Fehlschläge im Nahen Osten

An Stelle einer Militäroperation in Gaza hat Israels Armee die Strategie der gezielten Tötungen wieder aufgenommen und provoziert damit eine weitere Eskalation des Konflikts

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Die Antwort der radikalen Islamisten auf den Friedensgipfel in Annapolis (Anfang vom Ende oder Ende vom Anfang?) Ende November kam umgehend: In und um die israelische Stadt Sderot herum landeten seitdem Dutzende von Kassam-Raketen, die vom Gazastreifen aus abgefeuert werden; das israelische Militär nahm darauf hin seine Politik der gezielten Tötungen wieder auf: Mindestens 20 Palästinenser, nach Angaben der israelischen Regierung Terroristen, wurden seitdem durch Luftschläge getötet. Jerusalem hofft, dadurch eine groß angelegte Militär-Offensive abwenden zu können, die von Öffentlichkeit und Generalstab gefordert wird, aber nach Ansicht der Regierung zu einer langfristigen Militärpräsenz im Gazastreifen und zu einem Zusammenbruch der Friedensgespräche mit der Palästinensischen Autonomiebehörde führen könnte.

Aber eine neue Eskalation droht auch so: Der hauptsächlich davon betroffene Islamische Dschihad, aber auch die Hamas drohen mit Bombenanschlägen, und die palästinensische Notstandsregierung in Ramallah fordert die sofortige Einstellung der Angriffe. Denn die Isolierung Gazas hat dazu geführt, dass die soziale Lage zunehmend schlechter wird und sich die Menschen hinter die Hamas stellen, weil sie ohnehin nichts zu verlieren haben. Das könnte auch Auswirkungen auf die Stimmung im Westjordanland haben.

Dies ist die Geschichte von einem sozialdemokratischen Verteidigungsminister, der einem rechten Regierungschef zum Erfolg verhalf, indem er seine eigene Partei ins Abseits manövrierte, und dabei möglicherweise deren Traum vom baldigen Frieden mit den Palästinensern beendete, bevor er begann. Es ist die Geschichte von Ehud Barak, einem ehemaligen Chef des israelischen Generalstabs, gescheiterten Premierminister und derzeitigen Vorsitzenden der Arbeiterpartei, dessen größter Traum es eigentlich sein sollte, Premierminister zu werden, der aber völlig damit zufrieden ist, Verteidigungsminister zu sein, und dem, der höchste Regierungsamt inne hat, dem bisher äußerst unbeliebten Ehud Olmert, für fünf oder zehn Minuten einen Platz ganz oben auf der Popularitätsskala zu sichern, indem der erfahrene Stratege das Militär in Gaza operieren ließ, ohne eine Militäroperation anzuordnen, damit dem öffentlichen Druck nachgab und eine politische Lösung des Konflikts in Gaza aufs Spiel setzte.

Mittwoch: Linke im Loch

Im Büro des Premierministers in Jerusalem herrscht ausgelassene Stimmung: „Wir sind heute wirklich sehr zufrieden“, sagt ein Mitarbeiter: „Die Umfragewerte sind gestiegen, und selbst in den Talkbacks (so heißen die Online-Foren israelischer Medien, d.A.) herrscht Ruhe. So muss es sein.“ In einem schmucklosen Bürogebäude in Tel Aviv grämt man sich in der Zwischenzeit ganz furchtbar. „Wir haben ein echtes Problem“, ärgert sich ein Kontakt im Hauptquartier der Arbeiterpartei: „Barak sollte darauf hin arbeiten, Regierungschef zu werden, der Partei ein Profil verschaffen, sie wählbar machen – stattdessen macht er Olmert wählbar.“

Dass Politiker der Sozialdemokraten versuchen, durch eine „Politik der harten Hand“ zu punkten, ist nichts Neues: Rabin hat das getan, bevor er in den 70ern zum ersten Mal Premierminister wurde, und er hat es getan, bevor er Anfang der 90er zum zweiten Mal in dieses Amt gewählt wurde (Minuten, die ein Land veränderten). Versucht hat es auch sein ewiger Sidekick Schimon Peres, als er 1995 nach der Ermordung Rabins automatisch Übergangspremier wurde, und umgehend eine Operation im Süd-Libanon befahl, die ihm allerdings den Wahlsieg kostete – die Wähler wollten keinen Linken, der sich wie ein Rechter benimmt und stimmten für die Echt-Version: den Hardliner Benjamin Netanjahu, Vorsitzender des rechtskonservativen Likud-Blocks.

