Ist es gefährlich, Botschaften an Außerirdische zu senden?

In der International Academy of Astronautics streiten sich SETI- und METI-Experten, ob und unter welchen Bedingungen man außerirdische Zivilisationen auf die Erde aufmerksam machen woll

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Im Oktober hat das Allen Telescope Array (ATA) mit vorerst 42 Radioteleskopen seine Arbeit aufgenommen, die einzig darin besteht, nach Signalen außerirdischer Intelligenz zu suchen. In drei Jahren sollen schließlich 350 Radioteleskope die SETI-Forschung (Search for Extraterrestrial Intelligence) erst wirklich in Schwung versetzen und möglichst viele Sternesysteme, aber auch einzelne Exo-Planeten abhören (Dauer-Lauschangriff auf außerirdische Zivilisationen). Strittig ist freilich trotz jahrzehntelanger Diskussionen, wie man sich verhalten soll, falls tatsächlich ein Signal entdeckt werden sollte, das von einer außerirdischen Zivilisation stammt. Seit letztem Jahr ist ein offener Streit darüber ausgebrochen, ob man sich auf SETI beschränken soll oder ob die Menschen selbst Botschaften senden sollen, um auf sich aufmerksam zu machen.

Allen Telescope Array. Bild: SETI Institute

Unter Wissenschaftlern, die sich mit der SETI-Forschung beschäftigen, gärt allerdings seit längerem der Streit darüber, ob die Menschen auch aktiv nach außerirdischer Intelligenz suchen sollen, indem sie selbst Botschaften ins All senden, um so intelligente Aliens auf die Erde und die Menschen aufmerksam zu machen. In der International Academy of Astronautics wurde die SETI Permanent Study Group eingerichtet, in der man über die Forschung diskutiert Letztes Jahr beschloss man, offenbar gegen die Kritik vieler, eine Arbeitsgruppe für "Active SETI" zu starten. Die Diskussionen über die aktive Suche führten zu Konflikten.

Von SETI zu METI

Schon 1974 sendete Frank Drake die erste Botschaft mit einer Größe von 1679 Bits an ETIs mit dem Radioteleskop in Arecibo, Puerto Rico, in die Richtung des Sternensystems M13, das 25.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Man wird also noch nicht so schnell mit einer Antwort rechnen können. 1999 sendete dann Alexander Zaitsev, vom Institut für Radiotechnik und -elektronik der Russischen Akademie der Wissenschaften, mit Kollegen die ersten beiden Cosmic Calls in Richtung auf vier Sonnen geschickt, die "nur" 60 Lichtjahre entfernt sind, so dass mögliche Antworten etwas mehr als 100 Jahre benötigen würden. Die erste Botschaft enthielt allerdings einige, für ETIs möglicherweise verwirrende Fehler. Die Wissenschaftler codierten eine Botschaft, die aus 23 Seiten besteht und 370967 Bits an digitalisierten Piktogramm- und Schriftsymbole enthält (Ein ET-Rätsel für die Menschen). 2003 wurde noch ein Cosmic Call versendet. Überdies schickten die Russen 2001 mehrere Teen-Age Messages to the Stars mit digitalisierten Informationen und analoger Musik zu den Sternen.

In contrast to Active SETI, METI pursues not a local, but a more global purpose – to overcome the Great Silence in the Universe, bringing to our extraterrestrial neighbors the long-expected annunciation “You are not alone!

Alexander Zeitsev

Zaitsev tritt weiterhin für "active SETI" oder METI (Messaging to Extraterrestrial Intelligence) ein. Eines seiner Argumente ist, dass dann, wenn alle Zivilisationen im Universum nur Empfänger und keine Sender wären, dann würde die auch SETI keinen Sinn machen. Zudem würden "böse" Außerirdische uns auch dann finden, wenn keine Botschaften ausgesendet werden. Dafür würden schon die vielen starken, permanent arbeitenden Militärradars sorgen, die Russland und die USA für ihre Raketenabwehrsysteme seit den 60er Jahren installiert haben. Nicht zuletzt sei die Risikovermeidung möglicherweise selbst ein Risiko.

Die Botschaft von Cosmic Call 2 könnte frühesten 2036 auf Hip 4872 im Sternbild Cassiopeia entdeckt werden. Sollte es dort intelligentes Leben, das die Botschaft auch glücklicherweise entdeckt, dann würde eine Revolution geschehen, weil man ab dann in einem bewohnten Universum leben würde. Diese Revolution könnte von den Menschen gemacht werden und sei die "wertvollste Anwendung irdischer Vernunft". Zeichen von Intelligenz könne es sein, den Missionseifer zu haben, den Aliens die gute Botschaft zu übermitteln, dass sie nicht alleine im Universum sind.

Die erste "Seite" des Cosmic Call

Suchen und Verstecken oder Rufen und Sich-Zeigen?

