Managergehälter reloaded

In 20 Jahren ist das Verhältnis der Bezüge der Vorstände von Dax30-Unternehmen zu den Mitarbeiterlöhnen vom 14-Fachen auf das 44-Fache gestiegen - bei der Deutschen Post auf das 87-Fache und bei Metro gar auf das 140-Fache

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Eine Studie von Joachim Schwalbach, dem Leiter des Instituts für Management an der Humboldt-Universität kommt gerade rechtzeitig für die anschwellende Diskussion über die Managergehälter, auch wenn die Grunddaten bereits im September vom Manager Magazin veröffentlicht wurden. Untersucht hat Schwalbach zwar nur die Vorstandsvergütungen der DAX30-Unternehmen, die aber wohl für viele große Konzerne stehen können. Danach ist das Verhältnis der Pro-Kopf-Gehälter von Angestellten und Vorstand durchschnittlich vom 14-Fachen 1987 auf das 44-Fache im Jahr 2006 gestiegen.

Das einen großen Teil der Deutschen umtreibende Gefühl, dass die stetig um ein Vielfaches gegenüber den eigenen Lohnerhöhungen wachsenden Vergütungen der Manager ungerecht seien, zumal wenn gescheiterte Manager noch exorbitante Entschädigungen erhalten, ist also durchaus realistisch. Und dass nach vielen Jahren der Lohnzurückhaltung gerade seit der Mitte der 90er Jahre ungeachtet der zwischenzeitlichen Krise der Abstand zwischen Belegschaft und Vorstand deutlich gewachsen ist, macht vielleicht deutlich, dass irgendwann die Geduld oder die Hoffnung zu Ende sein könnte, am Wohlstand von denen da oben teilzuhaben.

Gestern sagte Hans-Werner Sinn vom ifo-Institut in der Münchener Runde, in der über Mindest- und Höchstlöhne diskutiert wurde, was letztlich die Grundschicht des Glaubens an den Kapitalismus ausmacht. Die Marktwirtschaft setze die Preise nach Knappheit fest. Da gute Manager knapp seien, erhalten sie schlichtweg mehr. Das regle schlicht der freie Markt. Das hieße natürlich auch, dass die "Überflüssigen", die Zuvielen, wenig oder gar nichts kriegen. Seine simple Botschaft des kapitalistischen Sozialdarwinismus untermauerte der Ideologe oder Gläubige des angeblich freien Marktes, der ja großen Teils faktisch ein Konstrukt ist, dass die Alternative zu seiner Marktwirtschaft nur die staatlich kontrollierte Wirtschaft sei, bei der dann alle arm sind.

Es waren allerdings auch in den kommunistischen Systemen nicht alle gleichermaßen arm, wie Sinn suggerieren will, sondern die auch dort bestehende Kluft zwischen den wohlhabenden Parteibonzen, die Macht und Reichtum vererbten, und der armen Mehrheit ließ die Unzufriedenheit wachsen und unterminierte letztlich das System. Immerhin macht Sinn trotz aller ideologischen Verschleierung deutlich, dass reine Marktwirtschaft schlichtweg brutal ist. In ihr gebe es keine Gerechtigkeit, sagte er, die Frage nach ihr sei schon völlig falsch gestellt. Anders als mit der geradezu monotheistischen Vorgaukelei, dass Kapitalismus doch irgendwie für alle besser sei als jede denkbare Alternative ("Du sollst neben mir keine anderen Systeme haben!"), lässt sich der reine Kapitalismus, die freie Marktwirtschaft, auch gar nicht vertreten. Die jetzt über Mindestlöhne und Höchstgrenzen geführte Gerechtigkeitsdebatte stellt dies zumindest in Frage. Das freilich könnte in der Forderung münden, dass die Mitarbeiter eines erfolgreichen Unternehmens entsprechend den Gewinnen an diesem beteiligt sein müssten, was die Frage der Gerechtigkeit dann freilich noch weiter in die Gesellschaft hinein verschieben würde.

Ab 2000 ist die Kluft zwischen dem Einkommen von Managern und Angestellten besonders schnell gewachsen

Die Studie von Schwalbach zur Entwicklung der Vorstandsvergütungen von Dax30-Unternehmen, um darauf zurückzukommen, macht aber auch deutlich, dass es zwischen den Konzernen erhebliche Unterschiede gibt, die nicht allein dem wirtschaftlichen Erfolg zu verdanken sind. Die Vorstandsvergütung ist beispielsweise bei der Allianz zwar auch ab 1995 stark gewachsen, betrug aber 2006 "nur" das 34-Fache der Personalkosten pro Kopf, bei der Lufthansa ist es sogar nur das 28-Fache. Adidas machte den großen Sprung 2003, 2006 lag hier das Verhältnis aber schon beim 57-Fachen. Vor 20 Jahren waren die Abstände viel kleiner und lagen teilweise wie bei der Allianz unter dem Zehnfachen, meist aber deutlich unter dem 20-Fachen. Das ist beispielsweise bei der Hypo Real Estate noch heute der Fall. Aus der Reihe schlägt völlig Metro. Dort war man 2005 schon beim 91-Fachen und die Vorstandseinkünfte wurden innerhalb eines Jahres auf das 140-Fache angehoben.