Ähnliches, befürchtet die Arbeiterpartei jetzt, könnte bei den nächsten Wahlen wieder passieren: Kadima, die Partei Olmerts, gebe sich links, sei aber rechts; die Arbeiterpartei werde von Barak, ökonomisch übrigens einer der letzten Anhänger des Dritten Wegs, der für Gerhard Schröder vor den Pforten Gazproms und für Tony Blair in einem Hotelzimmer in Jerusalem endete, auf rechts getrimmt, während die Partei sich nach Ansicht vieler Mitglieder des alles entscheidenden Zentralkomitees auf einem Linkskurs befinden sollte. Profitieren könnte, so die Befürchtung, wieder einmal Netanjahu, der hinter den Kulissen schon seit Monaten nach Mitteln und Wegen sucht, die Koalition ins Aus und die Wähler an die Urnen zu treiben. Und falls das nicht geschehen sollte, ist es wahrscheinlicher, dass der Sieg an Kadima, wer immer der Partei dann auch vorstehen wird, gehen wird, und nicht an die Arbeiterpartei

Jedenfalls befürchtet man das in der Partei, und das aus gutem Grund: Denn zwar hat man im Moment einen Ex-Militär an der Spitze, der zeigt, dass er eine harte Rechte hat, was zwei Dinge sind, die gute Werte sichern, aber anders als Rabin I und II, sowie sein Vorgänger Ben Gurion ist er völlig damit zufrieden, seinen Job als Verteidigungsminister zu machen - und die Erfolge in den Augen der Öffentlichkeit Olmert zu überlassen, der bisher eher als der einzige politische Überlebende der Drei Napoleone bekannt ist, die für den fehl geschlagenen Libanon-Krieg verantwortlich gemacht wurden.

„Wurden“, weil diese Krise aus israelischer Perspektive so gut wie überstanden ist: Im Norden des Landes herrscht Ruhe, der damalige Generalstabschef Dan Halutz und Verteidigungsminister Amir Peretz, wie Barak Sozialdemokrat, sind zurück getreten und aus der Öffentlichkeit verschwunden, und Olmert hat sich als Friedenstaube mit harten Krallen neu geboren – mit tatkräftiger Unterstützung Baraks, der seit gut zwei Wochen die Luftwaffe in Richtung Gaza schickt, um dort aus der Luft Führungsmitglieder des Islamischen Dschihad und der Hamas zu töten.

Die Rufe nach einer Bodenoffensive, die im Laufe der vergangenen Monate immer lauter geworden waren, sind seitdem so gut wie verstummt, dafür hat Olmert nun die Gelegenheit, umso lauter zu sprechen: Immer wieder lobt er das Militär, das die Befehle zur gezielten Tötung von bisher an die 20 militanten Palästinensern so professionell, will heißen: ohne die sehr Kritik versprechenden toten Frauen und Kinder, umsetze. Die Mitarbeiter des Regierungschefs sind glücklich. Barak sei „ein Geschenk des Himmels“, sagen sie: Ein Stratege, aber kein Cowboy, und außerdem genügsam sei er, erzählt man mit stark sarkastischem Unterton, denn im politischen Jerusalem ist es üblich, seinen Feinden auf die Schulter zu klopfen und ihnen dabei das Messer zwischen die Rippen zu stoßen – und das oft im besten Wissen, dass man dabei einen schwer wiegenden Fehler macht. Denn in der durch kurzlebige Schlagzeilen und der daraus resultierenden öffentlichen Meinung bestimmten politischen Landschaft Israels entpuppt sich Vieles, was heute wie eine gute Idee scheint, morgen als schlechter Einfall. Und diese Sache, finden manche Kommentatoren, hat es eigentlich schon jetzt getan.

