Das Aussterben einer unbekannten Nutzungsart

Nach dem neuem Urheberrechtsgesetz verlieren Autoren viele Rechte an ihren Texten - außer sie ergreifen noch 2008 Gegenmaßnahmen

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Zum 1. Januar 2008 tritt ein neues Urheberrechtsgesetz (UrhG) in Kraft. Es bringt neben zahlreichen Veränderungen etwa beim elektronischen Kopienversand en passant auch eine recht wenig beachtete Änderung: Wissenschaftliche Verlagen erhalten die Rechte zur Onlinepublikation von Dokumenten, die zwischen 1966 und 1995 bei ihnen erschienen sind. Vielleicht noch wichtiger: Damit verlieren die Autoren auch das Recht, die Texte selbst auf ihre Homepage zu stellen. Es sei denn, sie werden aktiv und übertragen die entsprechenden Nutzungsrechte entweder vor dem 1. Januar 2008 an Dritte oder widersprechen bis 1.Januar 2009 der Ausübung der Nutzungsrechte durch die Verlage bei jedem einzelnen Verlag.

Auch vor 1995 war es schon üblich, dass Wissenschaftsverlage sich von den Autoren die ausschließlichen Nutzungsrechte an einer Publikation übertragen ließen. Das bedeutete, dass der Verlag das Werk etwa zuerst als Hardcover oder Artikel in einem Journal herausgeben konnte, später auch als Paperback, in einem Sammelband oder als Mikrofiche. Der Autor hatte in diesem Fall an dem Werk keine eigenen Nutzungsrechte mehr und konnte daher auch keinem Anderen Nutzungsrechte übertragen, denn alle bekannten Verwertungsfälle waren unter den ausschließlichen Nutzungsrechten subsummiert. Nach gängiger juristischer Meinung war das Internet aber vor dem Jahr 1995 den meisten Menschen schlichtweg unbekannt und daher auch für das Urheberrechtsgesetz eine sogenannte unbekannte Nutzungsart. Das brachte für die Autoren einen wichtigen Vorteil, denn das Internet war damit vom Übertrag der ausschließlichen Nutzungsrechte ausgenommen und die Autoren hatten bislang - meist ohne es zu wissen - die Rechte an der Onlinenutzung beziehungsweise -publikation ihrer vor 1995 erschienen Werke.

Mit dem § 137 l Abs. 1 des zum neuen Jahr in Kraft tretenden Urheberrechtsgesetz wird sich dies ändern: Greift der Autor nicht ein, fallen die Nutzungsrechte an Publikationen der Jahre 1966 bis 1995 automatisch und in der Regel unbemerkt an die Verlage. Mehr noch: Die Verlage erhalten nach vorherrschender Lesart das ausschließliche Nutzungsrecht zur Onlinepublikation der Dokumente. Formal hätte der Autor dann nicht einmal das Recht, Dokumente auf seine Homepage zu stellen. Autoren haben aber zwei Möglichkeiten, dem automatischen Übergang der Nutzungsrechte auf einen Verlag entgegenzuwirken.

Zum einen können sie bis zum 31.12.2007 ein einfaches Nutzungsrecht zur Onlinepublikation der besagten Werke auf Dritte übertragen. Seitens verschiedener Wissenschaftsorganisationen (z.B. der Helmholtz-Gesellschaft) wird der Übertrag eines solchen einfachen bzw. nicht-ausschließlichen Nutzungsrechtes an Betreiber wissenschaftlicher Open-Access-Server empfohlen. Dieses Vorgehen hat zwei Vorteile: Werden nur die einfachen Nutzungsrechte übertragen, kann der Autor das Dokument auch bei anderen Anbietern publizieren, z.B. auch in einem wissenschaftlichen Verlag.

Die Rechteeinräumung an den Betreiber eines Open-Access-Servers verhindert lediglich, dass ausschließlich der Verlag das Werk im Internet publizieren kann und dass dieses Werk damit aller Voraussicht nach nur kostenpflichtig genutzt werden kann. Der Autor und der Betreiber des Open-Access-Servers haben bei einer entsprechenden Rechteeinräumung aber auf jeden Fall dauerhaft das Recht und die Möglichkeit, die Werke aus der Zeit zwischen 1966 bis 1995 online im Volltext zu publizieren.

Der zweite Vorteil: Die erwähnten Open-Access-Repositories sind entgeltfrei nutzbar. Dokumente, die hier veröffentlicht werden, können von jedem Leser kostenlos genutzt werden. Wissenschaftler, die daran interessiert sind, die Nutzungsrechte zur Internetpublikation dieser Dokumente dem Betreiber des Open-Access-Servers ihrer Institution zu übertragen, finden eine Liste dieser Server inklusive Ansprechpartner, die über das an jeder Institution leicht abweichende Procedere der Einräumung informieren können, auf den Seiten der Deutschen Initiative für Netzwerkinformation DINI e.V..

Zusätzlich oder alternativ zur Publikation der Dokumente auf dem meist fachlich gemischten Open-Access-Server der lokalen Hochschule kommt auch der Übertrag der Nutzungsrechte auf den Betreiber eines fachspezifischen Open-Access-Servers in Frage. Beispiele solcher fachlich ausgerichteter Server sind etwa der Psychologie-Server PsyDok, das Social Sciences Open Access Repository (SSOAR), der wirtschaftswissenschaftliche Server der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften, der Publikationsserver Altertumswissenschaften oder die Publikationsplattform Kunstgeschichte.

Standardformulierungen und -anschreiben, mit denen der Autor eine entsprechende Rechteinräumung vornehmen können finden sich auf den Websites des Urheberrechtsbündnisses und in einem Musteranschreiben der Helmholtz-Gesellschaft. Dort werden Formulierungen wie diese empfohlen:

"Hiermit übertrage ich der XXX ein einfaches Nutzungsrecht aller meiner in der Zeit vom 1.1.1966 bis 31.12.1994 erschienenen Fachpublikationen zur Nutzung auf dem Publikationsserver XXX."

Nach gängiger Meinung muss der Verlag über die Rechteeinräumung nicht explizit informiert werden. Juristische Fragen rund um den § 137 l UrhG werden an verschiedener Stelle im WWW, vor allem aber in Eric Steinhauers Blog Bibliotheksrecht behandelt.

Nutzt der Autor die Möglichkeit zum Übertrag der Nutzungsrechte auf Dritte bis zum 31.12.2007 nicht, fallen die Rechte an der Onlinepublikation der Dokumente an den Verlag, der das Printdokument publiziert hat. Dann verbleibt den Autoren die zweite (etwas umständlichere) Möglichkeit, den automatischen Übergang der Nutzungsrechte auf einen Verlag zu verhindern: Sie können bis zum 31.12.2008 der Ausübung des Nutzungsrechts zur Onlinepublikation durch die Verlage bei jedem einzelnen Verlag widersprechen. Auch hierfür findet sich ein Mustertext auf den Websites des Urheberrechtsbündnisses.

Um die Wissenschaftler vor Wahlmöglichkeiten dieser Art und die Verlage vor solcher Unbill zu bewahren, hat der Gesetzgeber im neuen Urheberrechtsgesetz vorgesorgt: Gemäß des neuen § 31a UrhG wird es in Zukunft möglich sein, Rechte an bislang unbekannten Nutzungsarten an andere zu übertragen - eine Chance, die sich die Verlage kaum entgehen lassen werden.