Auffällig sind die enormen Steigerungen ab dem Jahr 2000, die bei praktisch allen Unternehmen ohne Knicks weitergingen und gleichzeitig bedeuten, dass die Angestellten an diesem Aufschwung zumindest der Vorstandseinkommen nicht teilnahmen, sondern immer mehr abgehängt wurden. Sind ab 1995 oder ab 2000 so viele bessere Manager gekommen, hat sich der freie Markt verändert? Wurde einfach nur das amerikanische Modell, das sich weltweit ausbreitet und durchaus zu Differenzen um das 100- und 200-Fache führen kann, übernommen? Einzig bei Daimler-Chrysler war man schon mal beim 60-Fachen und ist nach den Missgriffen immerhin nun wieder in der Normalität beim 33-Fachen gelandet. Auch die Deutsche Bank hat vom 59-Fachen (2000) auf das "bescheidenere" 41-Fache zurückgesteckt, wobei allerdings die Vorstandsvergütungen pro Kopf kaum gelitten haben. Siemens hingegen, wo man 2006 beim 47-Fachen lag, sollte wohl bei den Vorstandsgehältern zurückstecken.

Am Erstaunlichsten sind freilich derart schnelle Anstiege, wie man sie etwa bei der privatisierten Deutschen Post beobachten kann. 1995, beim Unternehmensstart, verdiente der Vorstand noch das 11-Fache, 2002 war man schon beim 25-Fachen und 2006 beim 87-Fachen. Das ist nicht immer so, wenn ein Staatsunternehmen privatisiert wird, wie man im Spiegel suggerieren will. Bei der Deutschen Postbank stiegen die Vorstandbezüge "nur" auf das 21-Fache. Bei der Deutschen Telekom sind sie immer wieder vom 44-fachen (2001) auf das 29-Fache zurückgefallen. Bei EON ist man allerdings 2000 mit dem 36-Fachen gestartet und jetzt beim 63-Fachen gelandet.

Nicht nur Zumwinkel von der Deutschen Post, der sich für das schlechte Timing entschuldigt, mal schnell ein Schnäppchen mit 4,7 Millionen Euro durch die Vereinbarung des Mindestlohns gemacht zu haben, ohne dass dieses Bedauern natürlich irgendwelche Konsequenzen nach sich zöge, macht deutlich, warum die breite Öffentlichkeit über das Gebaren der Manager zunehmend saurer wird. Siemens ist dafür auch ein gutes Beispiel. Für Kleinfeld, der sich nicht sonderlich mit Ruhm bekleckert hat, lief eigentlich sein Vertrag beim Chefwechsel zu Löscher aus, der vier Millionen Gage erhält und eine zusätzliche Prämie von 8,5 Millionen. Immerhin hatte Kleinfeld in seinem letzten Jahr bei Siemens 5,3 Millionen und eine zusätzliche Summe an Aktienvergütung verdient. Trotzdem erhielt Kleinfeld bescheidene 5,75 Millionen Euro als Abfindung mit der Begründung, er habe den Konzern beim Übergang zu Löscher beraten und zugesagt, bei keinem Konkurrenzunternehmen einzusteigen. Und weil man ja nicht kleinlich ist und, frei nach Sinn, Supermanagern Supergelder bezahlt, erhielt Kleinfeld für den Amtsantritt bei dem US.Konzern Alcoa eine Antrittsprämie von 6,5 Millionen Dollar. Der Wechsel hat sich für Kleinfeld gelohnt. Und Löscher kritisiert die schwarzen Schafe unter seinen Kollegen:

Antrittsgelder, Abfindungen, für die es keine Gegenleistung gibt, hohe Gehälter, mit denen nicht Erfolg belohnt, sondern Misserfolg bezahlt wird - das darf es nicht geben. Aber das sind Exzesse. Manager dürfen die Bodenhaftung nicht verlieren.

Gewerkschafter findet die Vorstandsgehälter angemessen

Man darf gespannt sein, ob sich in den nächsten Tagen noch weitere Gewerkschafter wie nun Robert Ostwald, der Konzernbetriebsratsvorsitzende der BASF, zu Wort melden und ihren Kollegen im Vorstand zur Seite stehen. Ostwald, der "knallhart Arbeitnehmer-Interessen" vertritt, will die Diskussion aus der "Neid-Ecke" herausholen und findet die Gehälter der Vorstandsmitglieder ganz in Ordnung und angemessen. Und im Vergleich zu anderen Einkommen, wie sie etwa Manager von Fußballvereinen haben, geradezu "moderat".

Ostwald, der als einer der Aufsichtsratsvorsitzenden über die Einkommen des Vorstands mitentscheidet und so auch unter Rechtsfertigungsdruck steht, sagte der Sächsischen Zeitung auf die Frage nach den über drei Millionen Euro Jahresgehalt für den Vorstandsvorsitzenden Jürgen Hambrech: "Ein Uli Hoeneß hat einfach weniger Verantwortung als der Manager eines internationalen Konzerns." Wer nörgelt, soll doch erst einmal zeigen, dass er es besser kann, fügte er mit billiger Rhetorik hinzu. Überzeugt ist er, dass hinter seiner Haltung auch die ganze Belegschaft steht, weil es ein "durchgängiges Erfolgsbeteiligungssystem" gebe.

Die Vorstandsvergütungen bei BASF betrugen 2006 das 40-Fache des durchschnittlichen Gehalts der Mitarbeiter. Das ist Mittelfeld, auch wenn die Kluft sich hier wie überall deutlich weiter aufspreizt. 1987 lag man noch beim 12-Fachen, bis 1998 hatte man sich auf das 23-Fache vorgearbeitet. Dann ging es kurzfristig zurück, um dann um so schneller vom 16-Fachen im Jahr 2000 auf das 40-Fache anzusteigen. Man wird annehmen dürfen, dass die Angestellten sich freuen würden, wenn ihre Gehälter in dieser Zeit ähnlich zugelegt hätten.