Wochenende: Feuerwerk und Raketen

Immer wieder haben in Sderot, einer israelischen Stadt, die nur wenige Kilometer vom Gazastreifen entfernt liegt, die Sirenen geheult, nur wenige Sekunden, bevor irgendwo wieder eine Rakete eingeschlagen ist. Seit Wochen geht das schon so; seit sich der israelische Premierminister Ehud Olmert und der palästinensische Präsident Mahmud Abbas in der amerikanischen Stadt Annapolis mit der internationalen Gemeinschaft getroffen haben, um einen neuen Friedensprozess zu starten, der bis Ende 2008 in der Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates gipfeln soll.

Die Stimmung in Sderot ist gespannt, aggressiv. Wenige Tagte zuvor ist Bürgermeister Eli Mojal, Mitglied des rechtskonservativen Likud-Blocks, mitten während eines Radio-Interviews zurück getreten. Er könne nichts tun, um die Bürger seiner Stadt zu schützen, sagte er und machte dafür das Verteidigungsministerium in Tel Aviv und seinen Chef Ehud Barak verantwortlich, der angeblich umgerechnet an die 40 Millionen Euro zurück halte, die die Regierung dem Ministerium für die Befestigung von Kindergärten und Schulen bereit gestellt hat.

Mojal weiß: Die nächsten Wahlen, wann immer sie sein mögen, werden hier, im von sozialem Elend und Raketen geplagten Süden entschieden: Traditionell schlug hier das Herz des Südens, bis vor einigen Jahren der Sozialdemokrat Amir Peretz, marokkanischer Herkunft und Sohn der Stadt, kam und die Herzen der Menschen für einen Moment an den linken Fleck rückte. Ein bisschen ist man hier immer noch stolz auf ihn, auf den Underdog, der es geschafft hat, zum Schlipsträger zu werden, und dennoch als Zeichen, das er sich nicht aufgegeben hat, seinen Schnäuzer beibehalten hat. Nur: Wählen würde man ihn nicht mehr, seit er als Verteidigungsminister den Libanon-Krieg in den Sand gesetzt hat. Die Stimmen der Wähler von Sderot gehören nun dem, der sie einfängt. Und das will der Likud sein. Und Barak, dem man in seiner eigenen Partei nachsagt, er wolle das Land gar nicht mehr führen. Nein, er will, sagt man in seinem Umfeld mit Nachdruck:

Er will mehr als alles andere Premierminister werden. Nur muss er dafür erst einmal zeigen, dass er seinen Job als Verteidigungsminister mit ganzem Herzen und ohne politisches Kalkül macht.

Ohne politisches Kalkül? Jossi Sarid, Abgeordneter des linksliberalen Meretz/Jachad-Blocks, lacht:

Übersetzt bedeutet das, dass Barak ohne Rücksicht auf Verluste das tut, was die Öffentlichkeit fordert. Mag sein, dass das am Ende Wählerstimmen bringt. Aber ist es auch das Beste? Nein. Denn am Ende wird eine Militäroffensive unausweichlich werden; die Stimmung in der Westbank wird kippen; Abbas wird vielleicht stürzen; die Verhandlungen werden scheitern; und wir sind wieder da, wo wir vor drei oder vier Jahren waren. Dchauen Sie mal, wie sich die Dinge in Gaza entwickeln: Das ist der Anfang.

An diesem Wochenende wird in Gaza gefeiert, und zwar kräftig. Vor 20 Jahren brach die erste Intifada aus, nachdem ein israelischer Lastwagen mehrere Arbeiter überfahren und dabei getötet hatte – ein Unfall, wie heute beide Seiten einräumen. Nur damals wurde das Ereignis zum Katalysator eines Volksaufstandes, der der israelischen Seite deutlich machte, dass man Kriege gegen Armeen, aber nicht gegen Völker gewinnt. Die Hamas erstarkte, zumindest im Gazastreifen, und half dabei mit, dass die Osloer Übereinkünfte, Resultat der israelischen Lehren aus der ersten Intifada, scheiterten. Die Hamas sieht den Beginn des Aufstands als ihre Geburtsstunde, und sie feiert sie in diesen Tagen – mit Feuerwerken und Kundgebungen, bei denen martialische Sprüche fallen, die erkennen lassen, dass die politische Führung, die im Laufe des vergangenen Jahres vorübergehend eine gewisse Moderierung hatte erkennen lassen, wieder nach rechts gerückt ist. „Wir werden niemals Israel anerkennen“, wettert Ismail Hanijeh, bis zu Übernahme des Gazastreifen durch die Hamas Premierminister der palästinensischen Einheitsregierung, in die Menge, und die Menschen jubeln.

