (Bo Hansen).

Als ein Scharfschütze aus dem Hinterhalt das Feuer auf die Bevölkerung auf der Hauptstraße eröffnet, wird eine junge Frau wie zufällig verwundet. Es handelt sich aber um Mirjana, die blonde Männerphantasie und Tochter des serbischen Arztes Jovovic (mit wachsender Überzeugungskraft: Susanne Bormann). Der deutsche Soldat Charly (Max Riemelt) missachtet den Befehl zur Deckung und versucht Mirjana spontan vor weiteren Kugeln zu retten, wird dabei aber selbst verletzt. Sein Kamerad Tom (Adrian Topol) verfolgt den Sniper und stellt ihn mit gezückter Waffe.

Der Täter erweist sich als ein halbwüchsiger albanischer Junge, Durcan (junges Talent: Damir Dzumhur), der mit Todesverachtung sein Gewehr langsam auf den Boden vor dem deutschen Soldaten legt. Die späteren Verhöre liefern keine Antwort, Durcan schweigt sich über die Waffenlager der Milizen beharrlich aus. Er ist in seiner eigenen Verzweifelung gefangen, er ist der Junge, der zuvor miterleben musste, wie auch noch seine Mutter durch eine Mine starb.

Währenddessen kommen Charly und Mirjana, die gemeinsam im Krankenhaus liegen, einander näher und verlieben sich. Enver, der albanische Anwalt und Milizenführer will sich an den Serben und insbesondere an den Jovovics rächen: Goran Jovovic stellte der jugoslawischen Armee als Arzt manipulierte Totenscheine bei Massakern an Albanern aus. Enver spielt den deutschen Soldaten ein entsprechendes Foto zu, dass Jovovic im Arztkittel bei der Arbeit mit einem serbischen General vor einem Acker voller Leichen zeigt. Auch an der Liquidierung von Durcans Familie soll Jovovic beteiligt gewesen sein.

Tom und Charly stellen Jovovic zur Rede, sein vom Slibowitz und Amselfelder beschwingtes und stolzes Geständnis, das selbst den eigenen Untergang in Kauf nähme, löst bei seiner Tochter einen tiefen Schock, aber auch eine Reflexion aus, sich aus dem Teufelskreis der Chauvinismen und Rachegedanken zu bewegen. In einem entscheidenden Schritt versucht sie auf Durcan zuzugehen und sich für das angetane Leid zu entschuldigen.

Doch vorerst versucht Enver mit allen Mitteln Durcan als somnambules Medium und Instrument seiner wilden Hassprojektionen zu halten. Enver will mit seiner Miliz die Familie Jovovic noch vor der Umsiedelung in die Enge treiben und Durcan, sobald dieser wieder in Freiheit ist, als Scharfschütze zu ihrer Liquidierung einsetzen.

Panzer und Pilze

Am Anfang des Films sieht man von Hügel hinab zur stimmungsvollen Balkanmusik den KFOR-Panzer-Konvoi über die staubige Straße ziehen. In Wahrheit blickt man auf eine Übungsfahrt beim „Vordreh in der Letzlinger Heide bei glühender Augusthitze mit 50 schweren Gefechtspanzern“ (Schweiger). In diesem Moment ist der Regisseur hochzufrieden mit sich selbst und der Welt gewesen. Denn unter Filmförderung von Seiten der Bundeswehr versteht Schweiger mehr als nur die Erlaubnis der dokumentarischen Berichterstattung und fachlichen Beratung eines Spielfilm-Szenarios. Das richtige Bild der Bundeswehr besteht für ihn neben solider Recherche vor allem in der Logistik und der fachgerechten Gratis-Ausstattung.

Unter Schröder, Fischer und Struck schien alles unter Dach und Fach. Aber unter Merkel, Steinmeier und Jung wurde alles anders. Nach der überraschenden Absage des übervorsichtigen Verteidigungs-Pressesprechers der neuen Konservativ-Sozialdemokratischen Regierungskoalition („Und Fehler mache er keine“) stand der Regisseur nach eigenen Angaben zunächst kurz vor der Verzweiflung:

Keine Bundeswehr in unserem Film bedeutet auch finanzielle Mehrbelastungen, die nicht wett zu machen waren. Keine Transallflüge mehr, die dann eben ohne uns halbleer nach Sarajewo flogen, keine Uniformen, keine Waffen, keine Ausrüstung, keine Panzer.

Schweiger

Erst durch die Unterstützung von Offizieren und Soldaten in der Bundeswehr wurden Bedingungen geschaffen, dem Film einen repräsentativen und zugleich werbeförmigen Rahmen zu geben, in dem sich die Truppe von der besten Seite zeigt: Die Bundeswehr zeigte sich wieder einmal als geschmeidiges Instrument und wurde zum faktischen Ausstatter des Films. Sie lieferte den visuellen Höhepunkt am Anfang in der Vogelperspektive auf den Konvoi und in der Nahaufnahme der rasselnden Panzerketten und dem schönen heimatlichen Y-Schild neben dem KFOR-Schriftzug.

Die Bürgerbewegung OFFENe HEIDe fordert seit langem den Truppenabzug aus der Colbitz-Letzlinger-Heide. In diesem größten noch zusammenhängenden Heidegebiet Mitteleuropas nördlich von Magdeburg tummeln sich nicht nur die Naturfreunde. Erst hat hier die Wehrmacht, dann die Sowjetarmee und nun die NATO den Ernstfall geprobt, in einem Areal, das auch ein atomares „Bombodrom“ und eine „Stullenstadt“ umfasst, eine nachgebaute Stadtkulisse zum aktiven Training in asymmetrischer Kriegsführung mit Echtzeit-Datenerfassung und Verfilmung. Das entsprechende elektronische Gefechtsübungszentrum des Heeres soll das modernste in Europa sein.

Dagegen lautet das Motto der Naturschützer schlicht und ergreifend: „Pilze statt Panzer“. Und das in einem Land, „wo die Kanonen blühn“ (Kästner) und der Tornado auch über den Demonstranten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm Aufklärung als Amtshilfe für die Polizei leistet. Afghanistan ist bereits überall. Wenn auch vorerst nur übungshalber.