Drahtiges Silizium

Mit Hilfe von Silizium-Nanodrähten wollen Forscher die Kapazität von Akkus erhöhen - mit guten Aussichten auf Erfolg

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Eine Batterie ist zum großen Teil ein Kompromiss. Bestünde sie nur aus für den jeweiligen Zweck für sich genommen optimalen Materialien, könnte sie weit mehr Strom speichern als das aktuelle Varianten vermögen. Allerdings würde ein derartiger Akku viel schneller zerbröseln, als das dem Hersteller lieb sein kann. Dabei sind Lithium-Ionen-Akkus schon einen weiten Weg gekommen. Sie besitzen eine hohe Energiedichte und sind über mehrere Jahre haltbar - für eine elektrochemische Batterie schon eine erstaunliche Leistung.

Wie eine Lithium-Ionen-Batterie ihre Ladung speichert, verrät schon ihr Name: über die Verschiebung von Lithium-Ionen zwischen Kathode und Anode. Beim Laden werden die Ionen in der Kathode eingelagert, die in der Regel aus einer Lithium-Verbindung besteht. Hier findet schon Kompromiss Nummer 1 statt: Theoretisch wäre es am günstigsten, bestünde die Kathode aus reinem Silizium - nur wie soll sich beim Aufladen dann erneut die vorher bestehende Struktur ausbilden?

Was die Lithium-Einlagerung aus Silizium-Filmen (oben), -Teilchen (Mitte) und -Nanodrähten (unten) macht. (Bild: Nature / Yi Cui / Stanford University)

Beim Entladen lösen sich die Lithium-Ionen aus der Kathode und wandern zur Anode. Diese besteht heute meist aus Kohlenstoff in Form von Graphit. Die Ionen lagern sich hier zwischen den einzelnen Graphitschichten an. Kompromiss Nummer 2 besteht in der Wahl des Kohlenstoffs als Anodenmaterial. Silizium, das wie Kohlenstoff vierwertig ist, könnte theoretisch bis zu zehnmal mehr Ladungen speichern, weil zwischen den größeren Atomen auch mehr Platz ist. Zudem weist es relativ geringe Entladepotenziale auf, es hält die Lithium-Ionen also nicht streng davon ab, sich auch wieder zu entfernen.

Wenn Forscher bisher versucht haben, Silizium als Anode in einem solchen System einzusetzen, war die Freude über diese positiven Eigenschaften meist nur von kurzer Dauer. Silizium hat nämlich die unangenehme Angewohnheit, sein Volumen durch die Lithium-Einlagerung um 400 Prozent zu ändern. Solche Prozesse hält kein Material, keine Elektrode, lange durch, ohne zu Staub zu zerfallen. Man kennt ja das Prinzip, wie ganze Gebirge durch weit geringere Volumenänderungen ihrer Bestandteile erodieren…

Verwendet man allerdings, wie ein Forscherteam der amerikanischen Stanford University im Online-Fachmagazin Nature Nanotechnology vorschlägt, statt der normalen Silizium-Anode solche aus Silizium-Nanodrähten, treten derartige Probleme nicht auf. Die Wissenschaftler ließen die Nanodrähte direkt auf dem Spannungskollektor (in diesem Fall aus Stahl) wachsen. Und überraschenderweise kommen die Silizium-Nanodrähte zum einen mit den Volumenänderungen durch die Einlagerung der Li-Ionen bestens zurecht. Zwar wuchs ihr Durchmesser durch die Li-Einlagerung von im Mittel 89 Nanometern auf 141 Nanometer, doch das tat der Festigkeit des Drahts keinen Abbruch. Zum anderen sammelten sie die Lithium-Ionen auf kurze Distanzen ein, zeigten ein gutes elektronisches Kontakt- und Leitungsverhalten. Und schließlich konnten sie auch nach mehreren Ladezyklen noch drei Viertel ihrer theoretischen Maximalkapazität erreichen.

Die Ursachen dafür sehen die Wissenschaftler im Prinzip des Nanodrahts: er stellt zum Beispiel einen direkten, eindimensionalen Pfad für die Elektronen zur Verfügung. Da die Nanodrähte alle auf dem Ladungssammler wurzeln, tragen sie in gleichem Maße zur Kapazität bei. Selbst bei hohen Strömen behielt die Nanodraht-Anode eine recht hohe Speicherfähigkeit bei. Gewundert haben sich die Wissenschaftler nur über den relativ hohen Kapazitätsverlust nach dem ersten Ladezyklus - den Mechanismus dahinter können sie noch nicht erklären.