Die Stimmung auf den Straßen Gazas ist am Umkippen

Ihnen geht es schlecht, sehr schlecht sogar: Viele von ihnen sind von Hilfslieferungen der Vereinten Nationen abhängig, haben keine Arbeit mehr, weil Israel sämtliche Übergänge für private Im- und Exporte in den dicht bevölkerten Landstrich abgeriegelt hat. Die Krankenhäuser funktionieren kaum noch, und der Weg von A nach B ist im vollständig vom Autoverkehr abhängigen Gazastreifen zur Tortur geworden, denn Benzin gibt es, wenn überhaupt, nur noch in kleinen Mengen: Israels Regierung hatte Anfang Dezember die Treibstofflieferungen um an die 20 Prozent reduziert, woraufhin die Regierung der Hamas anordnete, gar keine Lieferungen mehr anzunehmen.

Genau daran sieht man sehr deutlich, warum man als Verteidigungsminister auch auf politische Erwägungen achten muss. Aus militärischer Sicht macht es Sinn, die Lieferungen zu reduzieren, abzuriegeln, und gezielt Führungspersonen der Gegenseite anzugreifen. Eine Armee kann man damit vielleicht zur Kapitulation zwingen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir es hier mit fast zwei Millionen Menschen zu tun haben – für die werden wir um so mehr zum Feind, je härter wir zuschlagen.

Jossi Sarid, Abgeordneter des linksliberalen Meretz/Jachad-Blocks

Gab man noch vor einigen Wochen der Hamas die Schuld an der prekären Situation im Gazastreifen, stellen sich nun immer mehr Menschen hinter die Radikalislamisten. Man sei im Krieg, ist immer wieder zu hören, und Israel sei der Aggressor. In dieser Situation, warnen Soziologen die israelische Regierung, sei es höchst unwahrscheinlich, dass sich die öffentliche Meinung gegen die Hamas wende, denn es sei normal, dass sich Öffentlichkeiten in Krisenzeiten auf die Seite der Regierung stellen:

Es war nach dem 11. September in den USA und sogar darüber hinaus der Fall, und sogar in den ersten Wochen des Libanon-Krieges im vergangenen Jahr stand die israelische Öffentlichkeit völlig auf der Seite der Regierung. Das Hinterfragen von politischen und strategischen Entscheidungen kommt er später, wenn es zu spät ist, noch etwas zu ändern.

Michal Grinberg von der Universität Be'er Schewa

Hinzu kommt, dass in Gaza eine Art Fatalismus um sich greift: „Ich glaube nicht, dass die Menschen dauerhaft unter der Hamas leben wollen, aber im Moment ist das Gefühl weit verbreitet, dass man ohnehin nichts zu verlieren hat“, glaubt ein Mitarbeiter des palästinensischen Fernsehens, der verdeckt im Gazastreifen arbeitet, weil sein Sender der mit der Hamas verfeindeten Fatah-Fraktion von Präsident Mahmud Abbas nahe steht. „Man konzentriert sich deshalb voll und ganz auf das Feindbild ,Israel' und bejubelt jeden noch so kleinen Erfolg.“

Eine Entwicklung, die von Präsident Mahmud Abbas und seinen Mitarbeitern mit großer Sorge beobachtet wird: „Wir befürchten, dass wir hier im Westjordanland Ärger bekommen“, sagt einer seiner Mitarbeiter. Denn auch hier, räumlich von Gazastreifen getrennt, verfolgt man die israelischen Militäroperationen sehr genau, und gelangt zunehmend zu der Ansicht, dass Olmert und seine Regierung ein doppeltes Spiel spielen und Abbas und sein Lager ihre Marionetten sind. Mit der Hamas und ihrem Islamismus wollen die meisten hier nichts zu tun haben. Aber man erwartet, dass die Regierung die Belange des palästinensischen Volkes vertritt, und das ist aus der Sicht der öffentlichen Meinung sehr viel mehr, als nette Worte, das Versprechen, bald einen eigenen Staat zu bekommen und darüber hinaus: kaum Bewegung.