Zum offenen Streit kam es, als es darum ging, die von Michael Michaud vor 10 Jahren gemachten Vorschläge für einen Entscheidungsprozess darüber zu vereinheitlichen, ob man Außerirdischen eine Botschaft senden soll. "No transmission to extraterrestrial intelligence in response to a signal or other evidence of extraterrestrial intelligence should be sent until appropriate international consultations have taken place", hieß es in der einen Version. In der anderen lautete dieser Satz: "No communication should be sent to extraterrestrial intelligence by any State until appropriate international consultations have taken place". Im September entschied man sich für die zweite, schwächere Version. Viele hätten es für undurchsetzbar und nicht wünschbar gehalten, wenn die SETI-Gruppe die Position vertritt, versuchen zu wollen, "die Welt von Aktivitäten, die ganz legal sind, abzuhalten".

Wegen dieser Entscheidung hat John Billingham, ein ehemaliger Nasa-Wissenschaftler, die Gruppe aus Protest verlassen, weil keine ausreichende Diskussion, vor allem keine in der Öffentlichkeit, über die möglichen Folgen stattfinden, wenn die Menschheit durch das Aussenden von Signalen in die Aufmerksamkeit von ETIs rutschen. "Wir sprechen darüber, die Kommunikation mit anderen Zivilisationen aufzunehmen", so zitiert die Times Billingham, "aber wir wissen nichts über ihre Ziele, Möglichkeiten und Absichten." Das betrifft freilich nicht nur die aktive Suche, sondern auch die Entscheidung, was die Menschen machen sollen, wenn sie ein ETI-Signal aufgefangen haben. Die Wissenschaftler hätten die Verpflichtung, darüber nicht nur unter sich zu diskutieren, sondern trügen auch Verantwortung für "das Wohlergehen und das Überleben der Menschheit".

Billingham hat dazu ein Positionspapier verfasst und empfohlen, dass die Entscheidung eine internationale Organisation treffen müsste, die die gesamte Menschheit vertritt. Eine Botschaft sollte auch im Namen der gesamten Menscheheit geschickt werden.

Ausgetreten aus der Gruppe ist auch Michael Michaud, der früher beim US-Außenministerium tätig war und der Gruppe zeitweise vorgesessen war. Ihm ist, wie die Times berichtet, die Haltung seiner Kollegen in der Gruppe zu zögerlich, erst einmal dafür einzutreten, keine Botschaften auszusenden, bis die Konsequenzen gründlich bedacht wurden.

Für seine zurückhaltende Position gegenüber METI argumentiert Michaud schon seit Jahren. In einem Papier legte er etwa zehn Entscheidungen im Hinblick auf den Kontakt mit ETIs vor, "die die Welt verändern könnten". Hier warnt er davor, durch Aussenden von starken Signalen erst außerirdische Intelligenz auf die Menschen aufmerksam zu machen oder auch vorerst nur die Erde aus großer Entfernung entdeckbar zu machen. Sollen wir uns anthroponarzisstisch ausstellen und dann darauf vertrauen, dass ETIs, die auf die Menschen aufmerksam werden, auch der Erde und den Menschen keinen Schaden zufügen. Zwar könne es durchaus sein, dass auch diesen interstellare Flüge unmöglich seien, aber das könne man nicht wissen.

Wir können nicht annahmen, dass ein bewohntes Universum inhärent wegen der Entfernungen zwischen den Sternen sicher ist. Unser Schicksal kann von der Moral der anderen abhängen. Auch wenn es keine Gewaltbedrohung gibt, legt die Erfahrung der Menschen nahe, dass eine Ausweitung der Macht einer Zivilisation fast immer bedeutet hat, diese Macht zu nutzen, um die eigenen Werte, Lebensformen und Institutionen auf andere Gesellschaften zu erweitern.

Michael Michaud

Jetzt würden einfach die Betreiber von Radar-, Radio- und Fernsehstationen diese Entscheidung für alle treffen. Sie würden sich damit für die optimistische Variante entscheiden, aber selbstherrlich handeln, weil zuvor keine politische Debatte darüber geführt wurde – und ebenso wenig darüber, wie man sich verhalten soll, wenn ein Signal entdeckt oder eine Kommunikation begonnen wurde.

Der Streit in der Gemeinschaft der SETI-Forscher blieb bislang weitgehend unbeachtet. Die Menschen haben andere Sorgen, das Thema ist für viele nicht mehr als bestenfalls Science Fiction, während die UFO-Gemeinde vermutlich die Debatte als müßig abtun wird. Ähnlich wie im Hinblick auf die Klimaerwärmung stellen allerdings auch SETI und METI die Frage, wie und von wem Entscheidungen getroffen werden sollen, die die gesamte Menschheit betreffen – und wer im Falle eines Kontakts mit ETIs für die Menschen mit diesen Sprechen soll.