Die Checkpoints der israelischen Armee sind dort, wo sie auch vor ein paar Monaten, oder ein paar Jahren schon waren, der Siedlungsbau geht weiter und die Festnahmen von Extremisten werden mittlerweile von der palästinensischen Polizei vorgenommen, statt vom israelischen Militär.

Donnerstag: Vor dem Kurswechsel

„Das ist eine ausgesprochen gefährliche Situation“, sagt ein Abgeordneter der Arbeiterpartei, der in der vergangenen Woche gemeinsam mit mehreren Kollegen damit begonnen hat, sich aus Unmut über den Vorsitzenden Barak nach einer neuen Fraktion umzusehen: „Ich erwarte von meiner Partei, dass sie eine Politik des Friedens, nicht der Eskalation vertritt.“

Einige Tage zuvor hat es eine stürmische Fraktionssitzung gegeben, in deren Verlauf Barak seine Kritiker als „linke Träumer“ abgekanzelt und damit die allgemeine Stimmung endgültig in den Keller getrieben hat: „Ja was“, sagt der Abgeordnete, „was bitteschön ist an Frieden verkehrt: Frieden bedeutet Ruhe in Sderot, Ruhe in Gaza, Ruhe überall. Sind wir soweit, dass uns die Lösungen ausgegangen sind, und wir nur noch von Ruhe träumen können?“ Er sei sich sicher, sagt er, dass Gespräche der richtige Weg seien, auch mit der Hamas:

Es ist in den vergangenen Monaten soviel darüber geschrieben worden, dass die Palästinenser in Gaza die Hamas eigentlich gar nicht wollen. Und in den vergangenen Tagen habe ich einiges darüber gelesen, dass unsere derzeitige Politik ein Fehlschlag ist, die Leute nur noch radikaler macht – warum versuchen wir es also nicht mal mit reden?

Die Dissidenten innerhalb der Sozialdemokraten äußern diese Gedanken bisher nur unter dem Deckmantel der Anonymität. Doch andere, selbst prominente Politiker, haben weniger Bedenken, ihre Ansichten zu Protokoll zu geben: Er glaube, dass die Regierung durchaus über Gespräche mit der Hamas nachdenken sollte, erklärte Infrastruktur-Minister Benjamin Ben-Elieser, ein Sozialdemokrat und ehemaliger Verteidigungsminister, am Donnerstag, nachdem am Tag zuvor bereits Transportminister Schaul Mofaz, Angehöriger von Olmerts Kadima und ebenfalls einstiger Chef des Verteidigungsressorts, Ähnliches gesagt hatte.

Worte also, die Gewicht haben, und zwar so viel, dass Olmert, dessen Lager sichtbar verstimmt über so viel Offenheit aus den Reihen des Kabinetts war, es nicht einfach bei einem Machtwort aus seinem Mund belassen konnte. Stattdessen musste niemand anderes als Präsident Schimon Peres ran, ein persönlicher Freund, eine graue Eminenz, dessen Wort heute, in seiner Funktion als Staatsoberhaupt (was eigentlich ein rein zeremonieller Posten ist) als das endgültigste aller Schlusswörter gilt: Gespräche, sagte Peres, kämen erst dann in Frage, nachdem die Raketenangriffe eingestellt würden. Bis dahin würden die Militäroperationen weiter gehen – ein klares, deutliches und endgültiges Nein also.

Jedenfalls vorerst. Denn der bevorstehende Kurswechsel wird erst bei einem Blick in die Protokolle des Obersten Gerichtshofes sichtbar: Ende November hatten dort mehrere Menschenrechtsorganisationen Klage gegen die Reduzierung von Strom- und Treibstofflieferungen eingereicht; die Richter hatten darauf hin die Abschaltung des Stroms untersagt und dem Staat drei Wochen gegeben, um einen Mechanismus zu finden, der Beeinträchtigungen vor allem des Gesundheitssystems ausschließt. Am Donnerstag, pünktlich zum Ablauf der Frist, erklärte Menachem Masus, Generalstaatsanwalt und Rechtsberater der Regierung, in seiner schriftlichen Antwort, die strategische Notwendigkeit dieser Schritte sei „weggefallen“; man „erwäge“ deshalb, darauf zu verzichten. Übersetzt bedeutet das: Die Regierung wertet zumindest die Einschränkung der Lieferungen als Fehlschlag.